Wie für St. Michael gemacht

von Redaktion

OVB-Serie „Kunst im öffentlichen Raum“ – Folge 122: „Passion auf Holz“

Rosenheim – Eine ängstlich gekrümmte Gestalt als weiße Silhouette vor einem Holzhintergrund, Hände und Füße in Blutrot – so stellt Jörg Länger Christus bei seiner Gefangennahme auf dem Ölberg dar. Die Konzentration liegt ganz auf dieser einsamen Person, die durch zwei Seile gefesselt ist, die an den Händen und an einem ebenfalls blutroten Gürtel ansetzen. Doch die Seile hängen durch, sind nicht gespannt, was sie wären, wenn jemand außerhalb des Bildes mit Kraft daran ziehen würde. So ergibt sich der Eindruck, dass Christus bei allem Zögern, bei aller Angst vor dem bevorstehenden Leidensweg und dem unausweichlichen Tod dennoch freiwillig folgt.

Konzentration
in den Farben

Konzentration liegt auch in den Farben. Das intensive Rot verweist auf das Blut der Passion. Für das reine Weiß, das Christus als Lichtgestalt und unschuldiges Opferlamm verdeutlicht, verwendet Länger den sogenannten Gesso als Malfarbe. Diesen Kreidegrund setzten die alten Meister zur Grundierung des Malgrundes ein.

Und noch etwas entlehnt Länger aus der Tradition. Nach einer persönlichen Schaffenskrise um das Jahr 2000 entwickelte er das Konzept des „Protagonisten“, des Hauptdarstellers, in seinen Bildern. Aus den Werken bedeutender Künstler entnimmt er die Vorlagen für seine Figuren.

Diese Figuren müssen prägnant und ausdrucksstark sein, um ein Thema tragen zu können. Sie müssen sich aber auch durch eine bewegte Umrisslinie auszeichnen, da Länger keine Binnenzeichnung zulässt. In den Bildbänden seiner reichhaltigen Kunstbibliothek findet Länger, der durch das Studium in Ottersberg bei Bremen mit der Anthroposophie des Rudolf Steiner vertraut wurde, die nötigen Anregungen.

„Hausbuchmeister“
als Vorlage

Für den Auftakt der „Passion auf Holz“ in der Rosenheimer Kirche St. Michael, die er in den Jahren 2007 und 2012 geschaffen hat, entnahm Länger die Gestalt Christi vom sogenannten „Hausbuchmeister“. Der namentlich nicht bekannte Künstler, der vor allem am Mittelrhein tätig war, schuf um 1480 die figurenreiche Darstellung „Christus vor Kaiphas“, die sich heute im Augustinermuseum Freiburg befindet.

Länger gibt auf seiner Homepage (laenger.com) und in Begleitpublikationen die Quellen seiner Protagonisten an. Die Suche nach ihnen wäre sonst sehr mühsam, wenn nicht unmöglich.

Ursprünglich sollten die neun Passionsszenen nur während der Fastenzeit 2018 die moderne Rundkirche an der B15 bereichern. Doch da nicht nur Pfarrer Sebastian Heindl das Empfinden hatte, dass die Bilder wie für St. Michael gemacht erscheinen, blieben sie schließlich als Leihgabe des Künstlers hängen, der bereits 2005 mit einer Ausstellung im Dombergmuseum Freising die bayerischen Freunde von sakraler Kunst auf sich aufmerksam gemacht hatte.

„Wir haben dem Künstler gesagt, dass uns seine neun Passionsbilder hervorragend gefallen und dass sie auch ganz wunderbar in den Raum von St. Michael passen und ihn bereichern. Wir können uns aber die Bilder nicht leisten. Herr Länger stimmte zu, sie einstweilen hängen zu lassen und wir sollten bis zum Sommer Spenden dafür sammeln. Was dann bis dahin zusammengekommen ist, das akzeptiert der Künstler als Kaufpreis. So geschah es. Und heute gehören die Bilder uns. Worüber wir uns natürlich sehr freuen.“ So schildert Pfarrer Sebastian Heindl das Geschehen anlässlich des Festgottesdienstes zum 40-jährigen Jubiläum des Kirchenbaus von St. Michael am 9. Dezember, als die Passions-Bilder feierlich übergeben wurden.

Private Spenden
hätten nicht gereicht

Da die privaten Spenden doch nicht gereicht hätten, unterstützte Alfons Maierthaler, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Rosenheim-Bad-Aibling, den Ankauf mit einem kräftigen finanziellen Zuschuss durch die Sparkassenstiftung.

Die ergreifenden Bilder der „Passion auf Holz“ machten vor Rosenheim schon Station in Hamburg, Meißen, Dachau und Bamberg. Über Dachau ergab sich dann auch der Kontakt nach Rosenheim. Ludwig Schmidinger, Pastoralreferent an der KZ-Gedenkstätte, präsentierte 2013 Längers Zyklus in der dortigen Versöhnungskirche.

Während der Vorbereitung für die Ausstellung traf Schmidinger auf einem Seminar in Traunstein den Rosenheimer Pfarrer Sebastian Heindl, der neben Christkönig und Fürstätt auch zuständig für St. Michael ist, und erzählte ihm davon. Heindl wurde neugierig auf diesen Künstler, der damals schon seinen Lebensmittelpunkt aus Norddeutschland in den Chiemgau verlegt hatte. So ergab sich der Kontakt und so reifte die Idee für eine Ausstellung in St. Michael.

Leid und
Erlösung

Pfarrer Sebastian Heindl freut sich schon, wenn er in der Fastenzeit die ausdrucksstarken Motive des Leidens, aber auch der Erlösung in seinen Predigten aufgreifen kann. Leid und Erlösung, Mystik und geistige Erkenntnis, Christus und Glaube, das sind auch zentrale Begriffe im Schaffen von Jörg Länger, dem Künstler-Philosophen aus dem protestantischen Norden, dessen Passions-Zyklus sich wunderbar in die katholische Rundkirche St. Michael fügt.

Das Werk

Jörg Länger, 1964 in Westberlin geboren, studierte von 1982 bis 1985 Geistes- und Religionswissenschaften mit den Schwerpunkten evangelische Theologie und Philosophie an der Freien Universität Berlin. 1986 bis 1990 Kunststudium an der HKS Ottersberg, private Hochschule für Künste im Sozialen. Seit 1990 freier Künstler in den Bereichen Malerei, Glaskunst, Installation und Performance. Jörg Länger lebt und arbeitet seit 2017 in der Gemeinde Rohrdorf. fie

Der Künstler

„Passion auf Holz“, neunteiliger Zyklus mit den Motiven Gefangennahme, Geißelung, Dornenkrönung, Kreuztragung, Kreuzigung, Kreuzabnahme, Grablegung, Auferstehung und Himmelfahrt; verleimtes Schichtholz, Gesso, Ölfarbe und Mischtechnik, 2007 und 2012, jeweils 150 mal 150 Zentimeter, Eisenrahmen; Kirche St. Michael, Westerndorfer Straße 43.

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