Rosenheim – Kinder müssen ab sofort gegen Masern geimpft sein, sofern sie in Gemeinschaftseinrichtungen betreut werden. Das hat der Bundestag vergangenes Jahr entschieden (wir berichteten). Wer dagegen verstößt, dem drohen der Verlust des Betreuungsplatzes und Bußgelder von bis zu 2500 Euro. Seit 1. März ist das Gesetz bundesweit gültig. Auch im Raum Rosenheim – der Region, die bei Durchimpfungsraten das Schlusslicht der Statistik bildet.
In einer Auswertung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit über den Impfschutz der bayerischen Einschulungskinder zum Schuljahr 2016/2017 landete Rosenheim auf dem letzten Platz. Ab sofort wird zumindest ein fehlender Masernschutz nicht mehr folgenlos bleiben. Nach Auskunft von Ina Krug, Sprecherin im Landratsamt Rosenheim, müssen Eltern von Kindern ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, nun einen Nachweis erbringen, dass ihr Kind geimpft ist.
Bestehende Übergangsfristen
Unbedingt erforderlich ist dieser Nachweis für Kinder, die ab sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt neu betreut werden. Übergangsfristen gibt es für Kinder, die bereits Betreuungsangebote besuchen (siehe Infokasten).
Mojdeh Mastouri (41), Leiterin des integrativen Hauses für Kinder der Arbeiterwohlfahrt in Rosenheim, sieht das Gesetz eher gelassen. „Unser Träger hat uns sehr gut informiert, sodass sich unser administrativer Mehraufwand in Grenzen hält.“ Bei den Eltern stelle sie im Moment keine Diskussionen fest. Außerdem gebe es in ihrer Einrichtung nur ganz wenige Kinder, die noch nicht geimpft sind. Mastouri: „Deren Eltern sind sich aber auch der Konsequenzen bewusst.“
Auch in reformpädagogischen Einrichtungen scheint sich die Skepsis gegenüber der neuen Vorgaben in Grenzen zu halten. Sabine Paulig (61), Leiterin des Waldorfkindergartens „Das Samenkorn“ in Rosenheim, sagt: „Wir haben die Eltern, die ihr Kind neu anmelden möchten, über die Vorgaben informiert.“ Sie wisse von nur einer Familie, die ihre Kinder nicht impfen lassen will.
Doch auch wenn die Impfpflicht in der Region bislang scheinbar nahezu geräuschlos abläuft – es gibt Eltern, die ihre Kinder nicht impfen lassen wollen. Bettina R. (27) und Johanna A. (29) besuchen regelmäßig einen Stammtisch zum Thema Impfkritik. Für sie ist die Impfpflicht ein Eingriff in ihre Grundrechte: „Mir geht es in erster Linie darum, dass ich entscheiden möchte, wenn es um mein Kind geht. Dass ich die Masernimpfung selbst kritisch sehe, kommt erst danach“, sagt etwa Bettina R. Rund 100 Familien nehmen an diesem Stammtisch im Landkreis teil, berichtet die 27-Jährige. „Viele sind vor große Probleme gestellt, da sie ihr Kind nicht impfen lassen möchten und nun nicht mehr betreuen lassen können.“ Die Kinder von Bettina R. und Johanna A. sind noch klein und werden erst in ein paar Jahren auf die Schule gehen. Sie hoffen bis dahin auf eine Verfassungsbeschwerde von Impfgegnern.
Auch Betreuer betroffen
Vor ihrer Elternzeit hat Johanna A. selbst in einer Einrichtung gearbeitet, die sich um Kinder und Jugendliche kümmert. Doch nicht nur die Kinder, auch die Erwachsenen in den Einrichtungen sind von der neuen Gesetzgebung betroffen. Auch Mitarbeiter von Einrichtungen, die in der Flüchtlingsbetreuung oder in medizinischen Einrichtungen, müssen ab 1. März den Nachweis erbringen, geimpft zu sein. Gleiches gilt für Ehrenamtliche und Praktikanten.
Angst, dass es nun zu Engpässen beim Impfstoff geben könnte, müssen Eltern, die ihre Kinder impfen lassen wollen, nicht haben. Nach Information von Dr. Axel Heise, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern, ist Impfstoff ausreichend vorhanden.
Was viele Eltern nicht wissen: In Deutschland werden nur Kombinationspräparate angeboten, die neben Masern auch Schutz vor Mumps und Röteln bieten. Hintergrund sei eine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko), wie Ina Krug erklärt.