Vom markanten Mann zum Jüngling

von Redaktion

OVB-Serie „Kunst im öffentlichen Raum“: Heiliger Quirinus an der Rosenkranzkirche

Hans Schuster

Foto Anne-Oswald-Stiftung

Rosenheim – Ein junger Mann mit Heiligenschein und dem Palmzweig der Märtyrer, gekleidet in eine üppige blaue Toga über einem weißen Untergewand, hebt segnend seine Hand vom Giebel des Querhauses der Fürstätter Rosenkranzkirche. Die Inschrift „Sanct Quirinus bitte für uns“ verweist auf den bekannten Patron von Kloster Tegernsee, der 269 wegen seines christlichen Glaubens in Rom den Märtyrertod erlitten hatte.

Wappen des Benediktinerklosters

Das Wappen zu seinen Füßen mit den drei Kronen und den beiden ineinander verschlungenen Seerosenblättern ist das Wappen des um 746 gegründeten Benediktinerklosters Tegernsee. Die Seerosenblätter ergeben sich aus der Lage am See. Die drei Kronen stehen für die beiden adeligen Klostergründer Adalbert und Otokar sowie den heiligen Quirinus, der nach einer Legendentradition der Sohn des angeblich ersten christlichen Kaisers Philippus Arabs gewesen sein soll.

Die Darstellung gerade dieses Heiligen an der Rosenkranzkirche hängt mit der besonderen Geschichte von Fürstätt zusammen, das kurz nach 760 in den Besitz von Kloster Tegernsee gekommen war. Hier hatten die beiden Klostergründer mittlerweile als besondere Auszeichnung die Reliquien des frühchristlichen Märtyrers Quirinus aus der römischen Pontianus-Katakombe erhalten. Da sich auf dem Weg der Gebeine von Rom an den Tegernsee etliche Wunder ereignet hatten, die für eine Verehrung und Wallfahrt sprachen, wurde die Tegernseer Salvatorkirche in eine Quirinuskirche umgewidmet. Diesem Beispiel musste so manche Kirche in Tegernseer Besitz folgen und so wurde auch aus der Fürstätter Kirche des heiligen Johannes des Täufers eine Quirinuskirche.

Kirche ist zu
klein geworden

Da im 20. Jahrhundert die Fürstätter Kirche, trotz eines Neubaus in der Spätgotik, zu klein geworden war, kam es 1936/37 zum Bau der Rosenkranzkirche. Der Entwurf stammte von dem Münchner Architekten Richard Steidle, der zwei Jahre später auch die Kirche Heilige Familie in der Kastenau plante. Da die finanziellen Mittel durch den Bau ausgeschöpft waren, musste man sich mit einer kargen Grundausstattung begnügen.

Erst 1948 konnte die Rosenkranzkirche künstlerisch aufgewertet werden. Der Altartisch erhielt nun eine geschnitzte Bilderwand, und der Rosenheimer Kunstmaler Hans Schuster, den der Krieg zusammen mit seiner Frau Emmy nach Fürstätt verschlagen hatte, gestaltete an der Ostfassade das monumentale Wandgemälde mit der realistisch aufgefassten Figur des heiligen Quirinus. Die Auswahl dieses Motivs liegt nahe, stellt es doch die Verbindung zur alten Fürstätter Kirche her.

Doch die Abbildung des Helfers bei Pest, Augen- und Ohrenerkrankungen ist ungewöhnlich. Typischerweise wird Quirinus vom Tegernsee, der Zusatz ist wichtig, um ihn vom Quirinus von Neuss zu unterscheiden, als Kaisersohn in römischer Rüstung mit Krone, Zepter und Reichsapfel dargestellt. Von den weiteren üblichen Attributen wie Schwert, Wassergefäß oder Ölfläschchen haben wir hier nur die Märtyrerpalme. Schuster gestaltete sein Thema also sehr frei, weg vom Königssohn und hin zum römischen Bürger.

Doch ein Vergleich mit einer historischen Fotografie, offenbart deutliche Unterschiede. Hans Schuster hatte den Heiligen als gestandenes Mannsbild mit einem herben Gesicht dargestellt. Die Inschrift war ursprünglich auf Latein „Sancte Quirine ora pro nobis“ und der Künstler hatte sich ganz unten mit „19 HS 48“ verewigt. Was war passiert?

Sanierung
angepackt

Als Pfarrer Alois Fuchs (1937 bis 2016) im Dezember 1970 die Fürstätter Pfarrei übernahm, packte er als dringendstes Problem die Sanierung der beiden Kirchengebäude an. Doch auch die künstlerische Gestaltung war ein Thema und so wurde die Ausstattung der Rosenkranzkirche den Anforderungen des Zweiten Vatikanischen Konzils angepasst.

Da auch das Wandgemälde von Hans Schuster renovierungsbedürftig war, kam 1973/74 die Firma Willibald Stein aus Inzell ins Spiel. Der Fachbetrieb für Kirchenmalerei gab nun dem heiligen Quirinus das lieblichere Aussehen, das Pfarrer Fuchs durchaus gefiel.

Entsprechend der Neuen Liturgie, die statt des Lateins die Volkssprache in den Mittelpunkt stellt, musste der lateinische Text schließlich auch einem deutschen weichen. Der Inhalt ist aber der gleiche. Bedauerlicherweise wurde die Künstlersignatur übertüncht. Manchmal erkundigt sich ein Bürger aus Fürstätt, ob man denn dem Quirinus nicht wieder das originale Schuster-Aussehen geben könnte. Könnte man, aber ob es nach so vielen Jahren sinnvoll ist und ob es dann tatsächlich allen gefallen würde, ist eine andere Frage. Die Fürstätter haben sich an ihren lieblichen Quirinus schon lange gewöhnt und kennen ihn gar nicht mehr anders. Eine Fürstätter Besonderheit eben, wie auch die, dass die Pfarrkirche Rosenkranzkirche heißt und die Pfarrei St. Quirinus.

Der Künstler

Hans Schuster lernte in Nürnberg, wo er im Jahr 1908 geboren worden war, Gebrauchsgrafiker. Ab 1926 lebte der Künstler in München, wo er Malerei an der Akademie der bildenden Künste studierte.

Im Jahr 1930 ermöglichte ihm ein Stipendium einen Romaufenthalt. 1933 Heirat mit der ebenfalls aus Nürnberg stammenden Emmy Holzammer (1909 bis 1982). Nach dem Kriegsdienst und US-amerikanischer Gefangenschaft: 1946 Neuanfang in Rosenheim. Fast zwanzig Jahre erfolgreiche Tätigkeit als freier Künstler; vor allem Porträts, Landschaften, Stillleben, Wandmalerei und Grafik. Hans Schuster starb 1978 in der Stadt Rosenheim.fie

Das Werk

„Sanct Quirinus“, Wandgemälde, 1948, Höhe: fünf Meter, Breite: drei Meter, Rosenkranzkirche, Fürstätt/Am Gangsteig, Rosenheim-Fürstättfie

Artikel 1 von 11