Polizistin als „Dummerchen“ bezeichnet

von Redaktion

63-jähriger Rosenheimer vor Gericht – Kellnerin springt Angeklagtem zur Seite

Rosenheim – Weil er zweimal in angetrunkenem Zustand in Rosenheimer Lokalitäten auffällig geworden sein soll, musste sich jetzt ein 63-jähriger Obdachloser vor dem Amtsgericht Rosenheim verantworten.

Seit Jahren sieht man den gebürtigen 63-jährigen Bad Tölzer seine Habe in einem Einkaufswagen, den ihm ein Rosenheimer Kaufhaus geschenkt hat, durch Rosenheim schieben. Obdachlos nächtigt er im Sommer gerne am Flussufer – je nach Witterung am Inn- und Mangfalldamm. Dort bekommt er, wie er jetzt vor Gericht berichtete, Anregungen für seine Lyrik. Allerdings ist er auch dem Alkohol zugetan, was ihn immer wieder vor das Amtsgericht in Rosenheim brachte. Der aktuelle Vorwurf: Er habe beleidigt und geschlagen – und zwar in alkoholisiertem Zustand.

Nachdem das Gericht dem Münchner Strafverteidiger Hartmut Wächtler wegen der geringen Straferwartung eine Pflichtverteidigung verweigerte, setzte dieser die Wahlverteidigung fort, obwohl er sich durchaus des Risikos bewusst war, bei den Vermögensverhältnissen des Angeklagten auf Honorar verzichten zu müssen.

Am 19. Juli 2018 war der 63-jährige Angeklagte mit einem anderen angetrunkenen Gast in einem kleinen Biergarten einer Rosenheimer Kneipe aneinandergeraten, wobei er diesem einen Nasenstüber verpasste. Das Tatopfer folgte zwar der Ladung zur Gerichtsverhandlung nicht, aber der 63-Jährige wollte auch nicht ausschließen, dass es zu so einer handgreiflichen Auseinandersetzung gekommen war.

Gänzlich verschieden stellten sich die Beschreibungen einer frühmorgendlichen Auseinandersetzung am 9. September 2018 in einem Lokal in der Innstraße dar. Während der Angeklagte erklärte, er sei von einem Gast vom Barhocker zu Boden gestoßen worden, berichteten zwei weibliche Gäste – Mutter und Tochter – dass der Angeklagte die Mutter beleidigt, bedroht und geohrfeigt hätte. Die Tochter bestätigte die Aussagen der Mutter.

Während der Verhandlung stellte sich jedoch heraus, dass die Mutter sich widersprechende Situationen schilderte, die sie unmöglich wahrgenommen haben konnte. Die Bedienung des Lokals erklärte als Zeugin, dass in dieser Angelegenheit die Aussage des Angeklagten zuträfe.

Als schließlich die Polizei dazu kam und dem Angeklagten auf Wunsch der Wirtin einen Platzverweis erteilte, erklärte der 63-Jährige einer Polizistin im Rauschzustand: „Du Dummerchen hast mir gar nichts zu befehlen.“ Was diese als Beleidigung registrierte und zur Anzeige brachte.

Der Staatsanwalt, der sich – wie andere Beteiligte – hin und wieder ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, erklärte, dass der Angeklagte im Falle der frühmorgendlichen Streitigkeiten wohl freizusprechen wäre. Wegen der Auseinandersetzung im Biergarten und der Beleidigung gegenüber der Polizistin solle aber eine sechsmonatige Haftstrafe ausgesprochen werden, die man zur Bewährung aussetzen könne.

Verteidiger plädiert
für kleine Geldstrafe

Der Verteidiger Rechtsanwalt Hartmut Wächtler setzte sich vehement für das Rosenheimer Original ein. Weil der angeblich Geschädigte aus dem Biergarten gar nicht als Zeuge angetreten war sei der Vorfall letztlich nicht bewiesen. Den zweiten, frühmorgendlichen Vorfall habe sogar der Staatsanwalt als Freispruch gewertet.

Bleibe also lediglich die Beleidigung gegen die Polizistin, die letztlich mit einer kleinen Geldstrafe zu belegen sei. Dazu erklärte der Verteidiger, dass ein „souveräner Beamter“ die Bezeichnung „Dummerchen“ vielleicht einfach überhört hätte.

Die Richterin erklärte, eine Strafe müsse erfolgen, da in den beiden Fällen ein entsprechendes Geständnis erfolgt sei. Sie beließ es allerdings bei einer Geldstrafe von achtzig Tagessätzen zu je fünf Euro.

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