Rosenheim – Das Grab als Ort des Erinnerns und Gedenkens rückt an Allerheiligen für viele Menschen ganz besonders in den Vordergrund. Es ist der christliche Feiertag, an dem Hinterbliebene ans Grab gehen, um es herzurichten für Herbst und Winter. Frische Blumen und Pflanzen einsetzen oder auch kleine Geschenke mitbringen, um auf ganz persönliche Weise an den Verstorbenen zu erinnern. Doch nicht alles ist erlaubt.
8277 Gräber und
860 Urnenerdgräber
Wer in diesen Tagen über den städtischen Friedhof in Rosenheim geht, trifft allerorts auf Angehörige, die mit Gießkanne, Schaufel, Gesteck und Grablicht auf dem Weg sind zu einer Grabstelle. Laub in allen Farben liegt auf den Wegen. Auf den Gräbern sind die Sommerblumen längst verblüht. Vielfach sind sie schon ersetzt durch Pflanzschalen, in denen die fliederfarbene Knospenheide blüht. Hin und wieder sind Stiefmütterchen zu sehen. Beide Gewächse sind nicht nur winterhart. Sie haben auch eine symbolische Bedeutung: Die Heide steht für Beständigkeit und Treue, das Stiefmütterchen für Andenken und Erinnerung. Dabei ist Allerheiligen eigentlich der Tag, an dem aller Heiligen gedacht wird. Erst der Tag danach, der 2. November, Allerseelen, dient ursprünglich dem Erinnern aller Verstorbener.
8277 Gräber und 860 Urnenerdgräber gibt es auf dem städtischen Friedhof in Rosenheim – aufgeteilt auf verschiedene Gräberfelder. Eines scheint dem anderen zu gleichen, doch wer genauer hinsieht, erkennt: Es gibt Unterschiede. Beispielsweise sind in einem Feld die einzelnen Grabsteine höher als in einem anderen. Die wohl kleinsten Grabsteine finden sich bei den Urnenerdgräbern. Hier liegen aber auch häufig Platten auf der Grabstelle, bedenken sie auf ganzer Fläche. Oft richten sich die Angehörigen in der Grabgestaltung nach den Wünschen der Verstorbenen. Oder wollen in besondere Weise an deren Leben und Wirken erinnern. Doch nicht alle Wünsche sind rechtlich erlaubt. Dann liegt es an Sabine Hofbauer von der Rosenheimer Friedhofsverwaltung, einen Kompromiss vorzuschlagen, eine Lösung zu finden, die beiden Seiten entspricht. Sie kennt das bayerische Bestattungsgesetz genau. Es gibt vor, dass die Gestaltung eines Friedhofs pietätvoll sein muss. Klar, ein Friedhof ist kein Rummelplatz. Und doch ist der Begriff „pietätvoll“ weit gefasst. Ganz bewusst, wie Hofbauer erklärt, denn vor Ort sollen die Kommunen die Details individuell regeln können – allerdings in einem sehr engen Rahmen. Denn letztlich gilt: Wer das Grabnutzungsrecht hat, der hat auch die Handlungsfreiheit. Das heißt, der Gesetzgeber stellt die Angehörigen und deren Wünsche in den Mittelpunkt. Nicht die Wünsche einer Kommune. Wenn also etwa die Stadt Rosenheim vorgeben wollte, auf den Gräbern der Stadt dürften nur Rosen gepflanzt werden, ist das rechtlich nicht erlaubt.
Sehr wohl aber vorgeben kann die Stadt die Gestaltung ganzer Grabfelder. So gibt es auf dem Rosenheimer Friedhof Grabfelder, auf denen sich ein Grabstein an den anderen reiht, alle gleich hoch, alle in ähnlicher Form. Das schafft ein einheitliches Bild, fordert aber auch eine gewisse Flexibilität der Angehörigen. Wer etwa ein Monument für den Verstorbenen errichten möchte, wie sie auf dem alten Friedhof noch häufig zu sehen sind, wird auf dem neuen Friedhof keine Grabstelle bekommen.
Nicht erlaubt ist, was nicht pietätvoll ist
Grundsätzlich nicht erlaubt ist, was nicht pietätvoll ist, sagt Andreas Kalz, Sachgebietsleiter unter anderem für das Bestattungswesen. Doch dann gibt es diese Fälle, in denen auch das Herz und der Bauch mitspielen bei der Entscheidung: Wer mag es einer Familie verweigern, mit bunten Farben und einer besonderen Form des Grabsteins an das verstorbene Kind zu erinnern? Wer mag den Angehörigen des toten Glasbläsers verbieten, einige Glaskugeln als Grabschmuck zu verwenden?
Und so findet der Besucher zwischen all der Sortiertheit des städtischen Friedhofs hin wieder ein Grab, das auffällt. Bei dem er stehen bleibt. Sich einen Moment Gedanken machen kann über einen Toten, den er nicht kennt. Dessen Grabstelle aber etwas über ihn erzählt. Nicht nur an Allerheiligen. Aber an diesem Feiertag vielleicht in besonders schöner Form.