Rosenheim – „Das ist schon ein Erbe, so ein Haus!“, brachte Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer die Verantwortung von Eigentümern wie der Kaufmannsfamilie Reindl auf den Punkt, die ein stadtbildprägendes, historisches Gebäude zu unterhalten haben. Das ist, wie das Beispiel Reindl-Haus zeigt, nicht immer möglich. Das 200 Jahre alte Gebäude ist nicht mehr zu retten. Zu stark sind die Setzungsschäden. Das Bauwerk muss abgerissen und neu erstellt werden. Viergeschossig, wie beantragt, geht dies nicht, dreigeschossig und etwas höher als im Bestand schon, beschloss – wie berichtet – der Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschuss des Stadtrates.
„Krasse“ Setzungen:
Stützen 25 Zentimeter abgesackt
„Krass“ haben sich in den vergangenen eineinhalb Jahren die Setzungsschäden aufgrund sensibler Bodenverhältnisse verstärkt, so der Leiter des Bauordnungsamtes, Michael Kettenstock. Er sprach von Stützen, die sich um 25 Zentimeter abgesenkt hätten. Das Gebäude befindet sich in einer Schicksalsgemeinschaft mit dem Wahrzeichen der Stadt, dem Mittertor. Hier gibt es, wie berichtet, ebenfalls große statische Probleme, sichtbar durch Risse an den Wänden. Die Untersuchungen zu den Gründen und daraus abzuleitenden Sicherungsmaßnahmen laufen. Es deutet sich an, dass auf dem Grund, auf dem das Gebäudeensemble steht, früher der Stadtgraben verlief. Er wurde wohl mit Holzrosten verfüllt, die verrotten und einbrechen, deutete Kettenstock an.
Der Stadtentwicklungs- und Baugenehmigungsausschuss zeigte deshalb großes Verständnis dafür, dass die Familie Reindl abreißen und neu bauen möchte – auch um endlich einen barrierefreien Laden ohne Stufen und mit höheren Geschäftsräumen realisieren zu können. Die Verkaufsfläche soll sich um etwa die Hälfte auf 300 Quadratmeter verringern. In den oberen Geschossen sind Wohnungen geplant.
Bereits 2017 war der Bauherr schon einmal an die Stadt mit diesem Wunsch herangetreten. 2018 haben sich nun die Schäden so verschärft, dass gehandelt werden muss. Der Vorbescheidsantrag, der jetzt zur Klärung der baurechtlichen Grundsatzfragen dem Ausschuss vorlag, bietet jedoch einen Kritikpunkt, für den es unisono keine Zustimmung gab: Der Neubau sollte vier- statt dreigeschossig erstellt werden. Baurechtlich – eigentlich – okay, denn die umliegenden Gebäude sind fast alle viergeschossig. Doch das Reindl-Haus steht unter dem Ensembleschutz des Äußeren Marktes. Dieser ist, wie Kettenstock ausführte, nicht weniger wert als Denkmalschutz für ein Einzelbauwerk. Deshalb gab es klare Aussagen vom Landesamt für Denkmalpflege und vom Stadtheimatpfleger Karl Mair, dass nur ein Neubau ähnlich wie im Bestand gebilligt werden könne. Es geht auch darum, die historische Blickachse von der Kaiserstraße auf Mittertor und Nikolauskirche nicht zu zerstören (Siehe blaue Kästen).
Der Ausschuss sagte deshalb Nein zur Viergeschossigkeit. Die Fraktionen signalisierten jedoch, dass sie unter bestimmten Bedingungen einem dreigeschossigen Neubau zustimmen würden, dessen oberste Dachkante 90 Zentimeter bis 1,30 Meter höher ist als der Bestand. Selbst dieser Kompromiss fiel dem Bauausschuss schwer, doch er zeigte sich bereitwillig, dem Bauherrn so weit es geht entgegenzukommen – auch um dem traditionsreichen, bekannten Schuhgeschäft Entwicklungsoptionen nicht zu verstellen. „Schön, dass der Bauherr was tut“, so CSU-Fraktionsvorsitzender Herbert Borrmann. „Tragbarer Kompromiss“, fand Andreas Lakowski (SPD). „Guter Vorschlag der Verwaltung“, zeigte sich auch Peter Weigel von den Grünen mit dem Kompromiss des Bauordnungsamtes einverstanden.
Warnung vor Gefahren für
das Mittertor
Trotzdem kristallisierten sich während der Diskussion noch viele offene Fragen und Problemstellen rund um das Bauvorhaben heraus. „Wir müssen das Mittertor sichern – nicht, dass es aufgrund der Baumaßnahme einstürzt“, warnte Borrmann. Gabriele Leicht (SPD) äußerte sich besorgt zur Tatsache, dass der Neubau des Reindl-Hauses unterkellert werden soll. Eine Herausforderung angesichts des „diffusen Untergrunds“. „Die Nachbarn haben Angst um ihre Häuser“, unterstrich Josef Gasteiger (CSU) die Tatsache, dass der Neubau im Zentrum der Stadt mit großen weiteren Herausforderungen verbunden ist. Weiteres Problem: Die Außenwand des Neubaus würde genau auf der Grundstücksgrenze zum Mittertor stehen. Das erfordert spezielle Überlegungen zum Brandschutz. Außerdem zeigt sich deutlich: Das Bauvorhaben beschäftigt die Bürgerschaft. „Berechtigte Emotionen“, wie Bauer angesichts der Lage im Herzen der Altstadt betonte.