Rosenheim – In den eigenen vier Wänden alt zu werden, das ist der Wunsch vieler Senioren. Damit er in Erfüllung geht, sollte man sich schon in jungen Jahren mit diesem Thema auseinandersetzen. Doch das tun nur die wenigsten, wie sich bei der Podiumsdiskussion „Wohnzukunft kreativ gestalten – Jetzt!“ deutlich zeigte.
Die Veranstaltung in der Technischen Hochschule Rosenheim fand im Rahmen der Aktionswoche des Bayerischen Sozialministeriums „Zu Hause daheim“ statt. Veranstalter war der Verein „Pro Senioren Rosenheim“. Der erhoffte Ansturm blieb allerdings aus. An der Podiumsdiskussion in der Caféteria nahmen nur rund 40 Interessierte teil, zum Großteil Senioren.
Viel zu wenig
Barrierefreiheit
Architektin Christine Degenhart, Leiterin des Arbeitskreises Neue Wohnformen von „Pro Senioren Rosenheim“, hätte sich gewünscht, dass mehr jüngere Rosenheimer gekommen wären: „Dieses Thema geht schließlich uns alle an.“ Sie weiß aber, dass viele Menschen dazu neigen, jegliche Gedanken ans Alter möglichst weit wegzuschieben.
Sie selbst, Jahrgang 1964, ist keine Ausnahme, wie sie bekennt: „Ich habe in meiner Wohnung eine freistehende Sambatreppe. Bis jetzt komme ich damit gut zurecht. Aber mir ist klar, dass dadurch mein Aufenthalt in dieser Wohnung begrenzt ist. Dieser Gedanke macht mir zu schaffen.“
Wichtigstes Kriterium für ein möglichst langes Leben in den eigenen vier Wänden ist die Barrierefreiheit und die ist derzeit im Großteil der Wohnungen und Häuser nicht gegeben, weiß die Rosenheimer Architektin aus Erfahrung. Schwierig wird es ihrer Einschätzung nach, wenn die sogenannten Baby-Boomer, also die Jahrgänge 1955 bis 1969, in ein Alter kommen, in dem sie ein barrierefreies Zuhause benötigen: „Wenn dann auf einmal alle Bestandsbauten barrierefrei umgebaut werden sollen, wird es eng. Bauen braucht Zeit“
Auch Inge Ilgenfritz (77) von „Pro Senioren“ weiß, dass sie sich selbst lange Zeit viel zu wenig Gedanken über das Leben im Alter gemacht hat. „Wir haben vor über 22 Jahren gebaut. Damals haben wir uns keine Gedanken an das Leben im Alter gemacht. Die Türen in unserem Haus sind zu schmal. Ein Rollstuhl käme da nicht durch. Jetzt fängt man an, sich über solche Dinge Gedanken zu machen.“ Und sie weiß auch: „Passiert mal was, ist es für einen Umbau zu spät“.
886 Millionen Euro gab der Freistaat Bayern im vergangenen Jahr für die Wohnraumförderung aus. Barrierefreiheit ist unumgängliches Kriterium, um an Fördergelder zu gelangen. Das Interesse an diesem Programm ist groß. „Die Fördermittel werden zu 100 Prozent abgefragt“, informiert Ministerialdirigentin Ingrid Simet vom Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr. Gerade die Wohnungsbaugesellschaften seien derzeit sehr engagiert im Bestreben, barrierefreien und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.
Das Zuhause
der Zukunft
Barrierefreiheit allein reicht aber für ein selbstbestimmtes Leben im Alter nicht aus. Nachgedacht wurde bei der Podiumsdiskussion darum auch darüber, wie sich die Wohnformen in Zukunft generell verändern müssen.
Tausch groß gegen klein: Derzeit leben in Rosenheim rund 90 Prozent der über 80-Jährigen alleine in ihren Wohnungen und Häusern. Helmut Cybulska, Dezernent für Stadtplanung, Umwelt und Bauwesen, sieht darin großes Potenzial. Mit Blick auf den Mangel an Wohnraum kann er sich für die Zukunft eine Art „Tausch“ vorstellen: Damit rüstige Senioren in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können, stellt man ihnen kleinere, bezahlbare Wohnungen zur Verfügung und macht dadurch Platz frei in den großen Häusern und Wohnungen für Familien mit Kindern.
Betreute WG im Bauernhof: Eine weitere Wohnalternative weiß Innenarchitekturstudentin Anna Bochnia: Leerstehende Bauernhöfe werden zur Nutzung für Wohngemeinschaften umfunktioniert. Jeder Bewohner wohnt individuell und selbstbestimmt in seinen eigenen vier Wänden. Innerhalb dieser Anlagen wird aber eine Wohnung für Pflegekräfte kostenlos zur Verfügung gestellt. In Münster werde diese Form des Zusammenlebens schon erfolgreich praktiziert. „Auf diese Weise bekommt man auch wieder mehr Menschen auf das Land“, sage die 25-Jährige. Ihrer Meinung nach wird es in Zukunft grundsätzlich mehr Gemeinschaftsanlagen geben: „In ihnen werden verschiedensten Generationen zusammenleben.“
Senioren-Hausgemeinschaft: Dieter Hofrath (74) lebt mit seiner Frau in der Senioren-Hausgemeinschaft „Gloria“. Gegründet wurde diese Wohnalternative vor zehn Jahren in Rosenheim unter dem Motto „Lieber gemeinsam statt einsam“. In der Vergangenheit hatte man dort auch immer wieder einmal mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Hofraths Fazit lautet deshalb: „Ohne Leitung von außen klappt es nicht.“ Susanne Schmitz, Sozialmanagerin der GRWS-Wohnungsbau- und Sanierungsgesellschaft der Stadt, kann sich vorstellen, warum das so ist: „Jeder wünscht sich zwar Gemeinschaft, aber jeder Mensch versteht unter diesem Begriff etwas anderes.“
Grundsätzlich scheint der Bedarf an alternativen Wohnmodellen in der Stadt derzeit nicht sehr groß zu sein, wie aus den Worten von Sozialamtsleiter Christian Meixner hervorgeht: „Wenn gewünscht, würden wir Menschen für Wohngemeinschaften zusammenbringen. Aber dafür gibt es noch kaum Anfragen.“