Einsatz der Axt keine Option

von Redaktion

Angst vor den Folgen des Volksbegehrens „Artenvielfalt“: Besuch bei einem Obstbauern

Rosenheim – Bauern in der Region fürchten sich vor einer weiteren wirtschaftlichen Einbuße. Grund dafür ist ein Passus aus dem Volksbegehren „Artenvielfalt“. Dieser sieht vor, dass Streuobstwiesen ab einer Fläche von 2500 Quadratmetern zu gesetzlich geschützten Biotopen werden sollen. Um das zu umgehen, fällen einige Bauern ihre Baumbestände. Eine Lösung, die für den Rosenheimer Obstbauern Alfons Leitner (65) und seine Frau Brigitte (66) nicht infrage kommt.

Stolz geht Alfons Leitner über seine Streuobstwiese. Er zeigt auf jeden seiner Bäume – einige sind fast 15 Meter hoch. An einem Klarapfel-Baum bleibt er stehen, greift nach einem Ast und kontrolliert die Zahl der Früchte. Zufrieden geht er weiter. Seit der ehemalige Leiter des Rosenheimer Kommissariats 10 für grenzbezogene Kriminalität in Pension ist, kümmert er sich um die Streuobstwiese der Familie. Eine aufwendige und zeitintensive Aufgabe. „Es gibt viel zu tun“, sagt Leitner. Kein Wunder, auf der vier Hektar großen Fläche stehen insgesamt 132 Apfelbäume und fünf Walnussbäume. Es gibt Sommer-, Herbst- und Wintersorten. Leitners ganzer Stolz: Der Gravensteiner – eine alte Apfelsorte, die nur selten im Supermarkt zu finden ist.

Ist es an der Zeit, die Ernte auf der beinahe sechs Fußballfelder großen Fläche einzufahren, trommelt Leitner seine Familie zusammen. Sie pflücken täglich, sieben Wochen lang. Die Ernte verkauft er an zwei Großabnehmer, eine kleine Menge behält er selbst – unter anderem zur Herstellung von Apfelsaft. Das Geschäft läuft. Aber es sei auch ein „Glücksspiel“. In manchen Jahren fährt Leitner eine geringe Ernte ein, etwa, weil der Winter sehr kalt war. In anderen Jahren läuft das Geschäft besser. Insgesamt aber sorgt sich Leitner um die Zukunft seiner Streuobstwiese.

Grund ist der Passus im bisher nicht rechtskräftigen Gesetzentwurf des Volksbegehrens. Dieser besagt, dass Streuobstwiesen ab einer Größe von 2500 Quadratmeter unter den Schutz des bayerischen Naturschutzgesetzes fallen sollen. Heißt: Aus diesen größeren Streuobstwiesen sollen Biotope werden, um den Bestand der Streuobstwiesen zu sichern. „Da bin ich nicht scharf drauf“, sagt Leitner.

Streuobstwiesen zählen laut des Landesverbandes für Vogelschutz (LBV) mit über 5000 Tier- und Pflanzenarten zu den artenreichsten Lebensräumen Europas. Doch die Zahl der Streuobstwiesen und damit der Bäume in der Region geht zurück. Während es im Jahr 1965 rund 20 Millionen Streuobstbäume in Bayern gab, gibt es in diesem Jahr noch gerade einmal 5,6 Millionen. Das geplante Gesetz soll den Rückgang bremsen. Sorgt aber im Moment eher für das Gegenteil: Etliche Bauern greifen zur Säge und fällen ihre Bäume, um die Größe ihrer Streuobstwiese unter 2500 Quadratmeter zu bringen.

Das für die derzeitigen Fällungen überhaupt keine Notwendigkeit besteht, erklärt Markus Erlwein, Pressesprecher des Volksbegehrens „Artenvielfalt“. Wie er sagt, können Landwirte die Streuobstwiese auch dann bewirtschaften, wenn sie in einem Biotop liegen. Diese Möglichkeit sieht der Gesetzesentwurf durchaus vor – allerdings nur dann, wenn die Bauern keine Pestizide verwenden. Erlaubt sind diese jedoch bei starkem Befall von Schädlingen. Auch andere Ausnahmeregelungen sind geplant. So etwa die Bebauung von Flächen, etwa um eine Garage zu erweitern. Dann allerdings muss eine gleich große Fläche als Ausgleich eingebracht werden.

Bauern womöglich

falsch informiert

Dass trotzdem einige Landwirte ihre Bäume bereits gefällt haben, versteht Erlwein nicht. Er vermutet, dass die Bauern zu wenig oder falsch informiert worden sind. Diese Unwissenheit habe bereits dazu geführt, dass etwa in der Fränkischen Schweiz einige Tausend Obstbäume illegal gefällt und teilweise zu Ackerland umgebrochen worden seien, sagt er.

Josef Bodmaier, Kreisobmann des Bauernverbandes Rosenheim, hält wenig von den geplanten Regelungen. Er habe seine Landwirte bisher nicht informiert, wolle warten, bis das Gesetz verabschiedet und damit klare Fakten geschaffen seien, sagt er.

Auf diese Fakten will auch Alfons Leitner warten. Was dann aus seiner Streuobstwiese werden soll, das weiß er heute noch nicht. Nur eins steht fest: dass das Fällen seiner Bäume keine Option für ihn ist.

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