Der Chor der jungen Rosenheimer trat bei etlichen Gelegenheiten in der Stadt auf.
Rosenheim – Das war die Geburtsstunde des Singkreises von St. Nikolaus. Denn nach diesem ersten gemeinsamen Auftritt hatte der damals 18-jährige Fritz Keidel die Idee, einen festen Jugendchor zu gründen. Er trommelte Mitglieder der Pfarrjugend, Freunde und Bekannte zusammen, die alle gerne sangen, und übernahm auch gleich das Amt des Chorleiters – und das mit Erfolg. Ein Jahr später, im Dezember 1954, hatte der Singkreis seinen ersten Auftritt: Bei der Pfarrfamilienfeier im Dezember traten 50 Sängerinnen und Sänger auf – samt einem eigenen 15-Mann-Orchester.
Weitere Auftritte bei Gedenkfeiern und Elternabenden folgten, bevor wiederum ein Jahr später, im Dezember 1955, der Singkreis sein erstes richtiges Konzert gestaltete. Es war ein Kammermusikabend im Saal des katholischen Gesellenhauses. Dass es beim Singkreis nicht, wie bei so manch anderem Chor, in erster Linie um das gesellige Beisammensein ging, zeigt ein Blick auf den Programmzettel: Präsentiert wurden anspruchsvolle Lieder und Musikstücke von Corelli, Tartini, Gluck, Mozart, Bach, Haydn und anderen.
„Markante Stimmfülle“
Auch die Zeitung würdigte damals die musikalische Leistung: „Die rührige Katholische Jugend St. Nikolaus hat sich nun auch Frau Musica verschrieben. Fritz Keidel, der spiritus rector und die Seele des Ganzen hat einen Jugendchor zusammengestellt, der schon nach verhältnismäßig kurzer Anlaufzeit eine markante Stimmfülle aufweist“, war damals im Rosenheimer Anzeiger, dem Vorläufer des Oberbayerischen Volksblatts, zu lesen.
Der Chor entwickelte sich musikalisch stetig weiter und wurde zu einem festen Akteur im kulturellen Leben der Stadt. Unter der Leitung von Keidel erarbeiteten sich die jungen Sänger anspruchsvolle Chormusik vom Barock bis zu Zeitgenössischem. Der Singkreis trat bei Volkstanzabenden und Maiandachten auf, musizierte im Brunnenhof der Sparkasse Rosenheim und gestaltete im Rahmen der Primiz von Sebastian Obermaier, dem späteren Padré, eine geistliche Abendmusik in der Kirche St. Nikolaus.
„Diese aufstrebende Chorvereinigung hat in den letzten Jahren mehrfach bei eigenen Konzerten und als Mitwirkende bei kirchlichen Feiern schon ihr bedeutendes Können unter Beweis gestellt. Gelegentlich der heurigen Primizfeier erhielt sie jedoch erstmals die Möglichkeit, eine umfassende geistliche Abendmusik zu gestalten. Der große Erfolg sei Ansporn zu weiterer Arbeit auf dem eingeschlagenen Weg“, lobte damals das Oberbayerische Volksblatt.
1960 wurde der Singkreis schließlich sogar zum Eucharistischen Kongress nach München eingeladen und war dort, auf großer Bühne, zusammen mit einem Posaunenchor verantwortlich für den musikalischen Part bei einem Jugendgottesdienst. Im gleichen Jahr wurde auch der Bayerische Rundfunk auf den Rosenheimer Jugendchor aufmerksam und nahm ein Konzert mit Frühlingsliedern auf. Es gibt auch Aufnahmen des BR mit Madrigalen.
Doch natürlich hatten die jungen Leute nicht nur kulturelle Interessen. Die 16- bis 25-Jährigen unternahmen gemeinsame Ausflüge, gingen zum Tanzen und in die Berge, zogen los zu Radtouren und Schlittenfahren, stellten eine eigene Fußballmannschaft auf die Beine, feierten Fasching und Feste.
Kabarettistischer Ableger
Aus dem Singkreis ging auch „Das Bügelbrett“ hervor, die erste Kabarettgruppe, die die Verhältnisse in Rosenheim und der weiten Welt satirisch aufs Korn nahm – damals eine kleine Sensation in der Stadt mit ausverkauften Vorstellungen. Federführend war Eugen Weigl, später Kulturreferent der Stadt Rosenheim, zusammen mit Franz Hilger, Erich „Belli“ Schöps und Heinz Hofstetter.
Freund- und Liebschaften entstanden, es gab Hochzeiten und Beerdigungen: Zwei Mitglieder des Singkreises kamen in jungen Jahren in den Bergen ums Leben. Gustl Hofstetter starb 1958 während einer Tour im Zahmen Kaiser an Erschöpfung. 1961 stützte Egon Schrottenloher beim Klettern ab.
Mit dem Älterwerden seiner Mitglieder ging ab 1963 auch der Chorkreis auseinander. Viele Freundschaften, die entstanden sind, haben aber bis heute gehalten. Manche aus dem Singkreis zog es in die weite Welt hinaus, Erich Schöps beispielsweise lebt seit über 50 Jahren in Paris, Heinz Hofstetter verbrachte fast sein gesamtes Berufsleben in Stuttgart und der Schweiz, bevor er vor vier Jahren in die Heimat zurückkehrte. Doch zum jährlichen Singkreistreffen waren sie alle wieder da.
100 Seiten Singkreis-Chronik
Auch heuer wollen sich die Ehemaligen wieder treffen, die Vorbereitungen laufen bereits. Das 65-Jährige gefeiert haben sie aber vorsichtshalber schon mal im vergangenen Jahr: „In unserem Alter kann man nie wissen“, meint Heinz Hofstetter, einer der Organisatoren, augenzwinkernd. Immerhin 28 der ehemaligen Sängerinnen und Sänger kamen, um zu feiern und gemeinsame Erinnerungen an alte Zeiten auszutauschen. Damit Letzteres leichter fällt, hatte Hofstetter zusammen mit den weiteren Initiatoren des Jubiläumstreffens, Erich Schöps und Werner Philippczik, eine mehr als 100-seitige und mit zahlreichen Bildern versehene Chronik des Singkreises erstellt – samt zweier CDs mit Auszügen von Konzerten und Rundfunkaufnahmen.