„Keine weiteren Bahnstrecken“

von Redaktion

Interview zum Jahreswechsel mit Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer

Rosenheim – Warum die Kufsteiner Straße eine „Notstraße“ ist, warum auch 2019 vermutlich nichts vorangehen wird in puncto eines neuen Nahversorgungszentrums im Rosenheimer Norden und warum die Stadt trotz Verfehlung der Klimaschutzziele gar nicht so schlecht dasteht im Umbau der Energieversorgung, darüber spricht Oberbürgermeisterin Gabriele Bauer im Interview zum Jahreswechsel mit der OVB-Stadtredaktion. Vor Beginn ihres letzten kompletten Amtsjahres findet sie klare Worte zu dem, was ihr wichtig ist. Übrigens: der Schuhkauf im Internet gehört nicht dazu.

2019 ist für Sie das letzte Jahr als Oberbürgermeisterin. Welche Pläne möchten Sie auf jeden Fall noch in die Tat umsetzen?

Klar ist, viele Dinge, die ich mir vornehme, kann ich nur noch anreißen. Eins liegt mir jedoch besonders am Herzen: die weitere Entwicklung am Bahnhof Nord. Die Neugestaltung des Südtiroler Platzes, das Fahrradparkhaus, der Künstlerwettbewerb für den Brunnen: Ich wünsche mir sehr, dass wir hier in meiner restlichen Amtszeit noch gut vorankommen. Das gilt auch für den Bahnhof Süd. Hier streben wir Untersuchungen zur Frage an, wie kontaminiert die Flächen sind und welche Kosten auf uns in diesem Zusammenhang zukommen. Wenn wir das wissen, können wir entscheiden, was wir mit den Grundstücken machen. Mein Ziel ist es, das Eingangsbild der Stadt am Bahnhof so freundlich und einladend wie möglich zu gestalten – eine Entwicklung, die unsere Stadt in diesem Jahrhundert prägen wird.

Im letzten Halbjahr 2018 ist das Thema Nordzulauf zum Brennerbasistunnel in den Fokus der Bürger gerückt. Auch der Stadtrat hat mit einer Resolution und der Forderung nach einem Planungsstopp reagiert. Was erwarten Sie vom Besuch des Bundesverkehrsministers im Frühjahr?

Ich erwarte, dass der Bundesverkehrsminister die Zahlen für die Bedarfe bis 2050 vorlegt. Nur diese Zahlen können die Grundlage für eine Entscheidung zur Frage darstellen, ob die Planungen weiterzuführen sind. Wenn Planungen fortgesetzt werden sollen, müssen raumverträgliche Lösungen gefunden werden. Diese sehen wir nicht in Rosenheim – weder auf der Bestandsstrecke noch im gesamten dichten Siedlungsbereich der Stadt. Kurzum: keine weiteren Bahnstrecken in der engen Stadt Rosenheim. Im Falle eines Ausbaus der Bestandsstrecke fordere ich stadtbildverträgliche Lösungen – auf jeden Fall ohne meterhohe Lärmschutzwände.

Zurückblickend auf das vergangene Jahr: Welche Entwicklungen in der Stadtpolitik haben Sie gefreut?

Ich bin stolz auf das Stellwerk 18: Hier entwickelt sich eine in meinen Augen futuristische Gründerszene. Ich bin überzeugt, wir werden hier eine neue Erfolgsgeschichte schreiben.

2018 ging erneut nichts voran mit der Entwicklung des Rosenheimer Nordens, Stichwort NVZ. Erwarten Sie für 2019 einen Durchbruch?

Nein, den erwarte ich definitiv nicht. Denn die beiden beteiligten Grundstückseigentümer sind nicht zum Verkauf notwendiger Verkehrsflächen bereit. Es wird sich nichts tun, solange die verkehrliche Situation an der Kreuzung Westerndorfer Straße/Ebersberger Straße nicht gelöst ist. Meine eigene Meinung zu diesem Punkt möchte ich in diesem Zusammenhang noch einmal unterstreichen: Ich bin überzeugt, dass wir für den Norden dringend weitere und neue Einkaufsmöglichkeiten brauchen. Die Umsetzung kann jedoch nur erfolgen, wenn wir einen höchstmöglichen Konsens in der Bürgerschaft erreichen. Und auch das geht nur, wenn wir vorher die verkehrlichen Fragen klären.

Sie haben sich mit Ihrem Lösungsvorschlag ja nicht durchsetzen können

Das stimmt. Ich persönlich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich einen Standort nördlich des ehemaligen Bundesgrenzschutzes für sinnvoller halte. Ich persönlich werde angesichts der verkehrlichen Probleme in Westerndorf jedenfalls nicht davon abrücken, nur für die Ziele zu kämpfen, hinter denen ein stimmiges Konzept steht. Das habe ich immer so gehalten – ich denke mit Erfolg, wie die Landesgartenschau oder der Ankauf der Flächen am Bahnhof Nord als Beispiele zeigen. Beim Nahversorgungszentrum im Norden der Stadt fehlt bisher ein stimmiges Verkehrskonzept. Deshalb kann es hier vorerst nicht weitergehen. Und ich folge nicht jedem Aufruf eines Entwicklers oder eines Investors. Ich fühle mich in erster Linie der Stadtentwicklung und der Bürgerschaft verpflichtet.

Ein ebenso schwieriges Thema war und ist der Ausbau der Kufsteiner Straße. Wie geht es hier weiter?

Seit 2002, als ich das Amt als Oberbürgermeisterin angetreten habe, ist das meine Notstraße. 2019 werden die Planungen für den Ausbau der Eisenbahnüberführung abgeschlossen, anschließend wird das Planfeststellungsverfahren für diese Maßnahme eingeleitet. Im Norden müssen leistungsfähige Ausbildungen der Verkehrsknoten Klepperstraße, Gießereistraße und Briançonstraße gefunden werden. Im Süden werden wir die Anforderungen an die notwendige Leistungsfähigkeit, die Verkehrssicherheit für alle Verkehrsteilnehmer und die städtebauliche Verträglichkeit nochmals sorgfältig gegenüberstellen. Der Stadtrat wird dann über den Ausbauquerschnitt und die Frage der Drei- oder Vierspurigkeit entscheiden.

Mein großer Wunsch: eine Lösung, die allen Verkehrsteilnehmern, das heißt, Auto- und Radfahrern, Fußgängern und Busgästen gleichermaßen eine sichere Nutzung der Straße ermöglicht – ebenso wie die Möglichkeit, ein- und auszufahren, mit schnellem Vorankommen für Busse und mit Verkehrsinseln zum leichteren Queren der Straße. Wir sollten bei einer Ausgestaltung nicht nur darauf achten, dass die Fahrbahnen den Normen entsprechen, sondern auch bereit sein, auf eine Förderung einmal zu verzichten.

Der Einzelhandel hat auch in Rosenheim zu kämpfen. Welche Vorschläge aus dem Einzelhandelsgutachten der Cima sind in Ihren Augen vordringlich umzusetzen?

Wichtig ist es, speziell in der Innenstadt einen attraktiven Angebotsmix bieten zu können. Deshalb befürwortet die CIMA aus handelspolitischer Sicht ausdrücklich die geplanten Investitionsvorhaben in der Bahnhofstraße (Anmerkung der Redaktion: Neubau der VR-Bank, Weiterentwicklung der Posthöfe). Sie können zu einer Aufwertung dieser Handelslage führen, die der ganzen Innenstadt guttut. Wir unterstützen die Investoren in den baurechtlichen Verfahren nach Kräften. Ganz wichtig erscheint mir auch die weitere kontinuierliche Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Innenstadt: Dazu gehören auch Sicherheit und Sauberkeit sowie die Digitalisierung des Handels. Gerade für die inhabergeführten Einzelhandelsgeschäfte bietet sich im Online-Handel die Chance, zusätzliche Kunden zu erreichen. Ich selbst mag jedoch die persönliche Ansprache in den Geschäften, die besondere Atmosphäre. Ich schaue mich gerne um, lasse mich gerne beraten und käme niemals auf die Idee, mir Schuhe im Internet zu bestellen.

Ein Aufreger war 2018 die dringend notwendige Rettung des Mittertors. Welche Maßnahmen stehen 2019 an?

Zunächst sind die Ergebnisse der seit Herbst 2018 durchgeführten Untersuchungen des Untergrunds im Umfeld des Museums abzuwarten. Es ist davon auszugehen, dass diese spätestens im April 2019 vorliegen werden. Aufbauend auf diesen Untersuchungsergebnissen ist dann ein Sanierungsplan zu erarbeiten. Wir werden diese Sanierung mit oberster Priorität vorantreiben.

Die Stadt hinkt bei der Realisierung ihrer Klimaschutzziele hinterher. Wird es gelingen, hier 2019 noch mehr Gas zu geben?

Zunächst: Sie werden kaum eine Stadt unserer Größenordnung finden, die dank ihrer innovativen Stadtwerke gerade im Wärmebereich so viel für den Klimaschutz tut wie Rosenheim. Denken Sie an den kontinuierlichen Ausbau unseres Fernwärmenetzes mit dem berühmten Primärenergiefaktor von Null. Denken Sie an die Gasmotoren zur Stromerzeugung mit ihren rekordverdächtigen Wirkungsgraden. Zudem haben die Stadtwerke mit der Holzvergasung inzwischen großtechnischen Standard erreicht und in Südtirol eine erste Anlage mit guten Ergebnissen im Dauerbetrieb. Da brauchen wir uns also von niemandem belehren lassen.

Einen Klimaschutzmanager gibt es derzeit aber nicht.

Nächstes Jahr werden wir auch an dieses Thema wieder rangehen. Außerdem muss ich darauf hinweisen, dass sich die Schwierigkeit bei der Erreichung gesteckter Klimaschutzziele auf vielen Ebenen zeigt – vom Bund bis zur Region. Die Stadt wird ihre Bemühungen konsequent fortsetzen. Neben der Nutzung der regenerativen Energien bei stadteigenen Gebäuden wie dem neuen Regionalen Omnibusbahnhof oder beim Verwaltungsgebäude Königstraße 15 wird auch die energetische Sanierung im Bestand konsequent bei allen Umbaumaßnahmen weiterverfolgt. Zudem denken wir über eine Beteiligung an einem Förderprojekt für den Einsatz von Wasserstoff gemeinsam mit der Ludwig-Bölkow-Sitftung nach. Am Ende muss die Realisierung der Klimaschutzziele überall auf der Welt durch die gesamte Bürgerschaft und die Wirtschaft getragen werden. Nur dann kann das Ziel erreicht werden.

Wohnraum ist knapp und teuer in Rosenheim. Reichen die bisherigen Bemühungen um neue Wohnsiedlungen aus?

Zur Deckung des künftigen Wohnraumbedarfs sind über Jahre hinaus etwa 300 neue Wohnungen in Rosenheim pro Jahr erforderlich. Mit den geplanten Projekten auf der BayWa-Wiese und in der Lena-Christ-Straße entstehen insgesamt fast 400 Wohneinheiten, die den Bedarf der nächsten Jahre abdecken helfen. Darüber hinausgehend müssen aber weitere Maßnahmen in Angriff genommen werden. Dazu brauchen wir auch private Investoren. Für die sind staatliche Eingriffe in die Preisbildung wie die Mietpreisbremse allerdings Gift.

Rosenheim erstickt im Verkehr. Wird es noch in ihrer Amtszeit gelingen, den ÖPNV zu verbessern? Und wo kann noch angesetzt werden?

Selbstverständlich. Das passiert ja laufend. Denken Sie nur an unseren neuen Regionalen Omnibusbahnhof und den in 2019 beginnenden Bau des Fahrradparkhauses am Bahnhof. Außerdem wird derzeit intensiv an der Fortschreibung und der Umsetzung des Nahverkehrsplanes gearbeitet. Im Übrigen haben wir Probleme mit Staus vor allem in den Hauptverkehrszeiten. An verschiedenen Schwachstellen im Straßennetz werden wir auch in den nächsten Jahren Verbesserungen vornehmen – zum Beispiel mit dem Ausbau der Kufsteiner Straße oder auch im Anschluss des Brückenbergs an die Münchener Straße. Mit der lang erwarteten Verkehrsfreigabe der B 15 Westtangente wird die Stadt wesentlich vom Schwerverkehr entlastet werden. Und mit einer weiteren Steigerung der Attraktivität des Radverkehrs lassen sich auch Entlastungen beim motorisierten Individualverkehr erzielen. Der Radwegausbau ist deshalb ein wichtiges verkehrspolitisches Ziel.

In den nächsten Wochen wird die CSU einen OB-Kandidaten oder eine OB-Kandidatin benennen. Welche Eigenschaften sollte er oder sie mitbringen?

Liebe zu den Menschen in dieser Stadt. Ich wünsche mir eine Kandidatin oder einen Kandidaten, die oder der die Anliegen der Bürger ernst nimmt und immer im Blick hat.

Interview: Heike Duczek

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