Neue alte Leidenschaft: das Platteln

Sie haben den Schlag drauf

von Redaktion

Sie klatschen in die Hände, stampfen mit den Füßen auf den Boden, schlagen im Gleichklang mit den Händen auf die Oberschenkel und Füße. Ein Jahr nach Ende des offenen Plattlerkurses beim Trachtenverein D` Innviertler beweisen die „Lehrlinge“ auf dem Tanzboden des Happinger Hofes, dass sie den Schlag noch immer draufhaben.

Rosenheim – In den 70er- und 80er-Jahren trug er Jeans und lange Haare, hörte Rockmusik und fand die Mitglieder des örtlichen Trachtenvereins, wenn sie in Dirndl und Lederhose ins Festzelt gingen, einfach nur peinlich. „Bayerisches Brauchtum galt damals als Ausdruck eines Erzkonservatismus“, erinnert sich Dieter Gfall schmunzelnd. Das hat sich geändert: Traditionspflege ist wieder in, zeigt auch der Plattlerkurs des Trachtenvereins D` Innviertler. Hier haben im Jahr 2017 auch gestandene Mannsbilder wie Gfall gelernt, wie Burschen früher auf dem Tanzboden um ein fesches Mädel warben.

Eins fällt auf in der Männerrunde, die vom Vorsitzenden der D` Innviertler, Alfred Licht, beim Platteln angeführt wird: Viele der frisch ausgebildeten Tänzer sind schon etwas ergraut, weil in den mittleren Jahren. Sie haben ein Nachholbedürfnis in puncto Brauchtumspflege. Gfall, der als junger Mann niemals freiwillig in eine Lederhose gestiegen wäre, trägt sie jetzt mit großer Leidenschaft. Mit der Teilnahme am Plattlerkurs hat er sich im vergangenen Jahr einen Lebenstraum erfüllt. Dieser war fernab der Heimat entstanden: Jahrzehntelang war der gebürtige Grafinger als Handelsvertreter im Ausland. „Eine gute Zeit“, sagt er, doch das Heimweh blieb nicht aus. Und es war mit einer Sehnsucht nach Tracht und Tradition verbunden.

Zurück daheim meldete sich der Neu-Rosenheimer zum Plattlerkurs an. „Anfangs bin ich fast verzweifelt“, erinnert er sich. Obwohl als Tennisspieler konditionell gut drauf, geriet er kräftig ins Schwitzen. „Auch die Koordination der Bewegungen von Händen, Armen und Beinen fordert sehr“, ergänzt Oliver Hübsch. „Anfangs war es extrem anstrengend“, sagt er. Der Inhaber eines Malerbetriebes übte daheim vor dem Spiegel, bis die Abläufe in Fleisch und Blut übergegangen waren. „Jetzt hab ich den Schlag drauf“, freut er sich. „Das verlernt man nicht“, hat Dr. Johannes Winkler aus Bad Endorf festgestellt. Er nutzte den Kurs des Trachtenvereins zur Auffrischung. Anfangs war er noch unsicher, doch die im Kindesalter erlernten Plattlerfähigkeiten mussten nur wieder zum Leben erweckt werden. Anton Fedoriw war schon 71, als er das erste Mal plattelte. Als Jugendlicher spielte er in einer Band Saxofon und Gitarre, finanzierte mit Auftritten später das Studium. „Neumodischer Schmarrn“, hieß es damals im Trachtenverein seines Geburtsortes. Fedoriw durfte nicht mitmachen.

Lebenslang konnte er das nicht akzeptieren. Denn: „Bayern liegt mir im Blut“, sagt der Enkel eines Gebirgsschützen. 2010 stürzte der Bad Endorfer mit seinem Flugzeug ab – und überlebte schwer verletzt. Damals hat sich der Architekt geschworen: Jetzt erst recht. Er hat es in der Tat geschafft – trotz „viel Eisen im nach dem Unfall zusammengeflickten Körper“, wie er stolz erzählt. Was war das für ein Gefühl, zum Finale des Kurses mit tausenden Plattlern im Flötzinger-Festzelt aufzutreten? „Das kann man nicht beschreiben, das muss man spüren“, sagt er mit leuchtenden Augen.

Auch Gfall findet dafür nur ein Wort: „Stolz“. Nachdem er sich gegen die vielen Blutergüsse endlich eine ordentliche Lederhose gekauft und auf Dienstreisen im Ausland jeden Abend im Hotelzimmer geübt hatte, trat er sogar vor Geschäftspartnern in Spanien auf und erntete viel Applaus. „Brauchtum muss man leben“, findet er. „Schrecklich, wenn die Leute Kochsendungen im Fernsehen sehen und selber nie am Herd stehen“, zieht er einen Vergleich.

Franz Lukas, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Stadtrat, ist ebenfalls jemand, der nicht nur von bayerischem Brauchtum reden mag. Eigentlich ist er vor allem ein begeisterter Salsatänzer. Als ebenso leidenschaftlicher Lederhosenträger hat er sich jedoch oft gefragt, ob es nicht sinnvoll wäre, neben dem lateinamerikanischen auch den heimischen Tanz zu erlernen.

Das Angebot des Trachtenvereins D` Innviertler kam deshalb gerade recht. „Ein richtiger toller Plattler-Profi werde ich nicht mehr“, räumt Lukas ein. Die Grundkenntnisse reichen jedoch aus, um nach dem olympischen Prinzip „Dabeisein ist alles“ mitzumachen. „Platteln tut einfach gut“, stellt Lukas fest.

Das findet auch Winkler. Er ist überzeugt, dieser Brauchtumstanz passt in die Zeit. Denn: „Die Menschen haben wieder mehr Sinn für Altes und Echtes.“

Plattlerkurs

An vier Abenden können Interessenten erneut auf Einladung des Trachtenvereins D` Innviertler Rosenheim das Platteln lernen – ab dem 4. Juli. Anmeldungen und Informationen gibt es bei Alfred Licht, Telefon 08036/2189.

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