Internationaler Tag des Bartes

Ein haariger Kult

von Redaktion

Er kratzt manchmal und muss mindestens alle zwei Wochen gestutzt werden: der Bart. Als Vollbart ist er derzeit Statussymbol des trendigen Mannes. Die Barbiere von Rosenheim haben alle Hände voll zu tun, aus einem womöglich wilden Wuchs ein formvollendetes Gesichtskleid zu machen. Vor allem heute, am Welttag des Bartes.

Rosenheim – Fast 4000 Stunden seines Lebens soll der Durchschnittsmann mit Rasieren verbringen. Wie lästig! Da kommen ihm die „neuen 70er“ gerade recht: Aus Gesichtsstoppeln werden Vollbärte, Backenbärte werden in die Länge gezüchtet und aus kurzen Schnauzern hoch, seitlich oder nach unten gezwirbelte, stattliche Bartspitzen. Hoger Hassan zum Beispiel will seinen rabenschwarzen, lockigen Vollbart, der natürlich einen Oberlippenbart einschließt, in dieser Weise wachsen lassen. Sozusagen als Vorbild für seine Kunden.

Zusammen mit Milana Kusli-Medovic betreibt er ein Hairstyle-Geschäft, in dem immer mehr Kunden sich zwecks Bartpflege auf dem Frisierstuhl niederlassen. Wer nicht viel Zeit hat, bewältigt das Wellness-Programm in etwa 15 bis 20 Minuten. Mit Bartshampoo, das ph-neutral und ohne Tenside sein soll, wird gewaschen, danach mit dem Strich rasiert, die Kontur in Form gebracht. Möglich, dass der Kunde sich einen der drei Angestellten als „Muster“ auswählt – denn sie alle tragen natürlich ein bemerkenswertes Gesichtskleid.

„Damit der Bart schön weich ist, wird Öl einmassiert und ganz zum Schluss mit Bartwichse eingerieben“, sagt Hoger Hassan – egal, ob schwarz, blond oder braun, das geschmeidige Mittel wirkt bei jeder Haarbeschaffenheit. In Rosenheim allerdings gönnt sich der bärtige Mann eher ein Mal im Monat diese Wohltat.

Übrigens galt bei den Römern lange Zeit ein Vollbart neben einer Hose als typisches Zeichen für einen Barbaren. Und mit Blick auf einen Schnauzer, Beginn aller Prachtstücke im Männerantlitz, gab es in Bayern um 1838 ein Verbot für Zivilpersonen: Wer einen Schnauzer trug, dem drohten Arrest und eine zwangsweise Rasur. Offiziere aber waren allgemein an ihren Schnauzbärtchen zu erkennen.

„Mindestens ein Mal im Leben sollte ein Mann einen Barbershop aufgesucht haben“, ist Thomas Fuchs, ebenfalls Inhaber eines Friseur- und Barbiergeschäftes in Rosenheim, überzeugt. Klar, er ist Vollbartträger, und der Bart sieht nach Ansicht seines Barbers André Fischer wild aus. Wie das? Thomas Fuchs verzichtet derzeit auf eine Bart-Behandlung, denn „er geht zwei Monate auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela“, wie André Fischer weiß. Er selbst hatte nach seiner Friseurlehre eigens eine Barber-Ausbildung draufgesattelt. Bei seinem Chef wird er nach dessen Rückkehr wohl dem Bart zu neuem Glanz und Ansehen verhelfen.

Der Männertraum auf dem Barberchair, also Behandlung im Liegen, umfasst im klassischen Sinne: Beratung, zurechtstutzen, warme Kompressen (damit der Rasierer für die Konturen tiefer greifen kann) Rasieröl (so gleitet das Rasiermesser sanfter über die Haare) Rasiergel (oder Schaum) und nach der Rasur eine kalte Kompresse (Poren schließen sich) sowie ein Aftershave, Bartpomade (Glanz) und eine Gesichtsmassage. „Das alles wird zelebriert“, sagt Thomas Fuchs. Noch vor zwei Jahren hatte er einen Barbier-Meister aus Italien. „Da war ich wohl meiner Zeit voraus“, sagt er im Rückblick, da sich das Geschäft damals nicht gelohnt hatte. Heute ist etwa jeder dritte Kunde Vollbartträger.

„Die Norm“, erläutert dazu Barber André Fischer, „ist ein fünf bis zehn Zentimeter langer Vollbart, seitlich etwas kürzer.“ Ein Hipster unter seinen Kunden tanzt indes aus der Reihe: Dessen Bart misst 30 Zentimeter.

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