Im Theater Kastenau ist der Ehestreik ausgebrochen – Paraderolle für Wunsam
Sünden fürchten oder nicht
Rosenheim – Eigentlich bedarf es gar keiner Premierenkritik, wenn das Theater Kastenau spielt. Denn es ist irgendwie unfair, Theaterfans den Mund wässrig zu machen. Weil: Karten gibt es keine mehr für die Vorführungen im Pfarrsaal Heilige Familie. Sie sind seit Monaten ausverkauft.
Wer eine Karte ergattert hat, beginnt den Theaterabend mit einer ungewöhnlichen Tätigkeit: einer deftigen Brotzeit im Zuschauerraum, serviert vom Küchenteam des Theaters. Auch das unterscheidet die Kastenauer von anderen Bühnen: Das Publikum sitzt an Tischen, nicht in Stuhlreihen. Gemütlich ist’s, so gemütlich, dass sich Regisseurin Sieglinde Wunsam einen Hinweis nicht verkneifen kann: „Geraucht wird nur auf der Bühne.“
Auf in den
Geschlechterkampf
Und in der Tat: Dort wird gequalmt. Und getrunken, gestritten, intrigiert, debattiert. Denn im „Ehestreik“, einer Komödie von Julius Pohl, bricht der Geschlechterkrieg aus. Zum Angriff ausgerufen hat die Bürgermeisterin (Gaby Hartl), „Frau Sündenfürchten“. Die Wurzel (Isabella Balk), die Zellgerin (Vreni Bachmayr), die Wimpfingerin (Gaby Berg) und die frisch verheirate Pepi (Steffi Weinzierl) sowie ihre Schwiegermutter (Brigitte Schnitzer) folgen ihr in den Kampf – und fordern: „Weg mit dem sündhaften Geschöpf“. Gemeint ist die Kellnerin Hanni, der Grund, warum die Herren der Schöpfung, der Schubert (Thomas Fischer), der Bayer (Artur Bachmayr), der Göppler (Christian Stallhofer), der Wimpfinger (Walter Kuhn) und der Schmied Josef (Stefan Hullin), ihr Bier lieber im Wirtshaus als daheim auf der Ofenbank trinken. Sogar der Bartl, Josefs Vater (Günther Wunsam), scheint in den Jungbrunnen gefallen zu sein – und wird zum eifrigen Wirtshausgänger.
2005 hatte Stadtrat Wunsam den Bartl schon einmal spielen wollen. Ein Unfall machte ihm einen Strich durch die Rechnung. In der Theatersaison 2018 steht er endlich – künstlich ergraut – als schlitzohriger Familienpatriarch, der auf seine alten Tage den Eheaufstand probt, auf der Bühne. Eine Paraderolle für den Sohn der Regisseurin und Stadtrat. Er steht in dieser Theatersaison fast pausenlos auf den Brettern, die die Welt bedeuten – mit einer kraftvollen Bühnenpräsenz und großer Spielfreude.
Sie eint alle Darsteller des seit 24 Jahren spielenden Theaters Kastenau. Die meisten sind seit vielen Jahren aktiv – vor und hinter dem Vorhang. Wenig zu tun hat nur die Souffleuse Brigitte Geberl.
Doch auch die geschickte Auswahl der Stücke trägt zum Erfolg bei: „Der Ehestreik“ stammt zwar aus einer Zeit, als die Rollen der Geschlechter noch klar nach altem Muster verteilt waren, doch das Thema ist ein nach wie vor aktuelles: Männer und Frauen passen eigentlich so gar nicht zusammen, können aber doch nicht ohne einander. Oft musste und muss Frau um ihr Recht kämpfen – „100 Jahre Wahlrecht, das haben wir uns auch erstreikt“, spannt Sieglinde Wunsam den Bogen zum Eheausstand auf der Bühne.
Dort treibt die Eifersucht – „der Pfeffer in jeder Ehe, sonst wird sie zur Wassersuppe“ (Bartl) – die Frauen und Männer durch die drei Akte. „Ja, so sans, de Weiba“, seufzt in einer der kurzen Sprechpausen deutlich hörbar ein Herr aus dem Publikum. „Meine ned“, antwortete ein anderer. Auch das ist Theater in der Kastenau.