Rosenheim – Die kahle, graue Wand des ehemaligen Rosenheimer Filmpalasts in der Samerstraße bekommt ein neues Gesicht. Jedenfalls wenn es nach den Rosenheimern Julian Strohmeier (23) und Corbinian Nicolai (23) geht. Sie sind Graffitikünstler und wurden im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Sommer in Rosenheim“ von der Stadt angefragt.
Die beiden seien sofort Feuer und Flamme gewesen, hätten schon jetzt etliche Ideen, wie die Wand in Zukunft aussehen könnte. „Wir wollen uns an der ‚Black Lives Matter‘-Bewegung orientieren“, sagt Julian Strohmeier. Corbinian Nicolai fügt hinzu: „Wir wollen die Leute zum Nachdenken anzuregen.“
Wände in
Thailand besprüht
Nicolai studiert visuelle Kommunikation und fand durch einen Film über den englischen Street-Art-Künstler Banksy Gefallen am Sprayen. Strohmeier hat bereits im Alter von 13 mit dem Sprayen angefangen. Zehn Jahre später hat die Graffiti-Kunst einen großen Platz in seinem Leben eingenommen. Jeden Sommer reist er durch die Welt, die Spraydosen immer dabei.
Er spricht von seinem Besuch in Thailand. Dort verschönerte er die Außenfassade eines Hostels, um dort kostenlos übernachten zu dürfen. „Das ist das, was ich in meinem Leben machen möchte: Um die Welt reisen und Wände besprühen.“
Er und Corbinian Nicolai haben sich in der Fahrschule kennengelernt und dabei das gemeinsame Hobby entdeckt. Seit einigen Jahren arbeiten sie mit der Städtischen Galerie Rosenheim zusammen und werden von der Leiterin Monika Hauser unterstützt.
Unterführung verschönert
Durch sie konnten die beiden mehrere Projekte in Rosenheim verwirklichen. 2018 gestalteten sie im Rahmen des Projektes „Utopia“ die Unterführung an der Miesbacher Straße neu. Strohmeier bemalte zusammen mit einem Freund die Außenwand der Turnhalle der Astrid-Lindgren-Grundschule. „Das war damals mein erstes großes Projekt“, sagt er. Nicolai peppte mit bunten Graffiti 2017 die Unterführung des Mangfallradweges auf. Über die Jahre haben die beiden immer wieder an gemeinsamen Projekten gearbeitet. Viele davon organisiert durch Monika Hauser. „Wenn Frau Hauser anruft, dann setzen wir alle Hebel in Bewegung“, sagt Nicolai und lacht.
Die Wertschätzung beruht auf Gegenseitigkeit. Monika Hauser schwärmt von den beiden Graffiti-Künstlern. „Das sind bezaubernde junge Männer mit tollen Ideen. Man kann mit ihnen gut zusammenarbeiten“, sagt sie.
Doch für ihre Arbeit bekommen die beiden Künstler nicht nur Lob und Anerkennung. „Graffiti-Kunst ist in der Gesellschaft nicht akzeptiert. Man verbindet es oft mit Schmierereien“, sagt Nicolai. Er und Strohmeier wollen sich davon abgrenzen, benutzen die „Sprühdose als Medium“. „Wir wollen Bilder malen und darüber den Leuten Botschaften vermitteln“, so Nicolai.
Um diese Botschaften vermitteln zu können, braucht es eine Erlaubnis. Diese bekommen sie entweder von der Städtischen Galerie oder dem Rosenheimer Tiefbauamt. Sprüht man aber an Wände ohne eine Genehmigung, hätte das durchaus Folgen: Denn Graffiti ist illegal und damit strafbar.
Trotzdem kommt das aber immer wieder vor. Strohmeier findet, dass dadurch die Qualität des Graffiti leidet. „Es wird durch die Polizeikontrollen nicht besser“, sagt er. Im Gegenteil: Es müsse immer noch schneller gesprayt werden und die Ergebnisse würden noch hässlicher.
Deshalb ist es ein Anliegen der beiden, dass die Graffiti-Szene in Rosenheim eine „Legal-Wall“ bekommt. Diese können Künstler legal besprayen. So üben sie ihr Handwerk, probieren sich aus.
Großer Aufwand und hohe Materialkosten
Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Jetzt steht aber erst einmal der „Sommer in Rosenheim“ an und auf die beiden kommt eine Menge Arbeit zu. Denn ein Graffiti-Projekt ist ein großer Aufwand. „Die meisten Leute stellen es sich einfacher und schneller vor, als es ist“, sagt Nicolai. Doch die Skizzen zu machen und das Sprayen selbst brauche viel Zeit.
Außerdem seien die Materialkosten hoch. Drei bis vier Klappkisten voll mit Spraydosen verbrauchen die beiden für ein Projekt. Das sei aber immer auch von der Größe der Wand abhängig. Bei einer Fläche von 500 Quadratmetern zum Beispiel liegen die Materialkosten bei rund 650 Euro, berichtet Julian Strohmeier.
Er liebt, was er tut, das merkt man an der Art, wie er über das Sprayen spricht. Die Kunstform gebe den Leuten etwas zu sehen, lehne aber Vermarktung und Geld ab. „Man kann seine Werke raus in die Stadt bringen, sie der Öffentlichkeit zeigen. Graffiti hängt nicht in Galerien hinter verschlossenen Wänden“, fügt Corbinian Nicolai hinzu.
Für ihn ist das Zwischenmenschliche ein ausschlaggebender Punkt: dass Leute auf seine Kunst reagieren, sich dafür interessieren und ihm immer wieder Feedback geben. „Wenn man selbst denkt, dass seine Sachen schlecht sind und von den Menschen dann aber positive Rückmeldungen kommen, ist das schon schön.“