Aus dem Gerichtssaal

Opfer oder Schlamper?

von Redaktion

Ein Steuerberater stellte einfach seine Tätigkeit ein und war für seine Kundschaft nicht mehr zu erreichen. Dieses Verhalten führte ihn jetzt vor das Amtsgericht Rosenheim.

Rosenheim – Bis zum Jahre 2014 war, nach allgemeiner Aussage aller Zeugen, der angeklagte ehemalige Steuerberater zur vollsten Zufriedenheit seiner Mandanten tätig. Im August 2014 soll er jedoch plötzlich abgetaucht sein. Er war für keinen seiner Mandanten mehr zu erreichen. Und wenn doch, dann nur unter großen Mühen. Der Grund für dieses Verhalten konnte letztlich nicht geklärt werden.

Das konnte dem Strafrichter letztlich egal sein. Jedoch hat ein Steuerberater auch Pflichten. So die Verpflichtung, ihm überlassene Unterlagen nach Beendigung der Mandantschaft wieder herauszugeben.

Eine Reihe von ehemaligen Kunden berichteten, wie sie über zwei Jahre immer wieder vergeblich versucht hatten, den Angeklagten zu erreichen. Und wenn dies tatsächlich gelungen war, habe er auf ihre Bitten, die Unterlagen herauszugeben, einfach nicht reagiert, beziehungsweise vereinbarte Treffen platzen lassen.

Und hier beginnt es strafrechtlich akut zu werden. Ein Steuerberater, der dies ohne ausreichende Begründung unterlässt, macht sich entsprechend Paragraf 274 Strafgesetzbuch strafbar. Das kann Strafen bis zu fünf Jahren Haft nach sich ziehen.

Der deshalb Angeklagte, ein 50-Jähriger aus dem westlichen Landkreis Rosenheim, hatte dafür eine Erklärung, die einer Verschwörungstheorie gleich kam. Nach seiner Lesart hatte sich ein Netzwerk von Unternehmern zusammengetan, um gegen ihn zu agieren. Seine Leistungen seien schlecht gemacht worden und man habe seine Mandanten direkt aufgefordert, die Mandate bei ihm zu kündigen.

Weil dabei aber etliches an Honoraren ausständig war, habe er berechtigt die Unterlagen deshalb nicht heraus gegeben, argumentierte der Angeklagte. Dies interessierte den Vorsitzenden Richter Christian Merkel jedoch nur am Rande. Bis hierhin war dies auch strafrechtlich noch nicht relevant. Als sich die Mandanten aber an das Zivilgericht wendeten und dort auf Herausgabe der Unterlagen klagten – schließlich mussten diese dem Finanzamt vorgelegt werden, andernfalls drohten Schätzungen und Schlimmeres – erschien der Angeklagte nicht vor Gericht, um seine angeblichen Ansprüche zu vertreten. Deshalb ergingen folgerichtig Versäumnisurteile. Nun war er wirklich gezwungen, die Unterlagen herauszugeben, andernfalls drohte ihm Bestrafung.

Wortreich erklärte der Angeklagte, weshalb ihm diese Herausgabe nicht, oder nur mit Verzögerung möglich gewesen sei. Er sei, so seine Einlassung, nach wie vor das Opfer einer groß angelegten, bösartigen Verschwörung gegen ihn.

In mehreren Sitzungen versuchte das Gericht nun vor allem zu klären, ob der Angeklagte die Herausgabe der Unterlagen mutwillig oder absichtlich auch nach dem Beschluss des Zivilgerichtes verweigert hatte.

Zu dem Zweck wurde in einer weiteren Sitzung die Gerichtsvollzieherin befragt, mit deren Hilfe die ehemaligen Mandanten die Herausgabe zu erzwingen versuchten. Diese berichtete, dass sie etwa eine halbe Stunde vergeblich versucht habe, mit Läuten, Klopfen und schließlich gar „gegen die Türe dreschen“, den Mann zum Öffnen zu bewegen. Nur ihre Hartnäckigkeit hätte schließlich zum Erfolg geführt.

Dem hielt der Angeklagte entgegen, dies sei am Tage vor seiner Eheschließung geschehen – unangekündigt. Und er habe mit seiner Verlobten telefoniert, weswegen er die Signale an der Türe zunächst nicht wahrgenommen habe.

Der Staatsanwalt wollte ihm dies nicht glauben. Er könne nicht wissen, was den Angeklagten zu der Vernachlässigung seines Geschäftes bewegt habe. Aber dass dieser – entgegen seiner Verpflichtungen – Unterlagen seiner Mandanten zurückgehalten habe, sei für ihn bewiesen. Er beantragte eine Geldstrafe von 140 Tagessätzen.

Der Verteidiger, Rechtsanwalt Richter, vermochte kein Fehlverhalten seines Mandanten zu erkennen und beantragte Freispruch.

Das Gericht sah zumindest den Versuch der unerlaubten Zurückhaltung von Urkunden und verurteilte den Angeklagten zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen. Dies könnte den Entzug der Zulassung durch die Steuerberater-Kammer bedeuten. Was ihn aber wohl kaum mehr bedrückt, denn nach eigener Aussage ist ihm diese Zulassung wegen diverser Beschwerden bereits entzogen worden.

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