Rosenheim – Nach der Wiesn ist es für viele junge Leute noch viel zu früh, um nach Hause zu gehen. Aber gegen 2 Uhr nachts hatte eine Gruppe von jungen Leuten in einem Lokal dann doch genug und rüstete sich zum Heimweg. Zumal bereits im Lokal ein ihnen unbekannter, aber sichtlich angetrunkener junger Mann angefangen hatte, zu stänkern und ihnen auf die Nerven gegangen war.
Die Jugendlichen verbaten sich dieses Verhalten und verließen das Lokal. Der Unbekannte aber verfolgte sie weiter. Als sie ihn schließlich deutlich aufforderten, sie in Ruhe zu lassen, rastete der Fremde völlig aus und schlug zwei von ihnen zu Boden.
Eine zufällig vorbeikommende Polizeistreife griff ein, stellte den nun Flüchtenden und nahm ihn fest. Das ging jedoch nicht ohne erhebliche Widerstände. Drei Streifenbesatzungen waren notwendig, um den Azubi zur Raison zu bringen.
Der Vorsitzende Richter, Hans-Peter Kuchenbaur war wenig erfreut, den Angeklagten erneut vor sich zu sehen. Ordentlich gescheitelt, höflich und zurückhaltend auftretend, entschuldigte sich der Angeklagte bei allen Betroffenen für sein Verhalten.
Doch der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht: Dieses alte deutsche Sprichwort war dem Sohn deutscher Eltern aus Kasachstan wohl nicht geläufig. Dabei ist er bereits im zarten Alter von zwölf Monaten nach Deutschland gekommen.
Schon mit 15 Jahren musste ihn der Jugendrichter wegen Körperverletzung ermahnen. Diese Unbeherrschtheit zieht sich durch das Leben des nunmehr 20-Jährigen wie ein roter Faden. Zunehmend schlimmer wurde das, als er begann, auch zur Flasche zu greifen.
Kein Spielraum mehr für Bewährungsstrafe
Bereits sechs Vorstrafen ließen das positive Auftreten in einem anderen Licht erscheinen.
Dazu kommt, dass er, als er im vergangenen Herbst die beiden Männer niedergeschlagen hatte, wegen identischer Taten unter Alkoholeinfluss sich in zweifach offener Bewährung befand. Dabei war es nur fünf Monate her, dass ihm der Richter eine zweite Bewährungschance geboten hatte. Daneben hatte er auch gegen die wichtige und begründete Bewährungsauflage verstoßen, keinen Alkohol zu trinken.
In einem Rechtsgespräch zwischen Gericht, Verteidiger und Staatsanwaltschaft machte das Gericht klar, dass jetzt keinerlei Spielraum für eine weitere Bewährungsstrafe mehr vorhanden sei.
Wohl aber würde das Gericht mit der Aufforderung zum Strafantritt so lange warten, bis der Angeklagte seine in Kürze anstehende Abschlussprüfung seiner Ausbildung absolviert habe.
In der Sache selber war der 20-Jährige geständig, erklärte aber, dass er sich an keinerlei Vorfälle dieses Abends erinnern könne. Das wiederum wollte ihm das Gericht nicht recht glauben, hatte er beim Alkoholtest doch kaum ein Promille Alkohol im Blut. Auch alle Zeugen schilderten ihn wohl als angetrunken, aber niemand hatte ihn als volltrunken geschildert. Es war dies wohl eine Verdrängungs- und Schutzbehauptung.
Dass er trotz seiner inzwischen 20 Lebensjahre noch als Jugendlicher zu beurteilen sei, das bestätigte vor Gericht sein Bewährungshelfer, der ihm aber auch „schädliche Neigungen“ nicht absprechen konnte.
Folgerichtig beantragte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft – unter Einbeziehung der Vorverurteilungen – eine Jugendeinheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Bei dieser Strafhöhe wäre eine Aussetzung zur Bewährung ohnehin unmöglich.
Der Verteidiger, Rechtsanwalt Oliver Heinzel regte an, es bei einer Gesamtstrafe von zwei Jahren zu belassen und womöglich eine letztmalige Bewährungsstrafe in die Überlegungen einzubeziehen.
Dem war allerdings das Gericht außerstande, zu entsprechen. Zweieinhalb Jahre Jugendgefängnis hielt das Jugendschöffengericht für unabdingbar, nachdem eine doppelt offene Bewährung ihn nicht einmal sechs Monate von der nächsten Straftat samt Verstoß gegen die Bewährungsauflagen abhalten konnte.