Rosenheim – „20 Jahre ist sie alt, unsere Goethe-Gesellschaft in Rosenheim“: Mit diesem Satz begrüßte der Vorsitzende Ulrich Noltenhans die Gäste zur Jubiläumsfeier im Rosenheimer Künstlerhof. Nach einem Grußwort von Kulturreferent Robert Berberich hielt der Präsident der Goethe-Gesellschaft Weimar, Professor Jochen Golz, den Festvortrag mit dem Titel „Goethe im 21. Jahrhundert“. Für die musikalische Umrahmung sorgte die Harfenistin Uschi Laar.
Gegründet wurde die Goethe-Gesellschaft in Rosenheim mit mehr als 120 Mitgliedern im Goethe-Jahr 1999 von Willi Schmid und Professor Bernd Westermann. Beide nahmen als Ehrenmitglieder an der Veranstaltung teil, teilt die Gesellschaft mit.
Vorträge, Lesungen,
Rezitationsabende
Mit Vorträgen, Lesungen und Rezitationsabenden biete die Goethe-Gesellschaft Rosenheim laut Noltenhans ein anspruchsvolles literarisches Programm. Immer wieder fänden auch literarische Exkursionen statt, wie etwa 2016 auf den Spuren von Benn und Kafka nach Meran oder 2018 zum zeitweiligen Wohnort von Goethes Schwiegertochter Ottilie nach Wien. Anhand einer Bilderfolge konnten sich die Besucher einen Eindruck von den jüngsten Exkursionen der Gesellschaft verschaffen.
Kulturreferent Robert Berberich bezeichnete die Goethe-Gesellschaft Rosenheim als eine „große Bereicherung des kulturellen Lebens“ für die Stadt und den Landkreis. „Die sicht- und fühlbare kulturelle Lücke konnte mit der Goethe-Gesellschaft geschlossen werden“, sagte Berberich.
In seinem Festvortrag betonte Professor Golz Goethes Aktualität. Der Weimarer Dichter gehöre immer noch zu den angesehensten Autoren und genieße weltweit Wertschätzung. „Neben Luther und Thomas Mann ist Goethe der Repräsentant humanistischer deutscher Kultur“, sagte Golz.
Goethes Aktualität spiegle sich in seiner politischen Haltung, in seinem Verhältnis zu Religion und Religiosität sowie in seiner Modernität. In Weimar habe Goethe zahlreiche politische Funktionen übernommen. Goethe verabscheute Krieg und Gewalt. Vielmehr habe er das Vernunft- und Harmonieideal der europäischen Aufklärung angestrebt. Wirtschaftliche Veränderung habe der Dichter als Bedingung für die Humanisierung der Lebensverhältnisse angesehen, sagte Golz. Ein Visionär, ein Utopist sei er jedoch nie gewesen.
„In der Religion hat Goethe nach Orientierung und beständigen Werten gesucht“, sagte Golz. Die monotheistischen Religionen Judentum, Christentum und Islam habe er als Erzählungen zu den geschichtlichen Anfängen der Menschheit gesehen. In seiner Gedichtsammlung „West-Östlicher-Divan“ habe der Dichter eine Synthese westlicher und östlicher Kultur angestrebt. Für Goethe, der nicht an die Offenbarung und Sündhaftigkeit in der christlichen Religion glaubte, sondern Gott in der Natur verehrte, war Toleranz und Offenheit gegenüber anderen oberstes Gebot.
Schließlich habe Goethe im Faust II eine Analyse der Moderne unternommen, etwa mit seiner Kritik am Papiergeld und an der Ausbeutung der Natur. Natur und Liebe als Produktions- und Triebkraft seien für Goethe Konstanten seiner Weltanschauung. Goethe, sagte Golz. Sein Resümee: Goethe sei „kein Zivilisationsskeptiker“ gewesen, sondern ein kritischer Diagnostiker der Moderne, dessen Lebenszuversicht aller Skepsis trotzte.re