Bäckereien im Umsatztief

von Redaktion

Wegen der Corona-Krise gerät die Branche unter Druck – Geschäftsaufgaben möglich

Rosenheim – „Die Handwerksbäcker brauchen derzeit dringend die Unterstützung durch ihre Kundschaft.“ Der eindringlich formulierte Appell von Wolfgang Sattelberger, dem Obermeister der Bäckerinnung, verwundert zunächst. Denn nach dem subjektiven Gefühl des Kunden läuft das Geschäft in den Bäckereien trotz Corona. Doch auch die wahrscheinliche Absage des Herbstfestes brächte so manchen in Bedrängnis.

Verluste sorgen
für Kettenreaktion

Wer wegen der Einlassbeschränkungen in einer Schlange vor dem Laden steht, kommt nicht gleich darauf, dass der Umsatz der Bäckereien zurückgegangen sein könnte. Und doch ist es so, denn auch bei den Bäckereien zeigt sich, dass die wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Krise nie isoliert zu sehen sind, sondern immer eine Kettenreaktion nach sich ziehen: Mit dem Stillstand der Gastronomie, so erklärt Wolfgang Sattelberger, ist für viele Bäckereien eine wichtige Einnahmequelle weggebrochen: Er zum Beispiel habe zwölf Gastwirtschaften, drei Hotels und zwei Betriebskantinen beliefert, die quasi über Nacht ausgefallen seien.

Nur selten noch
Kaffee-Verkauf

Nicht weniger schlimm sei die Tatsache, dass in den Bäckereien der Kaffee-Bereich so gut wie völlig zum Erliegen gekommen sei. „Für 90 Prozent der Bäckereien“, sagt der Innungsobermeister, „war das Kaffee-Geschäft ein wichtiges Standbein, das nun fast völlig fehlt, denn der Verkauf von ,Kaffee to go‘ kann die Einbußen nicht ausgleichen“. In solchen Betrieben müsse man den Umsatzverlust im Schnitt bei gut 60 Prozent festmachen.

Doch auch in Bäckereien, die kaum Kaffeebetrieb hatten, sind deutliche Umsatzrückgänge spürbar. Matthias Wolter zum Beispiel, der die Feinbäckerei Wolter in der Rosenheim Innenstadt betreibt, beziffert seinen Umsatzrückgang auf etwa vierzig Prozent. Dabei ist er vergleichsweise gut aufgestellt. Zu Anfang der Ausgangsbeschränkung hatte sein Sohn Krankheitssymptome gezeigt, die sich in der Folge glücklicherweise nur als normale Erkältung herausstellten. Trotzdem habe man sicherheitshalber den Betrieb eine Woche geschlossen. „Eine Zeit, die wir „nutzen konnten, um ihn ‚Corona-tauglich‘ zu machen“, sagt Matthias Wolter.

Strenge Regeln
für den Einlass

So hat er für die Bezahlung ein Kartenlesegerät angeschafft, die Abholung vorbestellter Ware vom „normalen“ Geschäft getrennt und vor dem Laden ein Gerät montiert, bei dem Nummern zu ziehen sind. Weil auf einem Display neben der Eingangstür die Nummer des Kunden zu sehen ist, der im Laden gerade bedient wird, können die Wartenden abschätzen, wann sie selbst drankommen.

Die Kunden schätzen diesen Service, was nichts am Umsatzrückgang ändert: Um im Falle einer Infektion in der Belegschaft nicht den ganzen Betrieb schließen zu müssen ist man auch bei Wolter – wie in fast allen anderen Betrieben – zu einem Zweischichtsystem übergegangen. Die Kehrseite der Medaille: Um mit dem vorhandenen Personal einen Schichtbetrieb durchführen zu können, sind die Öffnungszeiten reduziert, nachmittags hat die Bäckerei nun geschlossen.

Für Matthias Wolter gehören all diese Maßnahmen im Prinzip zum normalen Alltag eines Betriebsinhabers. „Der ist immer wie ein Kapitän, der möglichst vorausschauend zu fahren und allen Untiefen auszuweichen versucht. Erst dann zu handeln, wenn das Schiff bereits ein Leck hat, wäre die schlechteste Option.“

Doch die Lage ist misslich: Helfen soll die finanzielle Unterstützung durch die Staatsregierung. Der Haken dabei: Wie Wolfgang Sattelberger sagt, ist bei den Bäckereien bislang von den beantragten Soforthilfen nichts angekommen. „Der April wird gerade so zu überstehen sein“, sagt er, „im Mai aber muss das Geld fließen, sonst wird es wirklich eng. Und sollte sich die gegenwärtige Situation bis in den Sommer oder gar Frühherbst hineinziehen, dann müssten die Beträge, die derzeit in der Größenordnung von 15000 Euro bis 30000 Euro liegen, wohl mindestens verdoppelt werden.

Soforthilfe bringt
kaum Entlastung

Manche, wie Christian Bauer von der Bäckerei Bauer, die in der Stadt zwölf Filialen betreibt, sehen die Zukunft auch dann noch skeptisch: Selbst bei einer Verdoppelung der finanziellen Hilfe sei das auf diesen Zeitraum gesehen nur ein Tropfen auf dem heißen Stein, der nicht wirklich helfe: „Das verpufft einfach.“ Seine Prognose ist deshalb nicht wirklich optimistisch: „Man muss davon ausgehen, dass trotz der Unterstützungsmaßnahmen nicht alle Bäckereien überleben werden.“ Besonders schlimm für ihn wäre, wenn das Herbstfest ausfallen würde. Denn Bauer beliefert die Veranstaltung, insbesondere die Auerbräu-Festhalle. Er hat vor dem Festzeltgelände zudem eine Filiale, die normalerweise zur Herbstfestzeit ebenfalls deutlich erhöhte Umsätze macht.

Verluste aufgrund
von Fest-Absagen

Zum möglichen Ausfall des Rosenheimer Herbstfestes kommt, nach seiner Aussage, hinzu, dass viele kleinere Feste ausfallen werden: Maibaumaufstellen, Vatertag, Seefeste, Christi Himmelfahrt, Feuerwehrfeste, Vereinsfeste – das sind alles Ereignisse, die den Bäckereien vor Ort normalerweise gute und wichtige Umsätze bescheren.

Bauer spricht von einem mittleren fünfstelligen Betrag, der ihm allein durch den Wegfall solcher Veranstaltungen in diesem Jahr fehlen könnte.

Hoffnung auf
Rückkehr der Kunde

Wenigstens haben die Bäckereien nicht die Sorge, die viele andere kleine Geschäfte umtreibt: ob nach dem „Lockdown“ die Kunden auch zurückkommen werden oder endgültig an den Internethandel oder im Fall der Bäckereien an die Discounter verloren sind. „Unsere Kunden kommen zurück“, da ist sich Matthias Wolter sicher.

Obermeister Wolfgang Sattelberger aber wünscht sich, die Kunden in den Bäckereien in Rosenheim würden gar nicht erst ausbleiben, und es geht dabei, nach seiner Aussage, durchaus um jeden einzelnen und auch um vermeintlich kleine Einkäufe.

Eine Frau habe es kürzlich in einem Leserbrief an die Heimatzeitungen auf den Punkt gebracht: „Wenn wir fortfahren, unser Brot selbst zu backen“, so schrieb sie, „dann werden wir in Zukunft nur noch selber backen.“

Landes-Innungsverband: Finanzielle Belastung steigt

Mit Sorge blickt auch der Landes-Innungsverband für das bayerische Bäckerhandwerk auf die Situation. Der Verband vertritt die Interessen von 51 Bäcker-Innungen auf Kreisebene und rund 2400 Handwerksbäckereien mit rund 7600 Verkaufsstellen in ganz Bayern: Nicht nur viele Kunden blieben weg, die finanzielle Belastung währende der Corona-Krise sei auch deshalb so groß, weil Lohnkosten, Mieten und Kredittilgungen ungehindert weiterliefen und die Betriebe „extrem belasten“, teilt der Verband mit. „Spurlos“ gehe das an keinem Betrieb vorbei, allerdings kämen ihnen „die familiären Strukturen, die Regionalität und der Zusammenhalt unter den Bäckern“ noch immer zugute. Insofern sei die Versorgung mit dem täglichen Brot gesichert, teilt der Verband mit – auch, wenn gerade in Touristenorten mit Einbußen von bis zu 60 Prozent zu rechnen sei. Produktion und Verkauf fänden auf regionaler Ebene statt, mit kurzen Transportwegen und regionalen Versorgungsketten. Die Rohstoffe kämen über die eigene BÄKO-Genossenschaft, vom nächstgelegenen Müller oder örtlichen Bauern. Das trage dazu bei, die nachhaltige Versorgung der Bevölkerung mit heimischen Produkten zu sichern, die Umwelt zu schonen und die Corona-Krise gebietsmäßig einzudämmen.

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