Kolbermoor – Von einer Welle des Misserfolgs überrollt und praktisch nackt an Land gespült: So fühlt es sich an, wenn ein Unternehmer scheitert, sagte zumindest Michael Magiera (47). Gemeinsam mit Wolfgang Reiter (50) erzählte er im Kesselhaus in Kolbermoor davon, wie es ist, beruflich den Boden unter den Füßen zu verlieren. Zu dem Vortrag übers Scheitern hatten die Wirtschaftsjunioren Rosenheim eingeladen.
Scheitern als Makel
im Lebenslauf
Spannend dabei gleich die Frage, wie beide dieses Scheitern definieren. Schließlich sind unternehmerische Fehler etwas, über das man in Deutschland nicht gerne spricht. Sie können so lange zurückliegen, wie sie wollen – in einem Land, in dem der lückenlose Lebenslauf ohne Brüche sehr wichtig ist, muss der Bewerber immer fürchten, dass solche Fehler Zweifel an seiner grundsätzlichen unternehmerischen Kompetenz schüren.
Magiera und Reiter aber bekennen sich offen dazu, in ihrem Leben schon einmal ziemlich weit unten gewesen zu sein. Reiter war nach einem erfolgreichen Karrierestart als Chef-Controller beim privaten Fernsehsender Premiere auf einem 450-Euro-Job gelandet. Magiera erinnert sich noch genau an einen Herbsttag im Jahr 1992: Damals investierte er, der ein paar Monate zuvor noch im Porsche nur bei renommierten Restaurants vorgefahren war, seine allerletzten zwei Mark in eine Wurstsemmel.
Dass sie aufgrund eigener Fehler ihren Status verloren hatten, daran lassen beide keinen Zweifel. Bei Reiter war es, wie er selbst sagte, ein gewisser Hochmut, der ihn glauben ließ, die Jahre im Finanzbereich des Fernsehsenders hätten ihn auch in der Welt der Kinofilme urteilsfähig und damit zu einem kompetenten Investor gemacht. Ein Irrtum. Bei Magiera war es die Überzeugung, der „Biss“ eines vielseitigen Jungunternehmers, der sich schon in einigen Branchen behauptet hatte, ersetze Erfahrung und vor allem auch Menschenkenntnis: Eine Unternehmung im Textilgewerbe belehrte ihn schließlich eines Besseren. Er scheiterte.
Für beide Unternehmer ist die schonungslose Analyse der eigenen Fehler die Voraussetzung, um aus dem Scheitern mit einem Zugewinn an Erfahrung herauszugehen. Deshalb sei halbes Scheitern auch viel gefährlicher als ein Totalabsturz: Scheitere jemand nicht gänzlich, bestehe die Gefahr, die Schuld irgendwelchen ungünstigen Umständen zuzuschreiben: den Kunden, die die Rechnungen nicht rechtzeitig zahlten, der Bank, die zu früh das Vertrauen verlor. Die eigenen Fehler blieben außen vor, man selbst hätte es am Ende dann ja schließlich beinahe noch gedreht.
Zeit für diese Analyse habe man erst nach dem Zusammenbruch, sagte Magiera. In der letzten Phase sei man nur noch am Kämpfen und Reagieren. „Man fühlt sich wie ein Schwimmer, der in stürmischer See versucht, nicht unterzugehen.“ Mit dem Absturz werfe einen die letzte Welle gewissermaßen an Land. „Da strandet man dann, nackt zwar, aber seit Langem zum ersten Mal wieder mit festem Boden unter den Füßen.“ Und sei erstmals wieder in der Lage, von sich aus zu handeln, sagte Magiera.
Der Absturz birgt
auch Chancen
Natürlich, darin sind sich beide einig, dürfe man nichts beschönigen: Das Lebensgefühl in einer solchen Situation sei „beschissen“. Dennoch gelte: Wer es schafft, aus dem Absturz Lehren zu ziehen, hat für die Zukunft schon einen entscheidenden Fehler weniger, den er machen kann. Und im günstigsten Fall eine einschlägige Kompetenz zur Problemlösung entwickelt, die auch in der Zukunft hilfreich sein kann. Im normalen Unternehmerleben, sagen beide, reihe sich zwar nicht Absturz an Absturz. Situationen, in denen man Lehrgeld zu zahlen hat, gebe es aber immer wieder einmal.
Dass ein erfolgreiches Berufsleben trotz einiger Dellen gelingen kann, belegt die weitere, jeweils sehr erfolgreiche Unternehmerkarriere von Magiera und Reiter (siehe Kasten). Und so stimmt am Ende wohl die Erkenntnis, die beide aus ihrem Scheitern gezogen haben: Wer richtig gut sein will, muss einmal wirklich Mist gebaut und damit den Stoff erzeugt haben, aus dem allein die wahre Erfahrung wächst.JJohannes Thomae