Fassadenpreis für alten Industriebau

von Redaktion

Stadt würdigt Unternehmer Richard Wurm für Sanierung der Papierwarenfabrik

Rosenheim – Der Fassadenpreis der Stadt Rosenheim geht an den Rosenheimer Unternehmer Richard Wurm. Er hat die alte Papierwarenfabrik an der Brückenstraße in Rosenheim saniert. Ein aufwendiges Unterfangen, für dessen Planung allein rund zehn Jahre ins Land gegangen sind. Warum bei den Arbeiten Trockeneis eine wichtige Rolle gespielt hat und was die Stadt in ihrer Laudatio über den unter Denkmalschutz stehenden Industriebau formuliert hat:

Gebäude ist
mehr als 100 Jahre alt

Das einstige Hauptgebäude in der Brückenstraße 1 wirkt auch nach mehr als 100 Jahren imposant und filigran zugleich. Man sieht ihm an, dass es einst als Industriekomplex geplant war und trotzdem fehlt ihm all das Kühle und Harte, das viele dieser Nutzbauten heute prägt.

Richard Wurm hatte das Gebäude im Jahr 2004 gekauft. Die Jahre als Papierwarenfabrik waren damals gerade vorbeigegangen. Denn erst zwei Jahre zuvor hatte die „Niedermayr Papierwarenfabrik AG“ ihre operative Tätigkeit aufgegeben. Seither fertigten die Mitarbeiter der Schreinerei Schneider in den Räumen Aufbauten und Möbel für den Lokschuppen. Ganz oben im Haus lebte zudem der Hausmeister in einer Wohnung. Ein sehr betagter alter Herr sei das gewesen, schwer krank dazu, sagt Richard Wurm. Er habe ihn nicht „raussetzen“ wollen und auch deshalb lange gewartet mit der Sanierung und dem Umbau. Viel Zeit hatte zudem die Planung in Anspruch genommen. 6000 Quadratmeter alter Bausubstanz neu zu gestalten, das braucht einen langen Atem und viele gute Ideen – auch, was die künftige Nutzung angeht. „Wilde Pläne“ habe es damals gegeben, sagt Wurm. Sogar über eine Diskothek habe man nachgedacht. Am Ende aber, kam es eine Nummer gediegener: Seit 2018 arbeitet Wurm selbst mit dem Team seiner Immobilienverwaltung im Haus. Die übrigen Flächen sind vermietet an Firmen, ein Filmstudio sowie an das Romed-Klinikum, das auf einem Teil der Fläche junge Mitarbeiter schult.

Vergessen hat Richard Wurm die Jahre der Sanierung nicht. Es sei „nicht ganz einfach gewesen“, sagt er. Unter anderem habe man nicht genug Platz für Parkplätze gehabt und musste daher eine Parkgarage einziehen. Schwierig gestaltete sich auch der Erhalt des Balkenwerks aus Holz. Über und über mit Farbe bestrichen, musste es zunächst mit Trockeneis beschossen werden, um dann das getaute Eis mitsamt der abgelösten Farbe abnehmen zu können, ohne die Balken zu beschädigen. Eine aufwendige Arbeit. Richtig teuer aber war, die Farbreste aus dem Untergrund des Hauses zu entsorgen. Reiner Sondermüll, wie Wurm sagt: „Und wie.“

Verbindung zwischen
Altem und Neuem

Heute aber entfaltet die Verbindung zwischen Altem und Modernem ihren ganz besonderen Reiz. Ein Verdienst des Bauherren, den die Stadt in ihrer Laudatio hervorhebt: Mit „großem Einfühlungsvermögen“ sowie mit „sehr viel Liebe und Gespür auch für die Details“ habe Richard Wurm „den Charme und den Charakter des Industriedenkmals wieder erlebbar gemacht“. Auf diese Weise sei ein „echtes Schmuckstück“ entstanden. Besonderes Lob erhält die Gestaltung der Fassade, die aufgrund ihrer Hochwertigkeit und der „Rücksichtnahme auf die historische Substanz“ überzeuge. So dienten die alten Industrie-Stahlfenster als Vorlage für neu konstruierte Fenster, die den aktuellen Ansprüchen an Wärme und Schallschutz entsprechen. Vor allem der Schutz vor den Geräuschen des naheliegenden Bahnhofs sei wichtig gewesen, sagt Richard Wurm. Ohne eine gute Dämmung hätte man wohl kaum Büroräume einrichten können. Obwohl das Gebäude sehr massive Mauern aufweist.

Die waren auch nötig, damals vor gut 100 Jahren, als der Fabrikneubau nach den Plänen des Rosenheimer Architekten und Baumeisters David Schray entstand. Die Papierwarenfabrik hatte Anschluss an das 1907 errichtete städtische Industriegleis, das vom Bahnhof zum Grenzschlachthof führte und dabei das Gelände der neuen Fabrik streifte, teilt das Stadtarchiv Rosenheim mit. Eigentümer war demnach Michael Niedermayr aus Hinterhör bei Altenbeuern. Er ließ in der Fabrik vor allem Tüten produzieren. Ein Geschäft, das damals so lukrativ war, dass Niedermayr 1929 einen Anbau realisierte und 1938 eine Werkshalle baute. Die wöchentliche Produktion betrug zwischen 15 und 20 Millionen Tüten sowie Beutel und Zigarrenspitzen.

Geblieben von dieser Zeit ist das Haupthaus in seiner neuen Gestaltung und mit einer heute völlig anderen Nutzung. Richard Wurm aber freut sich über den Fassadenpreis der Stadt. Er ist nicht dotiert. Wer ihn erhält, bekommt eine Urkunde. Und eine Tonplakette, die am Gebäude angebracht werden kann.

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