„Mein Leben ist komplett entschleunigt“

von Redaktion

Interview Ex-Basejumper Maximilian Werndl über seinen Ausstieg und die Zeit danach

Kolbermoor – Im freien Fall die Felsen hinab, nur getragen durch die Fledermaus-Ärmel des „Wingsuits“: Adrenalin pur – und gleichzeitig das Risiko, zu Tode zu kommen, stets vor Augen. Jahrelang war Maximilian Werndl aus Kolbermoor leidenschaftlicher Basejumper. Das Extreme, der Adrenalinkick wurde für ihn zur Sucht. Dann kam der Ausstieg, der letzte Sprung, sein Weg aus der Sucht Extremsport. Begleitet haben ihn dabei die Filmemacher von Beechstudios in Rosenheim um Regisseur Puria Ravahi. Entstanden ist der preisgekrönte Film „Last Exit“, der Samstag, 24. November, erstmals in der Region gezeigt wird: bei der Outdoor-Movie-Night im Kesselhaus Kolbermoor.

Eineinhalb Jahre nach seinem letzen Basejump, seinem Abschied aus dem Extremsport, haben wir mit Maximilian Werndl (30) gesprochen:

War der Ausstieg die richtige Entscheidung?

Auf jeden Fall. Seitdem sind immer wieder Bekannte aus dem Sport verunglückt. Und ich habe von Tag zu Tag mehr Abstand dazu bekommen.

Wie fühlt es sich nach dem Ausstieg an – vermisst man das Springen?

Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, es gibt sie nicht, diese Tage, an denen man das Gefühl vom Fliegen mal wieder erleben wollte. Aber gleichzeitig ist mir jetzt bewusst, nicht mehr zu dem Preis, das hohe Risiko, das ich eingegangen bin.

Könnten Sie sich vorstellen, jemals wieder zu springen?

Aus heutiger Sicht: nein. Seit dem Ausstieg, der ein Prozess war, habe ich mich aus allem Extremen zurückgezogen, ich habe auch das Fallschirmspringen aufgegeben. Und ich fahre nicht mehr so schnell Auto und Motorrad. Das ist alles der Arbeit mit meinem Coach zu verdanken, er hat mein Leben komplett entschleunigt.

Durch die Arbeit mit einem Coach haben Sie den Extremsport hinter sich gelassen. Wie muss man sich die Zusammenarbeit vorstellen?

Sich einen Coach zu nehmen, kann ich jedem nur empfehlen. Wir hinterfragen, arbeiten gemeinsam daran, wie ich mein Leben wahrnehme. Und das nach wie vor. Das ist ein Prozess, der nie aufhört. Denn die eigenen Muster sind so eingefahren, dass man dranbleiben muss, ansonsten fällt man zurück. Ich merke aber, wie mir die Zusammenarbeit guttut und wie sie mein Leben bereichert hat.

Haben Sie in der Zwischenzeit ein neues Hobby gefunden – und kann es die Lücke füllen?

Es ist tatsächlich viel Zeit frei geworden, ich bin ja extrem viel gesprungen, jede freie Minute. Doch diese Zeit jetzt wieder krampfhaft füllen zu wollen wäre im Prinzip Themaverfehlung. Es gibt jetzt Zeiten, in denen ich einfach mal nichts mache, spazierengehe oder am Motorrad rumschraube.

Sie haben die Sucht überwunden, den Ausstieg geschafft – sind Sie heute zufriedener?

Auf jeden Fall. Es war nicht leicht, aufzuhören. Zusammen mit meinem Coach gab es einige Baustellen zu lösen. Als es dann soweit war und der letzte Sprung anstand, hat es mich schon große Überwindung gekostet. Es war also allerhöchste Eisenbahn, aufzuhören.

Ihr Ausstieg vom Extremsport ist durch den Film, die Medienberichterstattung und durch die Vorträge, die Sie inzwischen halten, öffentlich geworden – wie waren die Reaktionen darauf?

Unterschiedlich. Die einen finden es toll, bitten auch darum, ob man ihnen nicht Tipps geben oder helfen kann. Andere wiederum fühlen sich angegriffen. Ich habe mir damit nicht überall Freunde gemacht. Schließlich spreche ich ein heikles Thema an, das viele betrifft, nicht nur den Extremsport, sondern alle Menschen, die sich in etwas hineingeflüchtet haben.

Was können Sie den Menschen, die in eine derartige Sackgasse geraten sind, mit auf den Weg geben?

Im Prinzip habe ich verschiedene Botschaften: Jungen Menschen rate ich, ihren eignen Weg zu gehen, sich nicht von den Erwartungen anderer treiben zu lassen. Extremsportlern versuche ich zu vermitteln, dass der Preis zu hoch ist für das Gefühl, das man dabei hat. Wenn du bewusst lebst, kannst du dieses Gefühl auch mit viel kleineren Dingen haben. Ich zum Beispiel heute mit meiner kleinen Nichte, wenn sie mich anstrahlt – das wäre früher undenkbar gewesen.

Interview: Rosi Gantner

Preisgekrönte Filme im Kesselhaus

Im Kesselhaus Kolbermoor an der Alten Spinnerei werden am Samstag, 24. November, Einlass 19 Uhr, vier preisgekrönte Dokumentationen von Filmemachern aus der Region gezeigt. Den Anfang macht „Into twin Galaxies“ (Regie Jochen Schmoll, Producer Niko Jäger), ein Abenteuerfilm mit Snowkites und Kajaks in Grönland. Es folgt „Battle of Elements“ (Regie Valentin Rapp) über ein Slackline-Abenteuer im Wilden Kaiser – mit einer 70 Meter langen „Highline“ auf 2100 Metern Höhe. Weiter wird „Inside Iran“ gezeigt (Regie Puria Ravahi) – ein Film über drei Freunde aus Rosenheim, die mit Tourenski den höchsten Berg des Orients, den Damavand (5671 Meter), bezwangen. Und schließlich: Der Film „Last Exit“ (Regie Puria Ravahi) mit Protagonist Maximilian Werndl aus Kolbermoor, der sich beim Ausstieg aus dem Extremsport Basejumpen begleiten ließ – und der zugleich der Frage, weshalb er diesem höchst risikoreichen Sport verfallen war, auf den Grund geht. Tickets unter beechstudios.de/movie-night.rg

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