Rosenheim – Ein Streifzug durch die Jahres-Flyer zeigt: Von der „zusätzlichen Verbesserung des Stadtverkehrs“ mauserte sich der Slogan zur „idealen Ergänzung im öffentlichen Nahverkehr“ – was die Zielsetzung dieser Idee verrät. Geistiger „Vater“ ist Franz Gerthner von den Stadtwerken Rosenheim. Er entwickelte mit Team und politischer Rückendeckung das auf die Stadt Rosenheim zugeschnittene Konzept, hervorgegangen aus einem Modell vom ÖPNV-Lehrstuhl der Uni Wuppertal.
„Auf Wunsch wartet der Fahrer, bis der Kunde im Haus ist.“
Franz Gerthner
In der ländlichen Region, wie hier, ist es quasi das „Ei des Kolumbus“: Da etliche Weiler und Ortsteile nicht vom Öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV) angefahren werden (können), oftmals auch Haltestellen weit entfernt liegen und dadurch insbesondere spätabends oder nachts ein Problem für den ÖPNV-Fahrgast entstehen kann, ist das Anruf-Sammel-Taxi eine Lösung. Denn: Der Kunde steigt zwar an den Bushaltestellen mit AST-Hinweisschild zu, wird aber am Zielort bis vor die Haustür gebracht. Auf Wunsch wartet der Fahrer auch, bis der Fahrgast im Haus verschwunden ist. Also: „Schließen wir eine Lücke im Sinne der Sicherheit“, so Gerthner. Für Schwerbehinderte gilt eine Ausnahme: Sie werden bereits an der Haustür abgeholt.
„Die Beförderung bis vor die Haustür ist Komfort“, nennt Gerthner einen der Gründe, warum der AST-Fahrpreis 30 Prozent höher liegt als beim Bus – „aber etwa 50 bis 70 Prozent niedriger als fürs Taxi.“ Der Höchstpreis beträgt 6,50 Euro – was etwa einer Strecke von Pang nach Baierbach entspricht.
In nahezu 25 Jahren ist die Fahrgastzahl stetig gewachsen. Bei 400688 Fahrten in diesem Zeitraum sind es über 650000 Fahrgäste (Stand 31. Dezember 2017). Inklusive der beiden Herren Gerthner und Alois Seehuber. Denn: Die zwei AST-Verantwortlichen bei den Stadtwerken fahren hin und wieder Tests. Nicht als „Undercover Boss“, dennoch unerkannt und unbekannt für die Fahrer. Grund: Es gibt viele von ihnen. Alle sind selbstständig, beschäftigen vielleicht auch wieder Fahrer.
Testfahrten –
und alles läuft
wie am Schnürchen?
Zusammengeschlossen sind sie in einer Taxigenossenschaft. Diese Edelweiss-Mobilitätszentrale agiert als Nachunternehmen für die Stadtwerke, war schon bei der „Geburtsstunde“ von AST dabei und bedient circa 40 Fahrzeuge.
Hier laufen die Fäden für einen lückenlosen Service zusammen: Für bedarfsabhängige Verkehre entwickelte Software errechnet die günstigste Zusammenlegung von Fahrtrouten – angefangen vom Anruf der Fahrgäste mit deren Zeit- und Abholpunkten bis hin zu den Zielorten: Es heißt ja nicht grundlos „Anruf-Sammel-Taxi“. Der Kunde erhält sofort seine Rückmeldung, falls nötig mit Angabe einer Zeitverschiebung aufgrund zusätzlich eingegangener Fahrtwünsche. Die Daten werden elektronisch ins Fahrzeug übermittelt, auch der Fahrpreis. Er wird nach Routenplan-Entfernung berechnet, nicht nach Taxameter. Der Fahrgast zahlt, wenn er einsteigt.
Die Testfahrten von Gerthner und Seehuber verliefen bisher ohne Reklamationen. Läuft hier also alles wie am Schnürchen?
Das wäre utopisch. Etwa zehn Beschwerden sind es im Jahresschnitt. Es gibt Anrufer, die sich beklagen, weil angeblich ein Taxi nicht, zu spät oder das „falsche“ (da nicht das erwartete Großraumfahrzeug) erschien, ein Fahrer X zu unhöflich war oder aber es Probleme mit dem Gepäck gab. „Dabei“, sagt Gerthner, „haben wir Fahrzeuge mit üblichem Kofferraumvolumen, wo zu viel zu sperriges Gepäck nicht unbedingt hinein passt.“ Zumal mehrere Personen mitfahren und auch deren Gepäck eventuell verstaut werden muss. Prinzip: guter Wille, weil in der Regel lediglich Handgepäck zugelassen ist wie im Flieger. „Alles andere geht nach Können und Vermögen“, sagt Gerthner.
Also kann es vorkommen, dass der Fahrgast ein größeres „normales“ Taxi benötigt. Die Mobilitätszentrale gibt diese Meldung für den Kunden weiter. Geld für das damit umsonst bestellte Sammeltaxi wird nicht fällig – „das geht zulasten der Stadtwerke“, betont Gerthner.
Es gab einen AST-Vorgänger, ein Linientaxi. Insofern hatte es sich nicht bewährt, da es zum großen Teil leer fuhr, was wiederum mit starren und ungünstigen Fahrtzeiten zusammenhing. Nach einem Jahr war Schluss. Und das flexible AST wurde aus der Taufe gehoben – am 1. Juni 1993 in Rosenheim, parallel dazu in Straubing.
Das Anruf-Sammel-Taxi befährt inzwischen fünf Zonen: Z1 mit Fürstätt, Kastenau und Happing. Z2 mit Schwaig, Aising, Pang, Westerndorf St. Peter, Z3 mit Schloßberg, Z4 Stephanskirchen und schließlich die „Innenzone Rosenheim“.
Die Gemeinde Stephanskirchen sprang nur zwei Jahre nach Einführung auf den Zug (sprich: AST) auf, voraussichtlich zum Jahresende folgt die Gemeinde Riedering. Ein Gemeinderatsbeschluss liegt vor.
Bei Fahrten zu oder aus diesen beiden Gemeinden ist ein Zuschlag auf den Fahrpreis von 1,50 Euro fällig. Warum? „Um das Defizit dort klein zu halten“, sagt Gethner. Denn AST ist ein Zuschussbetrieb.
„Die Fahrpreise für AST werden
nicht erhöht.“
Franz Gerthner
Auch bei den Stadtwerken Rosenheim summiert sich der Fehlbetrag: jährlich auf 100000 Euro. Als kommunales Unternehmen sehen sie AST dennoch als „Teil der Daseinsfürsorge“, so Alois Seehuber. Aufgefangen wird das Defizit durch eine Querverbundrechnung, da „wir im Energiebereich Gewinne erwirtschaften“, erklärt Gerthner. Gewaltiger Nebeneffekt: Mit einer solchen Querverbundrechnung wird auch das Defizit beim Rosenheimer Freibad in jährlicher Höhe von 1,4 Millionen Euro abgefedert. Knallen nun zum 25. die Korken? Nein, sagt Gerthner, dies sei ein Jahr wie jedes andere auch – man verstehe sich doch als Dienstleister. Vielleicht aber so viel zum Jubiläum: „Mit einer Fahrpreiserhöhung müssen AST-Kunden nicht rechnen.“