Über Neujahr geht das Sonnenrad auf

von Redaktion

An Silvester weist der Trend zu weniger, aber bunterem Feuerwerk

Rosenheim – Mit der ungebremsten Silvesterknallerei ist in immer mehr Kommunen Schluss. Zum ersten Mal darf auch in der Rosenheimer Innenstadt in einigen Bereichen nicht mehr geböllert werden. Bleibt der Himmel über der Stadt zum Jahresende völlig dunkel? Die Antwort lautet: Nein – auch wenn der Verkauf von Feuerwerkskörpern seit Jahren rückläufig ist.

Am Max-Josefs-Platz, in der Fußgängerzone in der Heilig-Geist-Straße sowie am Ludwigsplatz im Bereich des Gerinnes darf am Silvesterabend kein Feuerwerk abgeschossen werden. Das gilt, nach einem Beschluss im Rosenheimer Haupt- und Finanzausschuss, in diesem, und zunächst nur in diesem, Jahr. Schon immer jedoch ist Feuerwerk in der Nähe von Kirchen, Krankenhäusern, Alten- und Kinderheimen generell verboten. Die Polizei wacht streng darüber, dass dieses Verbot eingehalten wird. Bei Verstößen drohen Geldbußen bis zu 1000 Euro.

„In der Nähe von Kirchen ist das Abfeuern von Feuerwerkskörpern schon lange verboten. Dieses Verbot schloss damit dann auch immer den Max-Josefs-Platz mit ein“, stellt Paul Adlmaier, Vorsitzender des Rosenheimer City-Managements, fest. Allerdings weiß er auch, dass sich bisher nicht alle Hobby-Pyromanen an diese Regelung gehalten haben. Er selbst hat erst vor wenigen Tagen noch den Holz-Stecken einer Rakete vom Vorjahr auf dem Dach seines Bekleidungshauses am Max-Josefs-Platz entdeckt und entsorgt.

Bauhofmitarbeiter
räumen auf

Grundsätzlich macht ein Feuerwerks-Verbot auf Plätzen wie dem Max-Josefs-Platz nach Meinung von Paul Adlmaier Sinn. „Bei einer dichten Bebauung ist es immer gefährlich.“ Von einer Lasershow als Alternative, wie von der FDP-Stadträtin Maria Knott-Klausner angeregt, hält Adlmaier aber nicht viel. „Ich glaube nicht, dass das die Aufgabe einer Kommune ist. 20 Minuten Lasershow kosten zwischen 20000 und 40000 Euro. Viel Geld, das man für sinnvollere Dinge verwenden kann“, findet der Unternehmer.

Maria Knott-Klausner hatte mit einem Antrag die Diskussion über das Für und Wider von Böllern in der Innenstadt losgetreten. Ihr ging es dabei neben dem anfallenden Feinstaub auch um den Müll, der nach einer Silvesternacht zurückbleibt. Zumindest die Geschäftsleute an Max-Josefs-Platz und Ludwigsplatz scheinen damit aber in den vergangenen Jahren kein Problem gehabt zu haben. „Wenn wir nach dem Feiertag wieder aufgesperrt haben, war schon wieder alles sauber“, berichten sie übereinstimmend. Zu verdanken haben sie diese Sauberkeit dem städtischen Bauhof. Dessen Mitarbeiter rücken am Neujahrstag bereits früh am Morgen zum Dienst im gesamten Innenstadtbereich aus. 2019 waren sieben Bauhofmitarbeiter jeweils vier Stunden im Einsatz, bis alle Spuren der Silvesternacht beseitigt waren. Nach Auskunft der Stadt beliefen sich die Kosten dafür auf rund 1700 Euro.

Tradition gegen
Umweltschutz

Trotz der Diskussion über Sinn oder Unsinn der Böllerei in der Silvesternacht wollen sich viele Rosenheimer diesen Spaß nicht nehmen lassen. „Das ist einfach Tradition“, sagt ein 54-Jähriger. Er hat sich „gründlich in das Thema eingearbeitet“, um Gegen-Argumente für die Feuerwerkgegner parat zu haben. Das Ergebnis seiner Recherche: „Die Kerzen auf dem Adventskranz belasten die Umwelt noch mehr. Sollen wir also auch die Kerzen abschaffen?“

Guido Stöckmann vom „House of Christmas“ dagegen verzichtet heuer auf Feuerwerkskörper: „Wir verkaufen in diesem Jahr zum ersten Mal kein Feuerwerk mehr“, sagt er. Vor allem der Umwelt zuliebe, aber auch aus wirtschaftlichen Gründen. „Alles muss immer noch billiger werden. Mit den Discountern kann man nicht mithalten.“ Auch privat will Guido Stöckmann diesmal kein Feuerwerk zünden. „Wir werden nach Salzburg fahren und uns das Feuerwerk an einem zentralen Ort anschauen“, erzählt er.

Feuerwerk an zentralen Orten, das ist für ihn die Zukunft dieser Tradition. Mit dieser Meinung ist er nicht alleine. Auch Paul Adlmaier sieht Feuerwerke an zentralen Plätzen für die Allgemeinheit – wie beim Rosenheimer Herbstfest – als Alternative, die es zu überdenken lohnt. „Da kommen dann auch professionellere Feuerwerkskörper zum Einsatz. Die verursachen weniger Feinstaub und weniger Müll“, sagt er.

Verkaufszahlen
sind rückläufig

Drei Tage vor dem Jahreswechsel hat der Verkauf von Silvesterfeuerwerk begonnen. Der große Ansturm auf die Verkaufsstände blieb aus. Die Verkaufszahlen von Raketen, Böllern und Co. gehen seit einigen Jahren zurück. „Es wird jedes Jahr ein bisschen weniger“, so die Erfahrung von Gabi Daurer vom gleichnamigen Waffengeschäft in Rosenheim, in dem schon seit vielen Jahrzehnten zum Jahreswechsel Feuerwerkskörper jeglicher Art verkauft werden. So wie Guido Stöckmann führt sie den Umsatzrückgang nicht nur auf die aktuelle Klimadebatte zurück: „Früher bekam man Feuerwerk nur in ein paar Geschäften. Jetzt kann man es sogar an Tankstellen kaufen. Damit bleibt für den einzelnen Händler weniger übrig.“

Sonnenrad
besonders beliebt

Beim Kundenverhalten bemerkt Gabi Daurer, dass weniger oft mehr ist. „Statt vieler Raketen lieber eine Feuerwerks-Batterie. Die muss man nur einmal zünden. Das ist sicherer und produziert weniger Müll.“ Laut, krachend und knisternd ist auch nicht mehr so „in“ wie noch vor einigen Jahren. „Lieber bunt“, sagt die Unternehmerin. Besonders gut verkaufen lasse sich in ihrem Geschäft seit vielen Jahren das Sonnenrad: „Das ist überhaupt nicht laut, sondern einfach schön anzusehen.“ Damit kann das neue Jahr kommen.

Vom Weihrauch bis zur roten Unterwäsche: Alternativen zum Böllern

Feiern ohne Feuerwerk wirft die Frage auf, was man stattdessen an Silvester tun kann. Denn immerhin handelt es sich ja um einen alten Brauch zum Jahreswechsel. Eigentlicher Hintergrund der Böllerei: mit dem Lärm die bösen Geister des alten Jahres zu vertreiben und mit dem Licht von Raketen, Fackeln oder Kerzen das Gute zu begrüßen. Eine Tradition, deren Sinnhaftigkeit heute vermutlich vielen Menschen nicht mehr bewusst ist. Die sich aber die Menschen in Deutschland etwa zum Jahreswechsel 2018/19 rund 133 Millionen Euro haben kosten lassen, wie die Daten-Plattform „statista“ meldet.

Ob „Böllern“ nur noch „balla balla“ ist, wie die Bild-Zeitung jüngst titelte, kann jeder für sich selbst entscheiden. Angeheizt wird die Debatte in diesem Jahr insbesondere durch die Diskussion um den Klimawandel und um das Handeln von Greta Thunberg.

Die Luftverschmutzung durch die Raketen und der Dreck, der nachher auf den Straßen liegen bleibt, hat 2019 in vielen Kommunen zum Umdenken geführt – und zu Verboten, die insbesondere in Innenstädten gelten. Dass die Silvester-Knallerei auch als purer Luxus gewertet werden kann, für den Geld verpulvert wird, das anderen Menschen helfen könnte, ist ein Gedanke, den die Hilfsorganisation „Brot für die Welt“ unter dem Motto „Brot statt Böller“ schon in den frühen 1980er-Jahren aufgegriffen hat. Seitdem werden Spenden gesammelt für gemeinnützige Projekte in Entwicklungsländern. Allerdings nicht, ohne von Kritikern „Beliebigkeit“ vorgeworfen zu bekommen. Seit 2010 wird der Slogan „Brot statt Böller“ ergänzt durch den Zusatz „Teilen macht Freude“.

Bleibt am Ende die Frage, was die Knallerei zum Jahreswechsel daheim, im Privaten, ersetzen könnte: Wie wäre es zum Beispiel, ein Glas rückwärts über die Schultern zu werfen? Soll ja Glück bringen. Möglich wäre es auch, nach altem Brauch in den eigenen vier Wänden gesegneten Weihrauch auszubringen, bekannt als das sogenannte Neujahrsräuchern. Auch das Bleigießen nach Mitternacht könnte eine Alternative sein. Und wer es ein bisschen sexy mag, der kann sich Spanien oder Italien als Vorbild nehmen: In beiden Ländern tragen vor allem junge Frauen an Silvester gerne rote Unterwäsche und hoffen auf diese Weise auf ein Stück vom Glück im neuen Jahr.

Wem das alles noch zu wenig und nicht gesellschaftskritisch genug ist, der kann sich bei den Schweizern informieren: unter www.feiernohnefeuerwerk.ch gibt es nicht nur Tipps für Alternativen. Die privaten Initiatoren der Website klären zudem auf über die Folgen der Silvester-Knallerei bei Mensch und Tier. bw

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