Spiegelbilder mit Idealen

von Redaktion

OVB-Serie „Kunst im öffentlichen Raum“ – Folge 121: „Fünf Silhouetten“

Rosenheim – Fünf menschliche Silhouetten, ausgeschnitten aus verzinktem Stahlblech und auf hohe Granitstelen montiert: Sie stehen In der Schmucken, unweit des Klinikums, und ihre unterschiedlichen Armhaltungen geben den Figuren dynamischen Schwung.

Geschaffen hat das Skulpturenensemble der Bildhauer Rudl Endriß, der hier demonstriert, wie Minimalismus durch Variationen vielfältig wirkt. Eigentlich fehlt den Figuren jeweils der zweite Arm, aber weil die Silhouetten gespiegelt auf Vorder- und Rückseite der Stelen angebracht sind, ergänzen sie sich optisch zu vollständigen Gestalten. Da zudem zwei Stelen niedriger sind, ergibt sich eine Wellenbewegung, unterbrochen durch den Granitwürfel mit dem eingravierten Namen der Spender, dem „Rotary Club Rosenheim Innstadt“.

Große Auswahl
in Söchtenau

Auslöser war die Landesgartenschau 2010 in Rosenheim. Als die Stadt Rosenheim gesellschaftliche Gruppen und Vereine aufforderte, sich einzubringen, fühlten sich die Rotarier Rosenheim Innstadt angesprochen. „Wir wollten ein eigenständiges Projekt, das auch nach der Landesgartenschau noch Bestand hat, etwas von Wert und Sinn“, schildert Rechtsanwalt Anton Mertl die damaligen Überlegungen.

Clubmitglied Professorin Karin Rabausch brachte den Bildhauer Rudl Endriß ins Spiel, dessen Kunstwerke vielfach im öffentlichen Raum in und um Rosenheim Akzente setzen. Der Vorschlag wurde positiv aufgenommen, und eine Abordnung der Rotarier fuhr ins Gewerbegebiet von Söchtenau, wo der Künstler auf einem Freigelände und in diversen Atelierräumen eine reiche Auswahl seiner Werke präsentieren kann.

Schließlich fiel die Wahl auf die fünf Stelen mit den Silhouetten. Allerdings sollten in die Granitstelen zehn zentrale Begriffe der Rotarier eingraviert werden, jeweils einer auf Vorder- und Rückseite jeder Stele. Für die Begriffe kam eigens ein Ausschuss zusammen. So sind jetzt von links nach rechts diese fünf Wortpaare zu lesen: Freundschaft und Gerechtigkeit, Goodwill und Humanität, Wahrheit und Begegnung, Aufrichtigkeit und Gemeinschaft, Fairness und Dienen. Diese Begriffe gehören zu den Leitlinien der Rotarier, deren Motto „Selbstlos dienen“ lautet, erläutert Anton Mertl.

Rudl Endriß spielt gerne mit Worten, hinterfragt ihren Sinn, durchleuchtet sie durch Kombination und Gegenüberstellung ironisch. Auf seinen „Wortsteinen“ demonstriert der Bildhauer sein humorvolles Spiel.

Werke mit Humor
und Hintersinn

Bei den Worten auf den Stelen In der Schmucken spürt man sofort, dass diese Begriffe nicht von Rudl Endriß stammen. Es fehlt ihnen Humor, Witz und Hintersinn. Sie spiegeln trocken das amerikanische Gedankengut der Rotarier.

Es stellte sich die Frage, wo das Ensemble aufgestellt werde sollte. Man dachte an das Bahnhofsgelände, der Vorschlag wurde verworfen, da die Stelen dort wegen der bereits geplanten Neugestaltung bald wieder entfernt worden wären. Den von den Rotariern vorgeschlagenen Riedergarten lehnte wiederum die Stadt Rosenheim ab; sie bot den Standort In der Schmucken an, wo während der Landesgartenschau eine wichtige Wegeverbindung zwischen Mühlbachbogen und Mangfallpark entlangführte. Mittlerweile haben sich die Wege verlagert, und so stehen heute die „Spiegelbilder“ von Rudl Endriß an einer wenig prominenten Stelle.

Der Künstler

„Spiegelbilder“, fünf Stelen, Granit und verzinktes Stahlblech, 2010; Granit-Stelen: Höhe dreimal 300 Zentimeter, zweimal 250 Zentimeter, Breite und Tiefe je 20 Zentimeter; Menschensilhouetten: Höhe circa 160 Zentimeter; Granitwürfel mit dem Logo der Rotarier, dem Zahnrad mit der Inschrift „Rotary International“, sowie Plakette „Rotary Club Rosenheim Innstadt“; In der Schmucken. fie

Das Werk

Rudl Endriß, 1943 in München geboren, studierte in Pasing Pädagogik sowie Naturwissenschaften und Kunst an der Ludwigs-Maximilians-Universität München. Von 1970 bis 1987 war er Lehrer an der Staatlichen Fachlehrerausbildung in München-Ramersdorf, von 1987 bis 2006 Akademischer Direktor und Dozent für plastisches Gestalten an der Hochschule Rosenheim. Zwischen 1986 und 1995 übernahm Endriß auch die Ausstellungsarchitektur für das Haus der Bayerischen Geschichte: Seit den 1960er-Jahren schuf er freie künstlerische Arbeiten. 2014 erhielt Endriß den Kulturpreis des Landkreises Rosenheim. Der Künstler, dessen Arbeiten vielfach auf Ausstellungen und im öffentlichen Raum präsent sind, lebt und arbeitet in Söchtenau. Künstlerisch vertreten ist er im Landkreis unter anderem in Prutting, in der Endorfer Therme und im Kloster Seeon.

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