Rosenheim – Die Stadt Rosenheim zieht Konsequenzen aus der Diskussion um den Auftritt des Rechtspopulisten Michael Stürzenberger vor einer Woche: Für künftige Versammlungen will sie prüfen, ob es möglich ist, weitreichendere Auflagen zu machen.
Mit dem Genehmigungsbescheid für die Veranstaltung, bei der Stürzenberger als Gastredner aufgetreten war, hatte die Stadt nach eigenen Angaben diverse Beschränkungen vorgegeben. So zur Dauer der Versammlung, zur Örtlichkeit und dazu, welche technischen Mittel der Redner nutzen darf, um sich Gehör zu verschaffen. Auch die Lautstärke sei vorgegeben worden, meldet die Stadt, nicht aber, wie lange Stürzenberger reden kann und ob er Pausen machen muss.
Ob darüber hinaus „weitergehende Beschränkungen für die Durchführung von Demonstrationen zulässig sind“, wird die Stadt nun untersuchen. Sie reagiert damit auf den Vorwurf des Grünen-Stadtrats und Oberbürgermeisterkandidaten, Franz Opperer. Wie berichtet hatte er im Ausschuss moniert, Stürzenberger sei „zu gut behandelt worden“. Eine Einschätzung, die auch SPD-Stadtrat und Oberbürgermeisterkandidat Robert Metzger teilt.
Verwaltungsgericht
entscheidet
In einer ersten Reaktion auf diesen Vorwurf hatten Vertreter der Verwaltung noch während der Sitzung ausgeführt, das zuständige Verwaltungsgericht in München kassiere in der Regel viele Auflagen – mit Verweis auf das verfassungsrechtlich geschützte Recht der Versammlungsfreiheit.
Um zu erfahren, welche Beschränkungen vielleicht doch zusätzlich hätten genehmigt und damit wirksam werden können, will sich die Stadt mit dem Kreisverwaltungsreferat (KVR) in München in Verbindung setzen. Dort hat man Erfahrung mit Stürzenberger. Denn der Aktivist der rechten Szene lebt nicht nur in der Landeshauptstadt. Er ist dort bereits öffentlich als Redner in Erscheinung getreten. Seinen Auftritt im Jahr 2013 hatte das KVR deutlich reglementiert. Unter anderem musste er Pausen während seiner Reden machen und auch die Dezibelzahl der Lautstärke war vorgeschrieben. War Stürzenberger in München mit einem Megafon aufgetreten, nutzte er in Rosenheim lediglich ein Mikrofon. Um ihn zu übertönen, hatten die Gegendemonstranten Trillerpfeifen eingesetzt und lautstark Sprechchöre formiert. Auf diese Weise sei eine äußerst unangenehme Geräuschkulisse entstanden, hatten später die Rosenheimer Einzelhändler rund um das Mittertor beklagt (wir berichteten). Der Stadt liegt eine schriftliche Beschwerde vor. Sie werde beantwortet, heißt es.
Keine offizielle
Lärmmessung
Wie laut Redner und Gegendemonstranten wirklich waren, lässt sich nicht sagen. „Offizielle Lärmmessungen“ gab es nach Aussage der Stadt nicht. Aber „nach dem Eindruck von Polizei und Ordnungsamt“ sei die Lautstärke der Redebeiträge über die Lautsprecheranlage im zulässigen Rahmen gewesen“. Für die Anlage, die Stürzenberger nutzte, hatte die Stadt eine Lärmbeschränkung festgesetzt.
Kritik geübt hatten die Einzelhändler nicht nur am Lärm, sondern auch am Veranstaltungsort. Ausgerechnet an der „engsten Stelle der Fußgängerzone“ habe man Stürzenberger auftreten lassen, hatte etwa Paul Adlmaier beklagt, der Vorsitzende des „Citymanagements“ in Rosenheim, der selbst ganz in der Nähe ein Herrenbekleidungsgeschäft führt. Wo eine Kundgebung stattfinde, könne die Stadt wenig beeinflussen, teilt sie mit. Das verfassungsrechtlich geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit lasse kaum Spielraum: „Wenn ein Versammlungsleiter eine Versammlung für den Max-Josefs-Platz anmeldet und auch nicht bereit ist, davon abzuweichen, muss die Versammlung dort auch zugelassen werden.“ Nichtsdestotrotz wurde die Versammlung verlegt in Richtung Mittertor. Notwendig geworden sei dies aufgrund einer geplanten Tiefbaumaßnahme am Max-Josefs-Platz, die aber wegen des schlechten Wetters nicht habe durchgeführt werden können, teilte der Pressesprecher der Stadt, Christian Schwalm, dem Portal „Rosenheim 24“ dazu mit. Stürzenberger selbst soll dieses Vorgehen bei seinem Auftritt kommentiert haben mit den Worten, es herrschten mafiöse Zustände in Rosenheim. Eine Klage, die er in diesem Zusammenhang angedroht haben soll, ist bisher nicht bei der Stadt eingegangen.
Stadt verweist
auf Datenschutz
Wer die Veranstaltung mit Gastredner Stürzenberger angemeldet hat, weiß die Stadt. Ebenso ist ihr bekannt, wer den Gegenprotest ins Leben gerufen hat. Letzteres ist auch der breiten Öffentlichkeit bekannt: Das Bündnis „Gemeinsam gegen rechte Hetze“ hatte Luca Fischer von den Rosenheimer Jusos organisiert. Das Forum für Stürzenberger habe eine Einzelperson angemeldet, keine Organisation. Daher könne der Name nicht öffentlich gemacht werden, meldet die Stadt.
Aussagen, wonach die AfD Rosenheim die Veranstaltung auf die Beine gestellt habe, sind nicht bestätigt. Wie berichtet, hatte Andreas Winhart, der Vorsitzende des AfD-Kreisverbandes Rosenheim, gesagt, es sei Direktive des Bundesvorstands, nicht an Veranstaltungen Dritter teilzunehmen. Trotzdem war der Schriftführer des AfD-Kreisverbandes, Stefan Bauer, vor Ort. Bauer selbst begründet das mit einem Verweis auf seine Tätigkeit als „freier Journalist“.
AfD-Schriftführer
dreht Videos
In dieser Rolle habe er die Veranstaltung am Samstag vor einer Woche „dokumentiert und ins Netz gestellt“. Die Frage, ob er selbst die Veranstaltung angemeldet habe, kommentiert er schriftlich mit den Worten: „Ich weiß, wer die Veranstaltung angemeldet hat, möchte aber keine Angaben dazu machen.“
Wer auch immer den Auftritt von Michael Stürzenberger bei der Stadt angemeldet hat, wer auch immer in Zukunft Versammlungen in Rosenheim anmelden möchte, muss sich offensichtlich darauf einstellen, dass die Stadt Rosenheim genauer hinsehen wird, was sie erlauben möchte und erlauben kann – und zwar ganz unabhängig von der politischen Linie.