„Ermitteln war mir lieber!“

von Redaktion

Abuzar Erdogan im Gespräch mit der früheren Amtsgerichtsdirektorin Helga Gold

Rosenheim – Es trennen sie 41 Jahre, es verbindet sie derselbe Beruf: Beim Historischen Verein Rosenheim war die jüngst pensionierte Rosenheimer Amtsgerichtsdirektorin Helga Gold zu Gast. Sie wurde von Abuzar Erdogan befragt, der – neben seiner Tätigkeit als Stadtrat, Vorsitzender des Stadtjugendringes und Vorstandsmitglied des Historischen Vereins – zur Zeit als Rechtsreferendar seine Jura-Ausbildung macht. Vor 41 Jahren hat Helga Gold am selben Ort als Juristin angefangen, an dem Abuzar Erdogan gerade tätig ist: am Amtsgericht Rosenheim. Die Veranstaltung fand in den Räumen des Stadtjugendrings im Lokschuppen statt.

Freimütig und lebendig schilderte Helga Gold ihre Laufbahn, die davon geprägt war, dass sie oft die Erste war – die erste weibliche Oberstaatsanwältin und dann die erste weibliche Amtsgerichtsdirektorin im Landgerichtsbezirk Traunstein. Als sie anfing, gab es „kein junges Gesicht“ am Amtsgericht und fast nur Männer – außer zwei Referendarinnen. In Erdogans Referendars-Gruppe dagegen sind von 21 Referendaren 14 weiblich.

Ping-Pong-Spiel

beim Beweisen

und Bestreiten

1979 hat Helga Gold am Landgericht Traunstein dann gleichsam ihren späteren Mann „beerbt“ – sie musste das Baurecht übernehmen. Das mochte sie nicht, noch weniger das Zivilrecht: „Das ist immer wie ein Ping-Pong-Spiel: Beweisen und Bestreiten.“ Lieber war ihr das Strafrecht, weil sie da ermitteln durfte. Nach der Geburt ihrer Tochter hatte sie halbtags gearbeitet, als Jugend- und dann als Familienrichterin.

In den 90er-Jahren musste sie als Staatsanwältin neue Präventiv-Programme durchsetzen und führte „Betreungsanweisungen“ ein – als Modellprojekt gegen häusliche Gewalt, die damals als neues Thema in den Fokus rückte..

Spannend wurde es, als Gold Einzelfälle schilderte: Die „Gewalt im sozialen Nahraum“ gehe durch sämtliche Bevölkerungsschichten, sagte sie und bekannte: „Man taucht als Richterin immer in Welten ein, die man vorher nicht kannte.“ Ausführlich schilderte sie den berühmtesten Prozess ihrer Amtszeit; den „Sado-Maso-Fall“ in Stephanskirchen. Für ihr Plädoyer damals bekam sie im Gerichtssaal sogar Beifall.

Weitere spektakuläre Fälle: ein 20-Jähriger, der einen Bekannten umbrachte, weil er wissen wollte, wie viel Medikamente und Drogen ein Mensch vertragen könne. Und einmal musste Gold eine Beleidigungsanzeige von Franz Joseph Strauß bearbeiten.

„Kein Mensch hat mir dreingeredet!“, betonte sie und lobte die Unabhängigkeit der Justiz. In Bayern speziell seien die Richter besser bezahlt und die Gerichte besser ausgestattet.

Ein Thema des Gesprächs mit Erdogan vor dem Historischen Verein war auch das noch immer nicht gebaute Justizzentrum in Rosenheim, von dem auf dem Beilhack-Gelände erst ein kleiner Teil steht. Darin befinden sich das Grundbuchamt und das Betreuungsgericht: „Ich habe immer gebaut“, bemerkte Gold schmunzelnd und bedauerte: „Justiz hat keine Lobby.“

Zurzeit erforscht Helga Gold die Geschichte des Amtsgerichtes Rosenheim, die schon 1234 mit dem Pflegegericht in Schloßberg begann. Rosenheim war einmal Sitz des Land- und des Amtsgerichts. Warum befindet sich das Landgericht jetzt in Traunstein? „Weil die Rosenheimer sich nicht genug dafür interessiert haben“, ist sie überzeugt.

Die Arbeit von Helga Gold zur Geschichte des Amtsgerichts wird der Historische Verein Rosenheim in seiner Reihe „Das Bayerische Inn-Oberland“ veröffentlichen, teilte der Vorstand abschließend mit.

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