344 Euro für vier Tage Notbetreuung

von Redaktion

Grüne, SPD und ÖDP wollen Eltern nicht auf Monatsgebühr sitzen lassen

Rosenheim – Die Stadt Rosenheim verzichtet auf die Elternbeiträge für Kinder, die in Corona-Zeiten zu Hause blieben. Aber wer die Notbetreuung nutzt beziehungsweise genutzt hat, wird dafür jetzt zur Kasse gebeten. Das gilt bayernweit. Empörung darüber gibt es bei den Eltern. Auch das gilt bayernweit. Und auch einige Stadträte ärgern sich über die Entscheidung.

Familien in Krisenzeit
finanziell entlasten

Veronika G. aus Rosenheim versteht die Welt nicht mehr. Sie ist Mutter einer zweijährigen Tochter und arbeitet als PR-Redakteurin. Nach sechs Wochen, in denen sie ihre Tochter zu Hause betreute, beschloss sie, die Notbetreuung ihrer Kinderkrippe in Anspruch zu nehmen. „Mein Mann ist ebenfalls berufstätig und die Großeltern wohnen nicht in der Nähe“, sagt sie.

Die Notbetreuung sollte helfen. Doch was anfangs wie eine gute Lösung schien, wird der jungen Mutter jetzt zum Verhängnis. Denn nun soll Veronika G. den vollen April-Beitrag in Höhe von 344 Euro nachzahlen.

Und das, obwohl ihre Tochter insgesamt bloß vier Tage dort war. Denn: Nur die Eltern, deren Kinder keinen einzigen Tag des Monats in der Notbetreuung waren, bekommen die Gebühren erlassen. „Ich habe dafür einfach kein Verständnis“, sagt Veronika G.

Kein Verständnis hat auch Nicole L.. Sie arbeitet als Angestellte, ist alleinerziehend und hat zwei Kinder. Auch sie musste die Notbetreuung in Anspruch nehmen, schickte ihren vierjährigen Sohn Ende April für vier Tage in einen städtischen Kindergarten. Dafür soll sie jetzt 49 Euro Betreuungsgebühr bezahlen – so viel wie sonst für den ganzen Monat. Das Geld wurde mittlerweile von ihrem Konto abgebucht, doch glücklich darüber ist sie nicht. „Ich verstehe, dass die Stadt auf ihre Einnahmen angewiesen ist, aber es geht ums Prinzip. Da muss es doch eine andere Lösung geben“, sagt sie.

Laut der Stadtverwaltung scheint es die aber eben nicht zu geben. Bereits im Ausschuss für Kinder, Jugendliche und Familien wurde über das Thema diskutiert – damals kritisierte Stadträtin und SPD-Unterbezirksvorsitzende Elisabeth Jordan die Stadt für ihr Handeln: „Als familienfreundliche Kommune sollten wir ein Zeichen setzen und die Familien in der Krisenzeit finanziell entlasten und unterstützen“, sagte sie. So wie die Gemeinde Schechen. Da hat der Gemeinderat beschlossen, dass die Kommune die Kosten für wenige Tage Notbetreuung im Monat übernimmt.

Auch der Kreisgeschäftsführer des Caritas-Verbandes, Erwin Lehmann, pochte schon im Ausschuss darauf, eine familienfreundliche Lösung zu finden. „Aus Sicht der Eltern ist es schwer verständlich“, sagte er und fügte hinzu: „Die Eltern, die während der Krise das System aufrechterhalten haben, werden jetzt bestraft.“

Michael Keneder, Dezernent für Jugend, Soziales, Schule, Kultur und Sport nahm daraufhin Stellung, sagte, die Stadt verhalte sich satzungsgemäß. So sei es durchaus gerechtfertigt, dass die Eltern, die die Notbetreuung in Anspruch genommen haben, auch dafür bezahlen. Es ist eine Aussage, für die Veronika G. und Nicole L. nur ein Kopfschütteln übrig haben.

Und auch die Stadtratsfraktion der SPD, die Grünen und ÖDP-Stadtrat Horst Halser wollen sich mit dieser Aussage nicht zufriedengeben. In ihren jeweiligen Anträgen an Oberbürgermeister Andreas März (CSU) fordern sie die Verwaltung jetzt auf, die Familien in der Corona-Krise zu entlasten. „Die Betreuungskosten in Kindergärten und Kinderkrippen sollen nicht wie bisher vorgesehen für einen ganzen Monat bezahlt werden, sondern nur anteilig ihrer Notbetreuungstage abgerechnet werden“, heißt es in dem SPD-Antrag.

Die Grünen und die ÖDP unterstreichen wiederum in ihrem Antrag, dass es in keinem Verhältnis stehe, für eine Handvoll Tage Notbetreuung genau so viel bezahlen zu müssen wie für den ganzen Monat.

Keine Erhöhung
der Kita-Gebühren

Die SPD geht sogar noch einen Schritt weiter, fordert, auf die geplante Erhöhung der Beiträge für die Kinderbetreuung zu verzichten. „Nach der neuen Satzung zahlen Eltern für die Kita bei sieben bis acht Stunden Betreuung pro Tag 391 Euro, 78 Euro Essensgeld und fünf Euro Spiel- und Getränkegeld“, sagt Fraktionsvorsitzender Abuzar Erdogan. Die Beitragshöhe sei weder sozialverträglich noch familienfreundlich.

Wie bereits berichtet, sprachen sich alle Fraktionen – mit Ausnahme der SPD – im jüngsten Ausschuss für Kinder, Jugendliche und Familien für eine Erhöhung der Kita-Gebühren um fünf Prozent aus. Eine endgültige Entscheidung fällt im Stadtrat am Mittwoch, 22. Juli.

In einem der nächsten Ausschüsse werden dann auch die beiden Anträge beraten. Ob Veronika G. und Nicole L. den April-Beitrag erlassen bekommen, wird sich zeigen.

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