Rosenheim – Kein Strom, keine Straßen und keine Autos: Was in Deutschland unvorstellbar wäre, kennen die 95 Bewohner des Fischerdorfes Cabo Polonio an der Atlantikküste Uruguays nicht anders. Unter ihnen ist seit einigen Monaten auch eine junge Frau aus Rosenheim.
Dominique Berger (30) ist endlich angekommen. In ihrer neuen Heimat, aber auch im Leben. Seit anderthalb Jahren wohnt die Rosenheimerin im 11320 Kilometer entfernten Uruguay. „Ich wollte dem deutschen System entfliehen“, sagt sie am Telefon. Die Verbindung ist schlecht, im Hintergrund hört man das leise Bellen eines Hundes. Sie erzählt von ihrem selbst gebauten Haus, von ihrem Freund und ihrem neuen Leben. Davon, dass sie ihren Platz gefunden hat. Dass der am anderen Ende der Welt ist, weit weg von Freunden und Familie, scheint sie nicht zu stören.
Natürlich habe ich ab und zu Heimweh“, sagt sie. Aber es seien eben immer nur kurze Momente, dann wenn sie sich die Bilder auf ihrem Handy anschaut, realisiert, dass sie „ein schönes Leben in Deutschland“ hatte. Dass von diesem Leben nur noch Erinnerungen übrig geblieben sind, damit komme sie klar. Zu groß sei die Sehnsucht nach einer Veränderung gewesen.
Vor zwei Jahren traf sie deshalb die Entscheidung, auf Weltreise zu gehen. Auf einem Blatt Papier notierte sie sich die Länder, die sie unbedingt besuchen wollte. Kanada stand darauf, darunter Alaska und Neuseeland. Von München ging es für die damals 28-Jährige erst einmal nach Brasilien. Dort arbeitete sie für einen Monat in einer Kitesurfschule. Es folgte ein Silvester in Rio de Janeiro, ein Kurztrip nach Montevideo. Später ein Ausflug nach Cabo Polonio und der Beginn eines neues Lebens.
Ein Jahr lang hat
Berger im Zelt gelebt
Denn anderthalb Jahre später lebt sie noch immer in dem kleinen Fischerdorf an der Atlantikküste. Ohne Strom, fließendes Wasser und ein Auto. Sie arbeitete erst in einem Hotel, später als Reinigungskraft. Sie schließt Freundschaften, trifft ihren späteren Lebensgefährten und lernt die Sprache. Sie teilt sich Unterkünfte mit fremden Menschen, zieht später in ein Zelt und von dort in ein Haus.
Die Zeit im Zelt sei die Spannendste gewesen. „Ich hatte keine Lust mehr, meine Räume, mit anderen Menschen zu teilen“, sagt sie. Also kaufte sie sich eine Hängematte, dazu eine aufblasbare Matratze und lebte für ein Jahr ohne ein festes Dach über dem Kopf.
„Ich habe die Stille und das Alleinsein sehr genossen“, sagt sie. Sie habe gelernt, dass es nicht viel braucht, zum Glücklichsein. Ihre Habseligkeiten passen in einen Rucksack. Die Möbel und Klamotten, die sie in Deutschland zurückgelassen hat, haben ihre Eltern mittlerweile verkauft. Das Geld hilft ihr, in Uruguay über die Runden zu kommen. Den Rest verdient sie sich mit Minijobs und dem Verkauf von selbst gebackenen Torten. Es ist ein Vorgeschmack, auf das, was kommen könnte. Denn die 30-Jährige träumt davon, ein Café zu eröffnen. Direkt im Herzen Cabo Polonios. Im Sommer will sie arbeiten, im Winter reisen. Je nach dem, wie gut die Umsätze sind.
Zurück nach Rosenheim zieht es Berger im Moment nicht. Vielleicht sogar nie wieder. „Alles hat sich dort verändert“, sagt sie. Freunde und Familie könnten sie jederzeit besuchen kommen, einen Eindruck von dem bekommen, was für sie mittlerweile zur Realität geworden ist. „Jeder Tag hier fühlt sich wie ein Sonntag in Deutschland an“, sagt sie. Sie mag das Träge, das Ungezwungene und Ungeplante. Die Leute hätten sie gut aufgenommen, würden an sie glauben. Zum ersten Mal in ihrem Leben zieht es Dominique Berger an keinen anderen Ort. Sie ist angekommen. 11320 Kilometer von Deutschland entfernt.