Rosenheim – Die Raumteiler stehen noch nicht, zahlreiche Aktenordner – ja, sie gibt es auch in einem digitalen Gründerzentrum – warten in Kartons darauf, ausgepackt zu werden. Doch die PC und Laptops glühen bereits, ebenso wie die Kaffeemaschine in der gemeinsamen Küche: In den Büros des Stellwerks 18 haben die Jungunternehmer ihre Arbeit am 1. September, also eine Woche vor der Eröffnung, aufgenommen.
Dass hier ausschließlich Startups arbeiten, ist zu erkennen. Das Alter der Mitarbeiter: unter 30. Der Look: lässig. Die Kommunikation: locker. Die Ausstattung: einfach. Computertechnik bestimmt das Bild – aber auch ein kleiner Bürohund, der durch die Gänge streift.
Lukas Schiffer, einer der beiden Geschäftsführer der „Tjiko“ GmbH, sitzt in Jeans und T-Shirt an seinem Schreibtisch mit Blick auf die Bahngleise. Trotz seines jugendlichen Aussehens ist der 27-Jährige schon seit zwei Jahren Unternehmer. Und war einer der ersten Existenzgründer, die sich als Mieter im Stellwerk 18 angemeldet hatten.
Vor zwei Jahren gründeten Schiffer und sein Kommilitone Markus Hoos eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), vor drei Monaten wandelten sie diese in eine GmbH um. Sie startet seit der Gründung durch: Mittlerweile haben die beiden drei Angestellte.
Vom Hörsaal in
den Chefsessel
Sie sind direkt vom Hörsaal in den Chefsessel gesprungen: Das digitale Gründerzentrum macht`s möglich – dank günstiger Mietkonditionen, schneller Datenautobahn und guter Vernetzung mit Unternehmen und möglichen Kunden in der Region.
Dass er für die Selbstständigkeit berufen ist, hat Schiffer, der aus einer Unternehmerfamilie stammt, bereits während des Studiums des Holzbaus an der Hochschule Rosenheim gespürt. Er finanzierte es sich als Baumkletterer und -pfleger. „Sinnhaftigkeit und Wirtschaftlichkeit müssen kein Widerspruch sein“, stellte er schon als Student fest.
Ein Projektseminar an der Hochschule zum Thema Unternehmensgründung bestärkte ihn in seinem Wunsch, eine eigene Firma zu gründen. In seinem WG-Kollegen Markus Hoos fand er den passenden Geschäftspartner. „Ich bin kreativ und visionär, Markus ist zielstrebig und umsetzungsstark.“
Die Bachelorarbeit lieferte die passende Produktidee: Im aufstrebenden mehrgeschossigen Holzfertigbau, der mittlerweile schon bis zu 24 Stockwerke in die Höhe gewachsen ist, gibt es Bedarf für serielle Ausstattungselemente. Die „Tjiko“ GmbH entwirft und entwickelt modulare Badezimmer, die trotz industrieller Vorfertigung individuell gestaltet werden können. Schiffer vergleicht dies mit einer Autobestellung: Der Kunde sucht ein Modell mit einem standardisierten Ausstattungspaket aus und lässt es mit persönlichen Details ergänzen, nennt er als Beispiel.
Ziel: eine Fertigung
im Raum Rosenheim
Das Startup ist dabei, sich einen Namen zu machen. Kooperationspartner aus dem Holzfertigbau und ein erster Kundenstamm sind gefunden. Das Unternehmensziel für die nächsten fünf Jahre: Eine Fertigung im Raum Rosenheim aufgebaut zu haben, die mindestens 500 Module im Jahr produziert, so Schiffer. Finanziert wird das Startup bisher ausschließlich über das „FFF-Prinzip“: Family, Friends and Fools (Familie, Freunde und begeisterte Vermögende).
Das Digitale Gründerzentrum bietet neben günstigen Mietkonditionen und „tollen Ausstattungsstandards“ noch etwas, was mit Geld nicht zu bezahlen ist, sagt Schiffer: Beratung, Kontakte und Erfahrungsaustausch – Networking untereinander und mit dem extra gegründeten Netzwerkverein, der die Kontakte zu den Entscheidungsträgern der Region vermittelt.
Hier kann sich eine Geschäftsidee entwickeln – auch bei dem hohen Tempo, das die Jungunternehmer vorgeben. Ein Reifeprozess, der nicht nur Produkt und Service betrifft, sondern auch die Persönlichkeit der Existenzgründer. „Offen sein“, nennt Schiffer als Grundvoraussetzung für den Erfolg – offen für neue Denkweisen, offen aber auch für Kritik. Notwendig sei außerdem eine Widerstandsfähigkeit: Viele Finanzierer und Geschäftspartner prüfen nicht nur die Produktidee auf Herz und Nieren, „sondern nehmen uns auch als Persönlichkeit in die Mangel“, berichtet er. „Stark gereift“ seien sie in den vergangenen zwei Jahren harter Startup-Schule.
Dass sich Schiffer und Hoos nicht unterkriegen lassen wollen, symbolisieren sie auch mit dem Firmennamen: Sinngeber ist der „Tjikko“, der älteste Baum der Welt – eine legendäre Fichte, die immer wieder neu auswächst und „sich immer wieder neu erfindet“. Das passt zum Holzbau, das passt auch zu den beiden Jungunternehmern.