Unklare Aussagen und falsche Spuren

von Redaktion

Nötigung und Betrug: Wer ist schuld?

Rosenheim/Kolbermoor – Erstaunliche Wendungen gab es bei einem Strafverfahren vor dem Amtsgericht in Rosenheim. Nötigung stand im Raum, Darlehensbetrug auch. Im Mittelpunkt der Geschichte: ein Rentner, ein Geschäftsmann und ein Drohbrief. Außerdem die Frage, wie Unterschriften auf Schreiben kommen, ohne dass der Unterzeichner davon weiß.

Todesdrohung
kommt per Post

Ihren Anfang genommen hatte die Geschichte, weil sich ein Rentner (74) an die Polizei gewandt und Anzeige erstattet hatte. Auf der Wache hatte er angegeben, einen Brief erhalten zu haben, in dem er mit dem Tod bedroht werde. Wenn er nicht monatlich 500 Euro bezahle, werde seine Existenz qualvoll enden, hatte der unbekannte Briefschreiber formuliert. An wen die Zahlungen erfolgen sollten, war allerdings nicht angegeben. Erst als der Rentner telefonisch erneut zu einer Zahlung aufgefordert wurde und die Polizei verständigte, konnte diese den Anrufer ausfindig machen. Es handelte sich um einen 57 Jahre alten Geschäftsmann. Die Polizei nahm von ihm eine Speichelprobe, um einen DNA-Abgleich mit einer DNA-Probe von dem Kuvert des Drohschreibens machen zu können. Diese stimmten überein und so erging ein Strafbefehl über eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen. Dagegen legte der Geschäftsmann Einspruch ein – und so kam es zu dem Termin vor dem Amtsgericht mit Richterin Julia Haager.

Der Angeklagte sagte aus, der Rentner schulde ihm seit April 2007 eine Summe von 5000 Euro. Darüber habe er inzwischen einen einklagbaren Schuldtitel. Er habe das Geld niemals eintreiben können, weil sich der Rentner nach China abgesetzt habe. Das Geld habe er ihm quasi als Beteiligung geliehen, weil der 74-Jährige glaubhaft versichert hatte, gute Geschäfte in China laufen zu haben.

Weil sein Schuldner die Rückzahlung nicht getätigt habe, habe er einen Schuldtitel erworben. Später habe er den Rentner ausfindig gemacht und ihn per Telefon zur Rückzahlung auffordern wollen. Einen Brief habe er nie geschrieben und wie seine DNA auf das Kuvert gekommen sei, wisse er nicht. Der angebliche Schuldner seinerseits erklärte, es habe nie ein Darlehen gegeben. Vielmehr hätte er dem Geschäftsmann, den er bei einem Pokerwettbewerb kennengelernt hatte, gewissermaßen sein damaliges Geschäft, eine Künstleragentur in Großkarolinenfeld, verkauft. Dazu habe er ihm auch alle Datensätze und Unterlagen überlassen. Von Schulden könne keine Rede sein.

Richterin fordert
neue Untersuchung

Als ihm die Richterin einen Darlehensvertrag aus 2007 vorlegte, auf dem neben seiner und des Angeklagten Unterschrift auch die Unterschriften zweier benannter Zeugen zu finden sind, sagte der Rentner, dies sei zwar seine Unterschrift. Er habe aber das Schreiben niemals unterzeichnet. Perfekt wurde die Verwirrung, als er zudem sagte, dass das Kuvert – von dem die DNA-Spur des Angeklagten stammt – nicht mit dem übereinstimme, in dem der Drohbrief gesteckt habe. Nun stehen Urkundenfälschungen im Raum und die Möglichkeit, dass Beweismittel vertauscht wurden. Daher forderte die Richterin weitere Untersuchungen. Die Verhandlung wird fortgesetzt.

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