Rosenheim – Herbert Borrmann hütet einen kulturellen Schatz. Der 62-Jährige sammelt seit Jahren leidenschaftlich Bilder von Rosenheim. Unentgeltlich digitalisiert und ordnet er alte Fotos, Postkarten und Chroniken von Privatpersonen, Firmen und Fotografen, um sie für die Nachwelt zu erhalten. „Alt“ ist für ihn dabei relativ, denn für den Rosenheimer steht fest: „Geschichte fängt heute an“.
Borrmanns Sammelleidenschaft begann mit einer Postkarte aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts. Darauf zu sehen ist der Gillitzerblock mitsamt Hotel „Deutscher Kaiser“ und Bismarck-Bad“. Sein damaliger Chef entdeckte die Postkarte auf einem Flohmarkt in Stuttgart und kaufte sie, um seinem Abteilungsleiter damit eine kleine Freude zu machen.
Eine Postkarte als
Bildschirmschoner
Herbert Borrmann, CSU-Fraktionsvorsitzender im Rosenheimer Stadtrat, gefiel die Postkarte so gut, dass er sie sofort einscannte und zu seinem Bildschirmschoner machte. Eine Kollegin wurde auf das Motiv aufmerksam und als sie erfuhr, was es damit auf sich hat, brachte sie ihm einige Tage später weitere alte Postkarten mit Rosenheimer Motiven aus ihrem Privatbesitz vorbei.
Borrmann erkannte, dass ein Teil der Rosenheimer Stadtgeschichte in unzähligen Arbeitszimmern, Dachböden und Kellern schlummert und vieles irgendwann verlorengeht, wenn sich nicht jemand für die Erhaltung einsetzt. Darum begann er auch von sich aus auf alteingesessene Rosenheimer Familien, Firmen und Fotografen zuzugehen, um deren Fotobestände durchsehen und digitalisieren zu dürfen. „Mit diesem Wunsch renne ich offene Türen ein“, freut sich Borrmann.
Seine digitale Fotosammlung wächst dementsprechend schnell. Über 32000 Bilder hat er mittlerweile schon auf seinem Computer gespeichert und es werden täglich mehr.
Wann immer er Zeit findet, widmet sich der 62-Jährige seinem Hobby, durchforstet alte Fotoalben, scannt Aufnahme um Aufnahme und ordnet alles in verschiedene Kategorien: Gebäude, Ereignisse, Jahr oder prominente Personen.
Andauernde Faszination
Zu den beliebtesten Motiven in Rosenheim zählen seit Anbeginn der Fotografie Max-Josefs-Platz, Ludwigsplatz, Stadtteilkirche St. Nikolaus und das Mittertor. Unzählige Male hat sie Borrmann schon in seinen Händen gehalten. Die Faszination bleibt: „Der Rahmen ist gleich, aber dennoch verändert sich mit den Jahren unendlich viel. Nehmen wir nur mal den Max-Josefs-Platz. Der war bis in die 80er-Jahre einer der verkehrsreichsten Plätze der Stadt. Heute ist er Fußgängerzone. Außerdem, Geschäfte kommen und gehen, alte Gebäude werden abgerissen und neu erbaut, Mode und Automodelle ändern sich. Darum kann man auch auf Fotos mit diesen Motiven immer wieder Interessantes entdecken.“ Besonders faszinierend findet Borrmann alte Luftbilder: „Darauf sieht man, wie klein Rosenheim lange Zeit war und wie rasant es sich nach den 50er-Jahren entwickelt hat.“
Facebook-Gruppe
mit 800 Mitgliedern
Der Rosenheimer verfolgt mit seinem Hobby keinerlei kommerzielles Interesse. „Mir geht es nur darum, die alten Aufnahmen dauerhaft zu erhalten und für die Allgemeinheit zugänglich zu machen“, betont er. Dank Digitalisierung sei das kein Problem mehr: „Die Technik macht heute vieles möglich. Selbst Kratzer auf Negativen kann man bei der Bearbeitung verschwinden lassen.“
Einen Großteil seiner gesammelten Fotos darf Borrmann öffentlich machen und das tut er auch sehr gerne, beispielsweise in seiner Facebook-Gruppe. Unter den derzeit rund 800 Mitgliedern finden sich rund 40, die gar nicht mehr in Deutschland wohnen: „Die leben mittlerweile irgendwo auf der Welt und freuen sich, durch die Fotos eine Verbindung zu ihrer alten Heimat halten zu können“, meint Herbert Borrmann.
Borrmanns Fotosammlung beginnt mit Aufnahmen Ende des 19. Jahrhunderts. Aber auch Fotos, die erst wenige Jahre alt sind, begeistern den Stadtrat immer wieder. „Man glaubt gar nicht, was sich auch innerhalb eines relativ kurzen Zeitraums alles in der Stadt tut“, sagt er. Ihm fällt da spontan der Kleppersteig ein. 50 Jahre lang war er die einzige Fußgängerverbindung zwischen den Bereichen nördlich und südlich des Rosenheimer Bahnhofs. Im Jahr 2017 wurde er abgerissen. „Damit sind Fotos vom Kleppersteg jetzt schon wieder enorm interessant“, so Borrmann.
„Bausünden gab
es schon immer“
Interessant findet er außerdem, dass sich manches im Leben dann doch wohl nie ändert. „Bausünden gab es schon immer“, schmunzelt er. Aus heutiger Sicht hätte man den für damalige Verhältnisse großstädtischen Gillitzerblock auf keinen Fall genehmigen dürfen, steht für den Stadtrat fest. Auch dass man die Eisenbahnlinie quer durch die Stadt verlegt und den Bahnhof nach nur 20 Jahren an anderer Stelle neu erbaut hat, sei für die Rosenheimer heute nur noch schwer nachvollziehbar. Aber Borrmann ist sich sicher, der Nachwelt wird es wohl mit dem einen oder anderem Bauprojekt unserer Tage ähnlich ergehen.
Der 62-Jährige will auf jeden Fall an seinem Hobby festhalten. „Wenn ich erst einmal im Ruhestand bin, habe ich dafür noch mehr Zeit“, meint er. Darum dehnt er sein Engagement mittlerweile sogar schon auf die umliegenden Gemeinden aus. Irgendwann will er seine digitale Fotosammlung dem Stadtarchiv übergeben.