Rosenheim – Im Juni 2018 fällt Adelbert Schömer aus Rosenheim in der Handy-Rechnung der Telekom zum ersten Mal eine Abbuchung in Höhe von 15,96 Euro über angebliche Leistungen einer Cellfish GmbH mit Sitz in Düsseldorf auf. Bis Oktober geht es monatlich mit ähnlichen Summen weiter. Es ergibt sich ein Abbuchungsbetrag in Höhe von 87,78 Euro. Doch wofür? „Ich habe keinen Vertrag mit Cellfish abgeschlossen“, sagt Schömer.
Der pensionierte Finanzbeamte fühlt sich zu Unrecht abgezockt und beginnt zu recherchieren. Sein erster Weg führt zur Telekom, mit der Schömer den Vertrag für sein neues Handy abgeschlossen hat. Das Unternehmen teilt ihm nach eigenen Angaben mit, dass es sich um Abbuchungen seines sogenannten Drittanbieters handeln würde. Im Zuge des Einzugsverfahrens der Telekom würden die Beträge des Drittanbieters mit abgebucht. „Ich hatte aber nur mit der Telekom Deutschland einen Mobilfunkvertrag abgeschlossen und nicht mit einer mir völlig unbekannten GmbH, deren Leistung ich auch aus der monatlichen Mobilfunkrechnung der Telekom nicht nachvollziehen konnte“, ärgert sich Schömer.
Ein Mitarbeiter der Telekom in Rosenheim liefert schließlich den entscheidenden Hinweis: Schömer hätte im Vertrag ein Häkchen setzten müssen, um Drittanbieter aus dem Mobilfunkvertrag auszuschließen. „Darauf hat mich bei Vertragsabschluss aber niemand hingewiesen“, ärgert sich der Rosenheimer.
Ermittlungen wegen Betrugsverdacht
Schömer beschließt, sich zu wehren und beginnt zu recherchieren. Dabei stößt er bundesweit auf zahlreiche Betroffene, die ähnliches erlebt haben – vor allem in Nordrhein-Westfalen. Bis vor das Amtsgericht Düsseldorf sind dort Handynutzer gezogen, um gegen in ihren Augen unrechtmäßige Abbuchungen der Firma vorzugehen. Die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Düsseldorf bestätigt auf Anfrage der OVB-Stadtredaktion, dass bezüglich des Verdachts der unrechtmäßigen Abbuchung ältere und aktuelle Verfahren „im dreistelligen Bereich“ vorliegen würden. Die Ermittlungen der Polizei wegen Betrugsverdachts würden noch laufen.
Schömer wäre ebenfalls bereit gewesen, sich gerichtlich zu wehren. In einem „geharnischten Schreiben“ an die Cellfish GmbH kündigt er eine Klage an, wenn das Unternehmen die 87,78 Euro nicht zurückerstatte. Und verweist darauf, „dass ich Ihr Unternehmen weder kenne noch eine vertragliche Beziehung mit Ihnen führe“. Schömer hat mit seinem Protest Erfolg: Cellfisch zahlt die 87,78 Euro zurück.
Doch der Rosenheimer möchte generell für die Problematik der Drittanbieter sensibilisieren: „Sicherlich gibt es auch in unserer Region weitere Betroffene“, ist er überzeugt. Schömers Rat: „Alle Mobilfunk-Rechnungen genau ansehen, um Abo-Abzock-Buchungen einen Riegel vorzuschieben.“ Der wehrhafte Pensionär, der sich aufgrund seiner beruflichen Laufbahn mit finanziellen Angelegenheiten und Rechnungen auskennt, findet außerdem: „Fragen wirft dieser Vorgang auch gegenüber der Telekom Deutschland GmbH auf, die solche Macharten überhaupt zulässt.“
Wissentlich nichts angeklickt
„Drittanbieter erbringen Leistungen außerhalb des Kerngeschäfts eines Telekommunikationsanbieters und können über die Mobilfunkrechnung abgerechnet werden“, teilt auf Anfrage Telekom-Sprecher Dirk Wende dazu mit. Bei diesen Leistungen handele es sich unter anderem um Klingeltöne und Online-Spiele, aber auch um den Verkauf von Bus- oder Bahnfahrkarten. Leistungen dieser Art hat Schömer jedoch nach eigenen Angaben auf seinem Handy wissentlich nicht angeklickt. Seit 2012 soll außerdem die sogenannte „Button-Lösung“ verhindern, dass durch einen versehentlichen Klick auf eine Werbeeinblendung im Display eines Handys Leistungen ungewollt in Anspruch genommen werden. Über das Drücken von „Weiter“-Buttons muss der Kunde die Bestellung bestätigen.
Auf detaillierte Fragen der OVB-Redaktion zu den Vertragsabläufen und -modalitäten im Fall Schömer antwortet die Telekom-Pressestelle lapidar mit einem Hinweis auf Internetvideos zum Thema „Telekom hilft“. Dort gibt es auch Informationen zu den Wegen, kostenpflichtige Dienste von Drittanbietern sperren zu lassen. Warum die Telekom diese überhaupt mit abrechnet, darauf bleibt sie die Antwort schuldig.
Die Problematik war auch schon einmal Thema einer Anfrage der Grünen im Bundestag, hat Schömer recherchiert. Kernfrage: Ob es nicht sinnvoll sei, angesichts der vielen Beschwerden eine netzseitige Sperrung dieser Dienste vorab einzustellen, die nur auf Wunsch des Nutzers aufgehoben werden könne? Das heißt: Der Kunde müsste dann im Vertrag ein Häkchen setzen, um Drittanbieter zuzulassen statt so wie jetzt auszuschließen.
Doch das ist bis heute nicht so. Stattdessen muss sich jeder Einzelne persönlich darum kümmern, dass er entweder Drittanbieter in seinem Handy-Vertrag ganz ausschließt oder nur ausgewählte Leistungen zulässt. Und sich zur Wehr setzen so wie Schömer, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.