Rosenheim – Zum ersten Mal in Rosenheim und gleich ein Riesenerfolg: Das Straßenkunst-Festival „Spektakel“ am vergangenen Freitag und Samstag brachte Zuschauer und Künstler ins Schwärmen. „Unsere Erwartungen wurden sogar noch übertroffen“, freut sich City-Managerin Sabrina Obermoser.
Künstler aus 13 verschiedenen Nationen traten an den beiden Tagen auf und verwandelten die Fußgängerzone in eine kunterbunte Bühne voller Überraschungen. Geboten wurde Theater, Comedy, Akrobatik, Zauberei und Musik. Das Besondere an dieser Art der Kunst: Die Zuschauer kommen den Künstlern ganz nah und rücken manchmal sogar – mehr oder weniger freiwillig – selbst ins Rampenlicht.
Viele Lacher und verdutzte Gesichter
Christine Hellwig verbringt derzeit einige Tage in Rosenheim, um zusammen mit ihrer Nichte ihren 60. Geburtstag zu feiern. Bei einem gemütlichen Stadtbummel kaufte sich die Bremerin eine schicke, rosa Bluse. Diese gefiel nicht nur ihr, sondern auch dem irländischen Straßenkünstler Shiva Grings, der einfach mal beherzt in Christine Hellwigs Einkaufstasche griff. Damit nicht genug. Der 41-Jährige zog sich auch noch ohne jeglichen Kommentar sein eigenes Hemd aus und forderte die verdutzte Passantin dazu auf, ihm beim Einkleiden mit ihrer Bluse zu helfen.
„Kunst, die für alle Menschen da ist“
Das Publikum fand diese Szene enorm komisch und selbst Christine Hellwig fing nach einem kurzen Überraschungsmoment laut zu lachen an. „Ich finde diese Art der Kunst hervorragend“, sagte sie, nachdem sie nach dem Auftritt ihre eigene Bluse wieder zurückbekam. Sie selbst habe früher auch einmal bei einem Improvisationstheater mitgemacht. „Das Schöne an der Straßenkunst ist, dass sie für alle Menschen da ist“, so Christine Hellwig.
Genau das ist es, was auch Shiva Grings an seinem Handwerk so gefällt. Außerdem genieße er seine große künstlerische Freiheit.
Tatsächlich nimmt sich der Irländer bei seinen Auftritten ganz schön viel heraus. „Ich lote aus, wo Grenzen sind und spiele mit ihnen. Das finde ich enorm spannend“, sagt er. Gegenwehr erhalte er überraschend wenig. „In 100 Fällen kommt es vielleicht einmal vor, dass ein Passant verärgert reagiert“, erzählt er.
In den über 20 Jahren, in denen er nun bereits durch die Lande ziehe, könne er sich tatsächlich nur an zwei Menschen erinnern, die regelrecht aggressiv auf seine interaktiven Späße reagiert hätten.
Während Shiva Grings eine weitere ahnungslose Passantin gerade zum Star seiner Neuauflage des Kinoklassikers „King Kong“ macht, bereitet sich Jay Toor schon auf ihren Auftritt vor. Die gebürtige Israelin reist ebenfalls schon seit vielen Jahren mit ihrer Straßenkunst rund um die Welt. „Ich liebe das Reisen“, schwärmt sie. Ihr Alter will die zierliche Frau nicht verraten. „Ich bleibe immer Kind“, schmunzelt Jay Toor gegenüber unserer Zeitung. Sie sieht es als ihre Aufgabe an, das Genre „Straßenkunst“ mit mehr Weiblichkeit auszufüllen. „Weltweit gibt es wesentlich mehr männliche Straßenkünstler als Frauen, das muss sich ändern“, ist sie überzeugt.
Der Auftritt von Shiva Grings ist zu Ende. Sein Publikum applaudiert begeistert. Wie alle Straßenkünstler des „Spektakels“ spielt Grings für den Hut oder in seinem Fall, „so wie es sich für einen echten Irländer gehört“, für den Regenschirm.
Der Straßenkünstler geht reihum und die meisten der Zuschauer zücken für ihn bereitwillig die Geldbörse. „Man wird nicht reich, aber man kann davon leben“, erzählt Jay Toor offen. Reichtum sei ihr aber auch überhaupt nicht wichtig. „Ich will die Menschen unterhalten, sie zum Lachen bringen. Das ist mein Lohn“, sagt sie. Nachdem Shiva Grings mit seinem Köfferchen weiterzieht, breitet Jay Toor auf dem Max-Josefs-Platz ein großes blaues Strandlaken aus, stellt ihren Klappstuhl darauf und schaltet die Musik ein. Ihre Show kommt ganz ohne Worte aus. In kürzester Zeit gelingt es auch ihr, gut hundert Schaulustige für sich zu begeistern. Als „Giselle la Pearl“ zelebriert sie mit eher leisem Humor und akrobatischen Einlagen einen etwas anderen Strandtag.
Jay Toor, Shiva Grings und viele der anderen Straßenkünstler waren zum ersten Mal in Rosenheim zu Gast. „Gerne wieder“ lautete nach dem Festival ihr einhelliges Resümee. „Dafür, dass es in Rosenheim das erste Festival dieser Art war, zeigten sich die Rosenheimer enorm offen“, freut sich Shiva Grings.
Generell sei Deutschland in Sachen „Straßenkunst“ nämlich noch Entwicklungsland: „Viele Deutsche sehen in Straßenkünstler immer noch Bettler und wissen nicht, dass auch sie ausgebildete Künstler sind“.
Die Rosenheimer dürfen sich wohl auf eine Fortsetzung des „Spektakels“ freuen. Citymanagerin Sabrina Obermoser kündigte bereits an, dass das „Festival eine feste Sache wird“.