Rosenheim – Es ist ausgekartelt. Abseits der großen Corona-Debatten haben sich in Rosenheim all jene politischen Akteure verständigt, die künftig die Entscheidungen treffen werden. Wer mit wem wofür – das steht nun fest. Einige Überraschungen sind durchaus dabei.
Nach 18 Jahren im Amt geht Gabriele Bauer (CSU) Anfang Mai in Ruhestand. Ihr Nachfolger ist Andreas März (47), ebenfalls von der CSU. Für ihn wird der Start nicht leicht: Die Aufgaben, die nach Corona auf die Stadt zukommen, sind gigantisch. Die Hürde dabei: Im Gegensatz zu Bauer kann sich März nicht so ohne Weiteres auf eine absolute Mehrheit verlassen: Fünf Sitze hat die CSU bei der Stadtratswahl verloren, verfügt nun über 16 der 44 Plätze.
Bündnispartner für
neue Mehrheiten
Das tut weh – und verlangt, will man seine politische Agenda durchbringen, die Suche nach verlässlichen Bündnispartnern. Zumal die Meinungsbildung im Gremium aufwendiger geworden ist, weil der Wähler mit AfD und „Bürger für Rosenheim“ zwei Gruppierungen in den Stadtrat gewählt hat, die bisher nicht vertreten waren.
Sozialdemokraten
sind auch dabei
Dass die CSU und mit dem einzigen und neuen FDP-Stadtrat Lars Blumenhofer zusammengefunden hat, mag nicht so sehr überraschen. Dass aber die SPD-Fraktion diesem Bündnis ebenfalls angehört, ist doch ein Paukenschlag. Auch deshalb, weil die SPD nicht als Sieger geglänzt hatte bei der Oberbürgermeisterwahl: Kandidat Robert Metzger landete mit elf Prozent der abgegebenen Stimmen auf Platz vier, hinter Christine Degenhart (Freie Wähler/UP), die 11,7 Prozent holte. Ähnlich schlecht das Abschneiden bei der Stadtratswahl, wo die Sozialdemokraten drei Sitze hergeben mussten und sich nun mit fünf statt bisher acht Sitzen begnügen müssen. In Summe aber geht die Rechnung auf: 16 Sitze der CSU, ein Sitz der FDP sowie die fünf Sitze der SPD und die Stimme des Oberbürgermeisters ergeben eine absolute Mehrheit von 23 Stimmen.
Ihren Zusammenschluss verstehen die Bündnispartner als „Auftrag für eine sozial, liberal und bürgerlich geprägte ‚Rosenheim-Kooperation‘“, wie sie in einer gemeinsamen Presseerklärung schreiben. Man habe viele Gespräch geführt, beraten und diskutiert – und am Ende habe sich „die vorliegende Kooperation als jene herrausgestellt, die sich den Herausforderungen der kommenden Jahre mit dem höchsten Maß an Kompetenz, Verlässlichkeit und Stabilität stellen wird“.
Innerhalb der CSU-Fraktion wird Herbert Borrmann (61) Fraktionsvorsitzender bleiben. Man wünsche sich eine verlässliche Größe in stürmischer Zeit, heißt es dazu. Anders bei der SPD: Wie berichtet, übernimmt Abuzar Erdogan (26) den Fraktionsvorsitz von Robert Metzger (56). Dass der diese Aufgabe nach fast einem Jahrzehnt nicht gerne aufgibt, ist ihm am Telefon durchaus anzumerken. Metzger, seit 32 Jahren SPD-Mitglied, blickt verhalten auf das neue Bündnis: Es sei eine „schwierige Entscheidung“, aber man könne auch einmal „einen anderen Weg gehen“. Ob es ein Erfolg werde, müsse man in sechs Jahren bewerten.
Als Kernthemen ihrer Zusammenarbeit haben CSU, SPD und FDP unter anderem herausgeschält: den Kauf der restlichen Bahnhofsflächen im Süden, um dort vor allem Wohnungen zu bauen. Kitas, Kindergärten und Mittagsbetreuung sollen zu Familienzentren zusammengeführt werden. Es ist ein Pilotprojekt geplant, in dem eine kooperative Ganztagsbetreuung sowie eine ausgeweitete Ferienbetreuung geprüft werden sollen. In Sachen Verkehr gilt ein „Miteinander statt Gegeneinander“, der ÖPNV soll gestärkt und die Digitalisierung vorangetrieben werden.
In Vorbereitung auf die Zusammenarbeit ist auch bereits die Vergabe der Bürgermeisterposten besprochen: Daniel Artmann (31, CSU) ist für den Zweiten Bürgermeister vorgeschlagen. Gabriele Leicht (SPD) für das Amt der Dritten Bürgermeisterin. Die 63-Jährige sitzt seit 18 Jahren im Stadtrat, hatte zehn Jahre lang den Fraktionsvorsitz inne und sich 2008 um das Amt als Oberbürgermeisterin beworben. Daniel Artmann ist ein bekanntes Gesicht in der CSU, arbeitet bereits im Stadtrat, sitzt im Parteivorstand ebenso wie im Bezirksvorstand. Und er konnte bei der Stadtratswahl mit 10396 die meisten Stimmen unter den Stadtratskandidaten auf sich vereinen. Die Vergabe beider Ämter entscheidet der Stadtrat in seiner Sitzung am kommenden Montag. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse dürfte die Wahl Formsache sein.
Kein Platz in der nun vorliegenden Konstellation bleibt für die Fraktion der Grünen. Überraschend insofern, als OB-Kandidat Franz Opperer (54) seinen Mitbewerber Andreas März in die Stichwahl gezwungen, diese zwar verloren, aber mit 38,5 Prozent durchaus einen Achtungserfolg erzielt hatte. Bei der Stadtratswahl konnten die Grünen außerdem deutlich zulegen. Sie verfügen über elf Sitze, vier mehr als vorher.
Grüne fordern
Bürgermeisterposten
In diesem Erfolg einen Auftrag des Wählers zu sehen und etwa ein Bürgermeisteramt an die Grünen zu geben, lehnt der künftige Oberbürgermeister Andreas März ab. „Der Wähler wollte grüne Themen, aber nicht eine grüne Partei und einen grünen Oberbürgermeister.“ Immerhin 75 Prozent der Wahlberechtigten hätten nicht für Grün gestimmt. Er selbst sehe „keine Schnittmengen“ in den politischen Ansichten von CSU und Grünen, und er habe den Eindruck gewonnen, innerhalb der Partei herrsche keine Einigkeit, sagt März.
In der Tat hatte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Franz Lukas (58), schon vor der Wahl angekündigt, das Amt abgeben zu wollen. Die Partei war dann mit vier Frauen unter den ersten fünf Plätzen auf der Kandidatenliste angetreten. Franz Opperer hatte Listenplatz zwei gewählt und diese Entscheidung als klares Signal dafür erklärt, dass die Grünen mehr Frauen in die Politik bringen wollen – ja sogar eine Doppelspitze, mit zumindest einer weiblichen Besetzung, war als Fraktionsführung angedacht. Doch es kam anders: Opperer wird die Fraktion gemeinsam mit Peter Rutz (57) leiten. Es sei „die beste Lösung für die momentane Situation“, sagt Rutz – und deutet damit an, dass es keine Einheit für sechs Jahre sein muss.
Sicher aber ist, dass die Grünen den Posten des Zweiten Bürgermeisters einfordern, trotz der schon bekannten Absage. Das Wahlergebnis gebe das her, sind sich Rutz und Opperer einig. Schließlich sei es „gute Sitte, das Amt paritätisch zu besetzen“, sagt Opperer. Zugleich wollen die Grünen den Vorsitz im Rechnungsprüfungsausschuss einfordern, dem Kontrollorgan, das der Verwaltung in Sachen Finanzen auf die Finger schaut.
Mit den Grünen gehen wird der 83-jährige Horst Halser (ÖDP). Wie bereits in der vergangenen Legislaturperiode geht er eine Kooperation ein. Ricarda Krüger (31) von den „Bürgern für Rosenheim“ hat nach Angaben der Grünen eine Einladung als Gast erhalten, sich aber noch nicht geäußert.
Freie Wähler/UP
sind überrascht
Mit der neuen Konstellation zurechtfinden müssen sich auch die Freien Wähler/UP in Rosenheim. Mit fünf Sitzen konnten sie ihre Stärke halten. Robert Multrus (60) bleibt Vorsitzender der Fraktion und kommentiert die Entscheidung der CSU mit den Worten: „Ja, es hat mich schon ein bisschen überrascht.“ Mit den Sitzen der SPD verfüge März nun über „ein Polster“, das die Chance zu „sicheren Mehrheiten“ eröffne. Seine Fraktion habe zwar nicht mit der CSU koaliert, es habe aber aufgrund der vielen Übereinstimmungen so manches Mal danach ausgesehen, sagt Multrus. Die Fraktion werde ihre Vorstellungen weiterverfolgen. „Wir schauen auf die CSU und versuchen unsere Nuancen einzubringen.“ Man könne sich themenbezogen Partner suchen. Eine Freiheit, die die Freien Wähler ja auszeichne.
AfD erreicht
Fraktionsstärke
Als „schmerzlich“ empfindet Multrus den wahrscheinlichen Verlust des dritten Bürgermeisteramtes. Dr. Beate Burkl (72) hatte die Aufgabe im Jahr 2013 übernommen, aber vorher stellte die Gruppierung über lange Jahre den Dritten Bürgermeister.
Bleibt am Ende der Blick auf die AfD, die neu im Rosenheimer Gremium mitmischt. Sie erreicht mit drei Sitzen ebenfalls Fraktionsstärke. Den Vorsitz wird Andreas Kohlberger (51) übernehmen. Die Republikaner sind vertreten durch Markus Schmid.