Rosenheim – Schloss Neuschwanstein in Miniaturgröße, eine Handtasche in Gitarrenform und eine rote Vase mit einem Vogel in Quielling-Technik – drei Torten, die mehr an Kunstwerke als an Backwaren erinnern. Die Künstlerin ist Katerina Schneider (38), eine der besten Tortendesignerinnen der Welt. Das Erstaunliche: Die Rosenheimerin ist keine gelernte Konditorin und hat sich alles selber beigebracht. „Ich backe schon, seit ich 15 bin“, sagt die gebürtige Ukrainerin.
Vor 15 Jahren zieht sie nach Deutschland. Schneider backt anfangs nur aus Spaß und zum Zeitvertreib – und zur Freude ihrer Familie. Während ihrer Schwangerschaft versucht sie sich erstmals am Dekorieren mit Fondant – und entdeckt ihre Leidenschaft. Über die Jahre bringt sich die Rosenheimerin Techniken zum Verzieren von Torten selbst bei und besucht Kurse bei Meistern der Branche. Schließlich beschließt sie, ihr Können unter Beweis zu stellen. 2013 nimmt sie an ihrem ersten Wettkampf teil, in Köln, und belegt den zweiten Platz. Ein Riesenerfolg für sie und eine Bestätigung ihrer harten Arbeit.
Ein Jahr später meldet sie sich für „Cake International“ in Birmingham an. Die weltgrößte Messe für Tortendesigner. Jedes Jahr treffen sich dort über 1900 Tortendesigner und stellen ihre Kunstwerke in den verschiedensten Kategorien vor. Das Motto: „Handtaschen und Schuhe“. Die Regel besagt, dass nur essbare Materialien verwendet werden dürfen. Sie fertigt eine Handtasche in Gitarrenform – aus Lebkuchenteig, gebacken mit Schokolade. Fast zwei Wochen dauert es, bis sie das Endprodukt in Händen hält – liebevoll dekoriert mit bunten Blumen und Schmetterlingen.
Gemeinsam mit ihrem Mann Alexander tritt sie die zweitägige Autofahrt nach Birmingham an. Fliegen ist mit der Torte im Gepäck keine Option. Vorsichtig stellt sie das Kunststück in den Kofferraum. Scharfes Bremsen und zu schnelles Fahren versucht das Ehepaar auf den folgenden 1425 Kilometern zu vermeiden.
In Birmingham angekommen, vergisst sie die Strapazen der Reise und der vergangenen zwei Wochen schnell – sie belegt den ersten Platz in ihrer Kategorie. Ein Erfolg, mit dem sie nicht gerechnet hat: „Das war der absolute Wahnsinn.“
Ein Jahr später nimmt sie erneut an der Messe teil. Dieses Mal hat sie eine Vase in 3D-Optik im Gepäck. „Ich habe fast drei Wochen gebraucht, um die Vase fertigzustellen“, sagt Schneider. Wieder macht sich das Ehepaar auf die Reise nach England. Bei der Ankunft der Schock: Die Torte ist beschädigt. Der Knauf des Vasendeckels ist abgebrochen. Aufgeben ist für Katerina Schneider keine Option. Spontan legt sie eine Nachtschicht ein und bastelt einen neuen Knauf. „Die Vase ist mit Blut geboren“, sagt sie. Die Jury belohnt ihre Arbeit am nächsten Tag nicht nur mit der Goldmedaille in ihrer Kategorie, sondern auch mit dem Hauptpreis der Messe, der Auszeichnung „Best in Show“. Erstmals überhaupt geht diese Auszeichnung damit nach Deutschland. Die Freude sei unbeschreiblich gewesen, erinnert sich die Rosenheimerin. Doch damit nicht genug – 2016 gewinnt sie den „Cake-Oscar“. Eine Auszeichnung, die als Weltmeister-Titel gehandelt wird.
Schneider ist ganz oben angekommen. „Ich hätte mir niemals erträumt, dass ich so erfolgreich werde“, sagt sie. Ihr Geheimnis: „Ich bin unheimlich ehrgeizig. Jedes Jahr setze ich mir neue Herausforderungen.“
Apropos Herausforderung: Im Jahr 2017 baut Schneider das Schloss Neuschwanstein nach. Ein Jahr später die Vase mit einem darauf sitzenden Vogel in Quielling-Technik. Doch nicht immer läuft alles nach Plan. „Mit der Vase habe ich mich zeitlich verschätzt“, sagt die Rosenheimerin und fügt hinzu: „Ich habe sogar im Auto und auf der Fähre noch weitergearbeitet.“ Das Glück war auf ihrer Seite. Die Vase wird rechtzeitig fertig und sie belegt erneut den ersten Platz.
Heute nimmt die 38-Jährige immer noch an Wettkämpfen teil. Außerdem gibt sie Kurse zum Gestalten von Motivtorten, doziert an der Volkshochschule und ist als Jury-Mitglied für Tortenwettbewerbe tätig. Außerdem stellt sie ihre Torten auf Messen aus und gibt diverse Workshops. Ein voller Terminkalender für die Mutter einer achtjährigen Tochter. Mit der backt sie übrigens am liebsten Muffins.
Einen Traum will sich die 38-Jährige Tortenkünstlerin nach den vielen Auszeichnungen aber trotzdem noch erfüllen: „Ich möchte gerne ein Café in Rosenheim eröffnen.“ In diesem sollen dann auch die Siegertorten der vergangenen Jahre ausgestellt werden – Schloss Neuschwanstein in Miniaturgröße, die Handtasche in Gitarrenform und die rote Vase mit dem darauf sitzenden Vogel.