Rosenheim – Die große Hitze ist erst einmal vorbei. Doch sie hat Spuren hinterlassen: Meldungen warnen vor einem Flaschen-Notstand. Weil die Menschen mehr trinken, aber ihr Leergut nur nach und nach zurückgeben, werden die Flaschen knapp. Eine Entwicklung, die man auch in Rosenheim kennt. Aber gibt es wirklich einen Notstand?
Hohe Temperaturen
machen durstig
Der Rosenheimer Getränke-Fachhändler Thomas Fürst sitzt auf seinem Gabelstapler und sortiert die Kästen mit Leergut. Im großen „Fruga“-Getränkefachmarkt an der Chiemseestraße war in den vergangenen Wochen viel los. Temperaturen weit über 30 Grad haben die Kunden durstig gemacht. Vor allem Mineralwasser nahmen sie kästenweise mit. 30 bis 40 Prozent Wasserkisten hat Fürst bei der Hitze bislang mehr verkauft. Wie viel das in Flaschen und an Umsatz ist, mag er nicht sagen. Grundsätzlich sei das Getränkegeschäft sowieso ein saisonales. Im Sommer geht mehr als im Winter. Und wenn es dann richtig knallheiß sei, steige der Bedarf an Getränken noch einmal an. Vor allem Mineralwasser sei gefragt, sagt Fürst. Limo und Bier verkauften sich weniger gut.
Eine Entwicklung, die auch Zahlen der Genossenschaft Deutscher Brunnen (GDB) zeigen: Demnach ist der Konsum von Mineralwasser stetig gestiegen: von 12,5 Litern pro Kopf im Jahr 1970, auf rund 149 Liter im Jahr 2016. Parallel dazu meldet der bayerische Brauerbund einen Rückgang im Bierkonsum: Trank ein Deutscher im Jahr 1991 rund 142 Liter Bier pro Jahr, lag der Pro-Kopf-Konsum im Jahr 2017 bei gut 101 Litern.
Dieses veränderte Konsumverhalten macht Getränkefachhändler Fürst nicht wirklich froh. Denn zum einen sind die Gewinnmargen bei Mineralwasser geringer. Zum anderen aber ist der Mineralwassermarkt in Spitzenzeiten so stark ausgelastet, dass viele Firmen sich auf dieses Produkt fokussieren. Andere Getränkesorten aus ihrem Angebot dafür zurückstellen. Fürst, der auch einen Online-Shop betreibt, muss in der Folge im Sommer sein virtuelles Angebot ständig im Blick haben und anpassen, dazu die Kunden vertrösten, Verzögerungen bei der Auslieferung erklären.
Einen „Flaschen-Notstand“ bringt der heiße Sommer für ihn trotzdem nicht mit sich. Was auch daran liege, dass er stark auf regionale Produkte setze, wie er sagt. Wasser und Bier verkauft er von Anbietern aus der Region. Die wiederum bieten ihre Getränke in individuellen Flaschen an. In Flaschen, die nicht zum Poolsystem des GDB gehören. Und damit weniger anfällig sind für Probleme im deutschlandweiten Mehrweg-System.
Wie wichtig es ist, in den Sommermonaten eine durchdachte und gut funktionierende Logistik nutzen zu können, das weiß Thomas Frank, Geschäftsführer Technik bei der Rosenheimer „Auerbräu GmbH“.
„Wir spüren, dass die Kunden mehr kaufen und die Träger länger außer Haus bleiben“, sagt Frank. Probleme mit dem Leergut gebe es dennoch nicht. Dazu trägt ein großes Leergut-Lager bei – in dem nicht nur Flaschen auf Vorrat untergebracht sind, sondern auch die dazugehörigen Kästen. Was wann gebraucht wird, errechnen bei Auerbräu spezielle Rechenmodule. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, ist es für die Brauerei zudem wichtig, rechtzeitig ausreichend Flaschen zu bestellen. Denn die Wartezeiten sind lang. Um in den Monaten Juni, Juli und August gut über die Runden zu kommen, setze Auerbräu auf einen „ganz genauen Lieferplan“, sagt Frank. Dieser beinhaltet unter anderem, im Sommer zwischen 5000 und 10000 Kästen mehr auf Lager zu haben, vor allem fürs Bier, aber auch für andere Getränke. „Einen Notstand kennen wir dank dieser gründlichen Planung nicht“, sagt Frank. Engpässe allerdings könne es durchaus geben.
Eine Einschätzung, die Dirk Reinsberg, der Geschäftsführer des Bundesverbandes des deutschen Getränkefachgroßhandels mit Sitz in Düsseldorf, teilt. Doch die saisonal bedingte Knappheit bei den Mehrweg-Flaschen und ein vielleicht reduziertes Getränke-Angebot sind für ihn die eher weniger schwerwiegenden Probleme, die die Hitze und das veränderte Konsumverhalten der Menschen mit sich bringen. Denn, wenn die Hersteller sich in ihrer Produktion auf die Bestseller konzentrieren, dann führt das in seinen Augen auch zu einer insgesamt reduzierten Produktion.
Personal muss
flexibel reagieren
In deren Folge wird weniger Personal gebraucht. Von den Arbeitnehmern ist längst höchste Flexibilität gefordert. Wobei im Sommer seit Jahren mehr gearbeitet werde als im Winter, sagt Reinsberg. Häufig fehlten dann die Kraftfahrer, die die Flaschen von A nach B brächten. Außerdem auch das Personal bei den Glashütten, die die Flaschen produzieren. Denn vor Jahren hat sich deren Markt konsolidiert, weil Glasflaschen nicht mehr so gefragt waren. Nun aber dreht sich der Trend um: Menschen kaufen ihre Getränke wieder lieber in Glasflaschen als in PET-Flaschen.
Für Reinsberg ist das Geschäft mit den Getränken eines, in dem es um weit mehr geht als um Engpässe beim Leergut. Es geht um Ressourcen, etwa beim Wasser. Wenn die Sommer zunehmend heißer werden, wird das Wasser knapper. Ein Flaschen-Notstand ist dann das kleinere Übel.