Endlich wieder Leben in der Stadt

von Redaktion

Den Auftakt zu „Sommer in Rosenheim“ genossen Künstler wie Publikum

Rosenheim – „Das Schlimmste, was heute passieren kann, ist, dass wir wahnsinnig erfolgreich sind.“ So beschrieb einer der kreativen Köpfe hinter dem „Sommer in Rosenheim“ am Samstagmorgen die Stimmung kurz vor dem Start der siebenwöchigen Veranstaltungsreihe. Der Satz war zwar nicht ganz ernst gemeint, brachte die Situation aber doch auf den Punkt.

Auch Oberbürgermeister Andreas März hatte etwas später in seiner kurzen Eröffnungsrede betont, dass das Unterfangen eigentlich ein schizophrenes sei: Menschen in die Stadt zu locken, um Plätze und Straßen zu beleben und doch dabei darauf zu achten, dass sie sich ja nicht zu nahe kämen, sei eigentlich ein Widerspruch in sich.

Um das Ergebnis vorwegzunehmen: der Widerspruch wurde zumindest am Eröffnungssamstag geradezu perfekt aufgelöst. Die Stadt war voller gut gelaunter Menschen und dennoch gab es keine Ansammlungen, die hinsichtlich Corona problematisch gewesen wären. Die intensive Arbeit an einem coronatauglichen Konzept für den Rosenheimer Sommer hat sich offensichtlich gelohnt, vor allem hinsichtlich der Mischung der Einzelveranstaltungen.

Abstandhalten klappte
von ganz alleine

Da spielte am Vormittag in der Fußgängerzone zum Beispiel „Blues4Use“ auf, sammelte eine Gruppe von vielleicht 30, 40 Zuhörern, die sich immer wieder neu formierte und den notwendigen Abstand zueinander ganz von sich aus einhielt. Dennoch hatten auch alle anderen – die, die durch die Fußgängerzone flanierten oder auf einen Kaffee irgendwo einkehrten – den Eindruck: da ist was los, da ist Leben in der Stadt. „Endlich wieder“ – das war die einhellige Reaktion fast aller, die man nach ihrem Eindruck befragte.

Und überraschend tauchten hier, wie auch überall sonst in der Innenstadt, dann auch noch einzelne Künstler auf; Heribert Haider als Bänkelsänger, Tom Tak als „Steam-Punk“ und Emmeran Heringer als Stelzengeher sowie Stefan Pillokat als Clown, die mit ihren Sketchen für einige Minuten den jeweiligen Ort in ein kleines Veranstaltungshighlight verwandelten, um dann wieder zu verschwinden. Ihre Auftritte gerade so lange, dass sich ein ausreichend großes Publikum sammeln konnte, aber nicht lang genug, als dass sich eine große Menschenansammlung hätte bilden können. Dabei war es den Künstlern ein Anliegen, immer wieder spielerisch auf die „Corona-Etikette“ hinzuweisen, die die Stadt im Motto zusammengefasst hatte: „Ihr seid mit Abstand das beste Publikum“.

Emmeran Heringer zum Beispiel verwandelte sich am Abend vom Stelzengeher in eine clowneske Figur und ging mit einem aus einem Meterstab gebildeten Abstandskreis durch die Zuhörer der Mittelmeerband. Die spielte auf dem Ludwigsplatz, war neben einem Theater im Hinterhof von Beo‘s und den „Blues4Use“ auf den Treppen des Kuko einer der Höhepunkte des Abendprogramms. Und als dann die Zuhörer nicht mehr anders konnten, als vor den „Mittelmeer-Musikern“ zu tanzen, schnappte sich Andrea Hailer, Mitglied der Projektleitung „Sommer in Rosenheim“, kurzerhand den Meterstab und tanzte, den Abstand vorgebend, mit.

Der Oberbürgermeister dürfte über diesen perfekt coronatauglichen Ablauf des Tages schwer erleichtert gewesen sein, sagte er doch noch in einem kurzen Gespräch am Vormittag, dass es für ihn der reinste Albtraum wäre, würde sich aus der Aktion in der Folge ein neuer Corona-Hotspot entwickeln. Dagegen sei die Problematik, die Veranstaltungsreihe trotz angespannter finanzieller Lage und Haushaltssperre finanzieren zu können, leicht zu lösen gewesen: Die Landesgartenschau GmbH habe durch kluges Handeln in den vergangenen zehn Jahren genügend Rücklagen erwirtschaftet, um in die siebenwöchige Aktion der Stadt 200000 Euro stecken zu können, dazu sei die Unterstützung der Sparkasse gekommen.

Das Geld und die ganze Vorbereitungsmühe waren eindeutig gut investiert, weil damit tatsächlich das Ziel erreicht wurde, der Kunst- und Kulturszene einen Neustart zu ermöglichen: rauszukommen aus einem monatelangen unfreiwilligen inneren Exil.

Endlich wieder vor
Publikum spielen

Für die Künstler selbst sei die Aktion eine echte Überlebenshilfe, wie „Bänkelsänger“ Heribert Haider erläuterte. Zwar habe es vom Staat wirklich gut gemeinte Hilfsangebote gegeben, doch seien die oft relativ spät ausgezahlt worden und vor allem bleibe immer noch eine Unsicherheit, wofür das Geld ausgegeben werden dürfe. Nur für Betriebsausgaben oder auch für den Lebensunterhalt? „Ohne zu essen und irgendwo zu wohnen, kann ich nicht singen, also sind Lebensmittel für mich doch eine Betriebsausgabe, oder?“ Noch wichtiger als die Gage für seinen Auftritt aber war für ihn, wie für alle anderen Künstler dieses Samstages, endlich wieder vor Publikum spielen zu können.

Eingetreten ist ganz offensichtlich auch der erwünschte Nebeneffekt, die Belebung von Handel und Gastronomie: „Wenn man heute in die Fußgängerzone schaut“, meinte März schon am Vormittag, „wirkt es, von den Masken und dem Abstand, den die Leute halten einmal abgesehen, wie ein ganz normaler Samstag aus Vor-Corona-Zeiten“.

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