Rosenheim – Das Leben in der Stadt ist über weite Strecken zum Stillstand gekommen. Wer sein Geld mit der Mobilität verdient, hat es schwer während der Corona-Krise. Das gilt insbesondere auch für die Rosenheimer Taxifahrer. Seit die Ausgangsbeschränkung greift, bleiben die Fahrgäste aus. Und auf einmal hängen Existenzen am seidenen Faden.
Sonja Neumayr ist selbstständige Taxi-Unternehmerin. Für sie arbeiten 22 Fahrer, die die Stadt und den Landkreis bedienen. Alle arbeiten in Teilzeit, sind aber festangestellt. Bis die Krise kam und mit ihr die Ausgangsbeschränkung lief das Geschäft. Leicht war es nie, doch Sonja Neumayr hatte sich einen guten Mix erarbeitet.
Krankenfahrten
im Portfolio
Zum Angebot gehörten nicht nur die klassische Taxifahrt, sondern auch der Transport von Kranken. Seit vergangenem Samstag aber gibt es kaum Kunden mehr, die mal schnell von A nach B gebracht werden wollen, weil es eilt, weil es bequem ist. Nachts, sagt Sonja Neumayr, fällt das klassische Taxigeschäft mittlerweile ganz weg. Niemand geht mehr aus, seit Bars und Restaurants geschlossen sind.
Was bleibt, sind die Krankenfahrten. Patienten, die zur Chemotherapie gebracht werden müssen, zur Bestrahlung, zur Dialyse. Fahrgäste, die zum Teil im Rollstuhl sitzen oder nur liegend transportiert werden dürfen. Schwerkranke Menschen – die deshalb ganz besonders gefährdet sind, sich mit dem Corona-Virus zu infizieren.
Sonja Neumayrs große Sorge: Sie fürchtet, dass in Kürze das notwendige Material nicht mehr zu bekommen ist, um Fahrgästen und Fahrern den nötigen Schutz zu bieten. „Einen Tag habe ich allein dafür gebraucht, um irgendwo in ganz Deutschland einen Händler zu finden, der mir ein Desinfektionsmittel liefern kann“, sagt sie. Noch hat die Taxi-Unternehmerin einigen Vorrat. Doch allzu lange wird der nicht mehr reichen. Wenn alles aufgebraucht ist, ist auch Schluss mit den Krankenfahrten. Was das dann bedeutet, daran mag Sonja Neumayr nicht denken.
Derzeit sichern die Krankenfahrten das Überleben ihres Unternehmens. Drei bis vier Monate könne das gutgehen, schätzt sie. Schon jetzt hat sie für einen Großteil ihrer Fahrer Kurzarbeitergeld angemeldet. Ab April soll es ausbezahlt werden. Auch über einen Antrag auf Soforthilfe denkt sie nach. Doch ob das genügen wird? „Man macht sich schon einen sehr großen Kopf. Ich will niemandem kündigen, da hängen Familien dran“, sagt sie. Das Schlimmste aber sei, dass man nicht wisse, „wie lange es dauert“. Sie meint damit die Corona-Pandemie.
Die Stadt Rosenheim hat 46 Taxilizenzen vergeben. Die Zahl der Wagen aber, die auf den Straßen der Stadt unterwegs sind, ist in den vergangenen Tagen deutlich geschrumpft. Das zumindest ist der Eindruck von Sefer Venedikoglu. Seit 13 Jahren ist er Vorsitzender der genossenschaftlich organisierten Funktaxi-Zentrale „Edelweiss“, zu der 27 Fahrzeuge gehören.
AST: Nur noch
zwei Fahrgäste
Auch er spürt, dass der Druck zunimmt, obwohl zu seinem Portfolio Kranken- und Versorgungsfahrten ebenso gehören wie das Anrufsammeltaxi, hinter dem die Stadtwerke als Aufwandsträger stehen, und Lokführerfahrten für die bayerische Oberlandbahn. Die Genossenschaft kann also mit fixen Einnahmen rechnen. Allerdings werden die Umstände schwieriger: Viele Krankenfahrten sind weggebrochen, Dialyse-Patienten dürfen nur noch einzeln gefahren werden. Im Anrufsammeltaxi können ab sofort lediglich zwei Fahrgäste mitgenommen werden.
Um zumindest den Schutz vor dem Corona-Virus zu verbessern, hat Venedikoglu jetzt ein professionelles Desinfektionsgerät angeschafft, mit dem die Fahrer ihre Wagen desinfizieren können. Im großen Stil, innen und außen. Natürlich weiß er, dass der Virus in erster Linie über die sogenannte Tröpfcheninfektion übertragen wird. Doch sicher ist sicher. All die Vorkehrungen und neuen Verordnungen aber kosten Zeit und Geld. Venedikoglu schätzt die Einbußen der Genossenschaft derzeit auf etwa 10000 Euro pro Monat. Und auch ihn quält die Frage: Wie lange dauert Corona?
Wie schwierig die Lage ist, zeigt ein Blick in den Großraum München. Dort hat sich die Zahl der Taxis von 3500 Taxis auf 300 reduziert, meldet Thomas Kroker, der Vorstand der „Taxi München e.G.“, der künftige Vorsitzende des Landesverbandes bayerischer Taxi- und Mietwagenunternehmen. Grund dafür: Das Fahrgastaufkommen ist während der Corona-Krise auf fünf bis acht Prozent zurückgegangen. Viele Taxler haben den Antrag gestellt, die Betriebspflicht auszusetzen, die für sie nach dem Personenbeförderungsgesetz gilt.
Doch einige fahren weiter. Einfach daheim zu bleiben aus Angst vor Ansteckung ist nämlich nicht möglich: In Deutschland gilt eine Beförderungspflicht, Fahrten mit dem Taxi gehören demnach zur Daseinsvorsorge. Wer aufgrund des Alters und/oder von Vorerkrankungen zur Corona-Risikogruppe gehört und seinen Taxi-Dienst aussetzen möchte, dem bleibt lediglich das Gespräch mit dem Arbeitgeber. Und er muss wissen: Wird er freigestellt, gibt es keinen Lohn mehr.
Eine schwierige Situation also, für alle Beteiligten. Zwar ist der Arbeitgeber verpflichtet, seinen Arbeitnehmer zu schützen. Doch in vielen Taxis fährt trotzdem die Angst mit – allein schon, weil es eigentlich unmöglich ist den vorgeschriebenen Sicherheitsabstand von 1,5 Metern einzuhalten.
Händewaschen
ist Pflicht
Auch so manchen Fahrgast wird ein mulmiges Gefühl beschleichen, wenn er sich ein Taxi bestellt. Wie man sich als Passagier schützen kann, hat der ADAC zusammengefasst: Wer augenscheinlich krank ist, sollte den Fahrer darauf hinweisen, dass es sich um keine Corona-Infektion handelt. Vor und nach der Fahrt ist Händewaschen Pflicht.
Im Wagen selbst sollte der Fahrgast hinten rechts sitzen, um auf diese Weise einen größtmöglichen Abstand zu wahren. Wer kann, sollte eine Atemmaske tragen. Gespräche sind möglichst zu vermeiden, ebenso wie der Kontakt mit Münzgeld. Wer kann, sollte bargeldlos zahlen. Oder aufrunden und dem Taxifahrer auf diese Weise ein Trinkgeld geben, rät der Automobilclub.