Ovb-Serie In alten Zeitungsbänden geblättert – Kommunisten zu Besuch
Empörung über „Lauschangriff“
Rosenheim – Ein Blick zurück in die Vergangenheit sagt viel über die Entwicklung einer Stadt und die Sichtweise früherer Generationen. Vieles wiederholt sich auch in verblüffender Weise. Wir haben deshalb in alten Zeitungsbänden geblättert und präsentieren in unregelmäßigen Abständen die interessantesten Dinge aus bestimmten Jahren. Heute geht es um die Zeit vom 31. Dezember bis zum 13. Januar.
„Dem verflossenen Jahr wird niemand eine Träne nachgeweint haben. Leider ist die Situation so, daß wir auch vom neuen Jahre nicht viel Besseres erwarten können. In Rosenheim versteht man es, die Jahreswende in der richtigen Stimmung zu begehen. Außer den zahlreichen Familienzirkeln, in denen man das alte Jahr in stiller Beschaulichkeit an sich vorüberziehen ließ, gab es auch Gelegenheit, den Anbruch des neuen Jahres auf etwas geräuschvollere Art zu feiern. In den zahlreichen Gaststätten versammelte man sich bei Gesang und Musikklang zu einer kriegsmäßigen Punschrunde. Im Hotel Gillitzer hatte Papa Berr mit Filius ein gediegenes Konzert seiner neukomplettierten Kapelle mit anschließendem Ball veranstaltet. Polonaise, Walzer und Française – ein eigentümlich berührendes Bild, dessen man sich in 4 ½ jähriger Kriegsdauer fast entwöhnt hatte.“
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„Die Kommunistenpartei beabsichtigt, am kommenden Sonntag, vormittags, hier eine Versammlung abzuhalten. Veranstalter sind einige jugendliche Soldaten und ein Zivilist aus München. Das Erscheinen der Kommunisten in unserer Stadt wird mit sehr gemischten Gefühlen aufgenommen. Man verspürt absolut kein Bedürfnis, Münchener Zustände nach Rosenheim verpflanzen zu lassen.“
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„Zu aufgeregten Szenen kam es am gestrigen Nachmittag. Hiesige Soldaten verlangten im Hotel Gillitzer in drohendem Tone die Entfernung der dort ausgehängten Versammlungsplakate der Bayerischen und deutschen Volkspartei. Um Weiterungen zu vermeiden, gab man schließlich die Erlaubnis zur Entfernung. Ein größerer Trupp sprengte die im Flötzingersaal tagende Frauenversammlung des kath. Frauenbundes. Im Anschluß drang eine größer Abteilung in den Laden und die Verlagsabteilung des Wendelstein. Forderungen wurden dabei nicht unterbreitet.“
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„Große Aufregung gab es heute morgen in Rosenheim durch die militärische Besetzung des Bräu am Anger. Infolge dieses Vorfalles schwirren die unglaublichsten Gerüchte in der Stadt umher. Um alle Zweifel zu beseitigen, sieht sich der Volksrat veranlaßt, folgende Erklärung abzugeben: , … Als die Volksmitglieder heute morgen sich ins Auskunftbüro begaben, waren sie nicht wenig erstaunt, als das Büro und die weitere Umgebung von mindestens 50 bis 70 Mann mit Gewehren besetzt war. Wie schon des öfteren war auch dieser Vorfall darnach angetan, Gerüchte über eine Uneinigkeit zwischen Volks- und Soldatenrat zu verbreiten. Hierzu muß bemerkt werden, daß die beste Einigung zwischen den beiden Körperschaften besteht.‘“
„Wichtige Beschlüsse des Jahres 1968: Verbindungsstraße Happing, Schulkonzeption, Um- und Anbau Loretohaus, Erschließung und Bebauung des Geländes der alten Stadtgärtnerei, Hauptsammler Happing, Schwesternwohnheim mit 86 Appartements, Verwertung der Grundstücke im Schlachthofbereich, Bau eines zweiten Müllkessels und einer zweiten Wasserversorgungsleitung von Willing zum Hochbehälter Kreuth, Verkauf der Bayerwiese und damit zusammenhängend der von der Stadt angeregte und geförderte Neubau der Inntalhalle, Ausbau der Äußeren Münchener Straße.“
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„Einmal in der Woche kommen die geistig behinderten Kinder in das Lehrlingsheim an der Küpferlingstraße zum Schul-Unterricht; ein zweites Mal kommen sie zum Basteln zusammen. Noch vor wenigen Jahren gab es in Rosenheim überhaupt keine Möglichkeit ein geistig behindertes Kind zu schulen. Jetzt werden in der Lebenshilfe-Abteilung der Sonderschule je zwei Gruppen in Küpferling und Fürstätt unterrichtet. Dieser Schulversuch, der auf Initiative der Rektorin der Sonderschule, Fräulein Gruber, vor drei Jahren gestartet wurde, ist von der Stadt Rosenheim unterstützt worden. Der Schul- und Kulturausschuß hat die Mittel genehmigt, um die Räume an der Küpferlingstraße zu mieten und stellte auch 1300 Mark für die besonderen Bedürfnisse der Lebenshilfeschule bereit. Aus den Landkreisen kommen etwa zwei Drittel der kleinen Schüler. Aber man ist in den zuständigen Ämtern nicht recht davon überzeugt, daß hier wirklich für die Kinder etwas erarbeitet wird. Vielleicht haben die Landratsämter doch ein Einsehen und beteiligen sich finanziell an dem großen Schulversuch, der gerade auch den Kindern des Landkreises zugute kommt.“
„Empörung und Unverständnis kamen auf, als in der letzten Versammlung der Interessengemeinschaft ,Rettet die Kaltenauen – stoppt Panorama-Schwaig‘ die Pläne der Stadt Rosenheim zum Bau dieser umstrittenen Trasse bekannt wurden. Keiner spreche mehr von einer Umgehungsstraße. Oberbürgermeister Dr. Michael Stöcker spreche jetzt von einer ,Verbindungsstraße‘. Von einer Untertunnelung in den sensiblen Bereichen von Kirche und Kindergarten sei keine Rede mehr. Die billigste Lösung werde angestrebt.“
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„Geärgert hat sich Rudolf Hötzel im letzen Jahr über den ,Lauschangriff‘ auf die Republikaner: ‚Bis jetzt schafft es die Regierung nicht, daß die Mafia abgehört werden darf. Doch bei Stadträten ist anscheinend alles erlaubt‘. Enttäuscht zeigte sich Hötzel in diesem Zusammenhang auch über die Stadtverwaltung. „Ich hätte mir in dieser Sache mehr Unterstützung erwartet. Das Märchen vom bösen Wolf stimmt nicht. Wir sind keine radikale Partei.‘ Insgesamt sei die Zusammenarbeit mit der Verwaltung und dem Oberbürgermeister immer gut gewesen.“re