Wegen Eigenbedarfs gekündigt

von Redaktion

Gehörlose Frau und ihre Tochter wehren sich gegen Vorhaben des Vermieters

Rosenheim – Astrid Gaderbauer (55) soll nach zehn Jahren aus ihrer Wohnung in Pang ausziehen. Der neue Vermieter hat Eigenbedarf angemeldet. Doch die 55-Jährige ist gehörlos, eine passende Wohnung zu finden, fällt ihr schwer. Jetzt hat ihre Tochter einen Hilferuf in den sozialen Medien gestartet.

Emotionales
Kündigungsschreiben

Die Tage in ihrer Drei- Zimmer-Wohnung in Pang sind für Astrid Gaderbauer gezählt. Bis Ende April 2021 hat die gehörlose Frau Zeit, eine neue Bleibe zu finden. So jedenfalls steht es in dem Schreiben, das sie vor einigen Tagen in ihrem Briefkasten gefunden hat. In diesem ist zu lesen, dass der neue Vermieter, der die Wohnung vor einigen Monaten gekauft hat, das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs beenden möchte. Seine Lebensgefährtin sei vor drei Jahren von Wiesbaden nach Rosenheim gezogen, schreibt er, wohne seitdem mit ihm bei seinen Eltern in deren 76 Quadratmeter großen Wohnung. Jetzt sucht er nach einer eigenen Bleibe und will deshalb in die Drei-Zimmer-Wohnung in Pang ziehen. „Wir haben leider keine andere Möglichkeit, da wir keine Ersatzwohnung haben“, heißt es. Und weiter: „Daher fühlen wir uns verpflichtet, das Mietverhältnis zu kündigen“.

Es sind diese neun Wörter, die Astrid Gaderbauer den Boden unter den Füßen weggerissen haben. „Sie ist in Tränen ausgebrochen, als sie den Brief gelesen hat“, sagt ihre Tochter Carina (25). Das Schlimmste: Der neue Vermieter habe vorab immer wieder versprochen, dass er die Wohnung nur als Kapitalanlage kaufe, Eigenbedarf für ihn keine Option sei. Dass er sein Versprechen nach so kurzer Zeit gebrochen habe, ist für die beiden Frauen „ein Schlag ins Gesicht“.

Die Wohnung ist ihr „Ein und Alles“, weiß Carina Gaderbauer. In den vergangenen zehn Jahren habe ihre Mutter „viel Liebe und Geld in die Einrichtung gesteckt“. Auch, um sie behindertengerecht ausstatten zu lassen. So besitzt sie beispielsweise eine spezielle Klingelanlage. „Wenn jemand klingelt, dann blitzt es in der Wohnung“, sagt Carsten Eberl, der Vorsitzende des Hörgeschädigtenvereins Rosenheim. Er ist ebenfalls gehörlos, weiß, wie wichtig eine behindertengerechte Ausstattung ist und eine Umgebung, in der man sich wohlfühlt. Dass diese Grundlage ihrer Mutter in weniger als einem Jahr genommen werden soll, versteht Carina Gaderbauer nicht. In ihrer Wut hat sie einen Beitrag auf Facebook gepostet. Hier erzählt sie die Geschichte ihrer Mutter, bittet um Hilfe. „Ich möchte vor allem an die Gutmütigkeit und die Seele der Menschen appellieren“, schreibt sie.

Innerhalb kürzester Zeit hätten sich, so sagt sie, zahlreiche Menschen bei ihr gemeldet. Einige mit Wohnungsangeboten, andere, die der jungen Frau und ihrer Mutter Mut machen wollten. Wieder andere mit dem Ratschlag, einen Anwalt aufzusuchen. „Die Resonanz war durchweg positiv“, sagt Carina Gaderbauer. Eine passende Wohnung sei unter den Angeboten allerdings noch nicht dabei gewesen. Auch weil ihre Mutter, aufgrund ihrer Gehörlosigkeit, bestimmte Ansprüche hat. So komme beispielsweise eine Erdgeschosswohnung für Astrid Gaderbauer nicht in Frage, da sich sie dort „nicht sicher fühlt“. Auch sollte die Wohnung nicht teurer als 800 Euro sein und mindestens zwei Zimmer haben. „Ich weiß, dass der Wohnungsmarkt schwierig ist. Aber ich bin für jeden Tipp unglaublich dankbar“, schreibt Carina Gaderbauer. Sie selbst sei bereits in sämtlichen Foren unterwegs, suche gemeinsam mit ihren Freunden nach einer passenden Wohnung für ihre Mutter. „Wir sind alle voller Tatendrang“, sagt sie.

Keine Stellungnahme
vom Vermieter

So euphorisch die junge Frau auch klingt, der Ärger über das Passierte sitzt tief. „Ich verstehe nicht, wie man einer behinderten Frau so etwas antun kann“, schreibt sie auf Facebook. Sie will einen Anwalt einschalten, will sich über die Rechte ihrer Mutter informieren lassen.

Zu dem Vermieter haben die beiden Frauen jeden Kontakt abgebrochen. Zu groß ist die Enttäuschung. Eine Stellungnahme wollte er gegenüber der OVB-Redaktion nicht abgeben.

Was bleibt, ist die Hoffnung, dass Astrid Gaderbauer schnellstmöglich eine neue Bleibe findet. Die Unterstützung ihrer Tochter hat sie jedenfalls.

Das sagen die Experten:

Wie kann man einem behinderten

Menschen so etwas antun?

Carina Gaderbauer (25) aus Rosenheim

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