Protestplakate, emotionale Wortbeiträge, Tränen: Die Sondersitzung des Stadtrates zeigte deutlich, wie sehr sich die Bürger durch mögliche Trassen für den Nordzulauf zum Brennerbasistunnel betroffen fühlen. Doch anders als in vielen Informationsveranstaltungen regiert in Rosenheim nicht der Zorn. Trotz Emotionen überwiegt die Sachlichkeit, trotz großer Sorgen um Grund und Boden, Landschaft und Stadtbild die Dialogbereitschaft. Die Rosenheimer sind keine Wutbürger. Das macht Hoffnung in Zeiten der „Trumpisierung“, in denen schlechte Manieren salonfähig zu werden scheinen. Ein Kompliment muss den Bürgern auch angesichts der Tatsache ausgesprochen werden, dass sie zweieinhalb Stunden geduldig ausharrten, bis sie zu Wort kamen. Und dass sie differenziert sowie gut vorinformiert argumentierten. Sie machten es sich nicht einfach und schoben der Bahn nicht die Schuld für die Problematik Gleisneubau in die Schuhe.
Das lag auch an DB-Projektleiter Torsten Gruber, der einmal mehr einen guten Eindruck vermittelte: dialogbereit, offen, nicht dazu neigend, sich herauszureden. Und an Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer, die erneut bewies, dass sie eine sehr gute Versammlungsleiterin ist. Die Sondersitzung war ein ermutigendes Beispiel für gelebte Demokratie. Sie gibt es also doch noch in diesen Zeiten, in denen viele an unseren Grundwerten rütteln.