Rosenheim – „Es ist unglaublich, was da läuft“, sagt Lena Dasbach. Dass sie wütend ist, hört man der examinierten Krankenschwester, die in der Dialyse in Rosenheim arbeitet, an. Wie ihre Kolleginnen hat auch sie einen Antrag auf 500 Euro Pflegebonus gestellt. Diesen hatte die bayerische Staatsregierung als Zeichen der Anerkennung für Pflegekräfte während der Corona-Krise in Aussicht gestellt. Doch in der Rosenheimer Dialyse bekommen sie den Bonus nicht – jedenfalls nicht alle.
Sammelzentrum
in Rosenheim
„Wir waren in der Rosenheimer Dialyse von der Krise betroffen“, sagt Dasbach. „Wir hatten teilweise sieben oder acht Corona-Patienten, die hier dialysiert werden mussten. Unten waren Zimmer isoliert, wer dort gearbeitet hatte, durfte keinen Kontakt zu anderen haben.“ Ihre Kollegin Sabine Purucker stimmt ihr zu: „Wir waren ja offiziell ein Hotspot“, sagt Purucker. Chronische Dialysepatienten gelten als Hochrisikogruppe. Einige der Patienten lagen auf der Intensivstation, weshalb die Mitarbeiter die 120 Kilo schwere Dialysemaschine durch das Klinikum schieben und dort behandeln mussten.
Auch Dialysepatienten von außerhalb wurden nach Rosenheim verlegt, um eine Art Sammelzentrum zu schaffen. Während ihrer Zeit an der Dialyse mussten die Patienten ebenfalls gepflegt werden. Dazu kam noch die Schutzkleidung: „Anfangs hatten wir nicht genug Masken, wir mussten sie bei den Patienten mehrmals benutzen“, sagt Purucker. Im Hinterkopf war ständig die Angst, sich selbst mit dem neuartigen Virus anzustecken.
Die bayerische Staatsregierung wollte mit dem Pflegebonus ihre Anerkennung für Pflegekräfte in dieser außergewöhnlichen Situation ausdrücken. Wer mehr als 25 Stunden pro Woche arbeite und zu den Berechtigten gehöre, bekommt eine einmalige Zuwendung von 500 Euro. Auch Dasbach und ihre Kolleginnen haben einen Antrag gestellt. Doch die Antworten waren chaotisch: Während einige den Bonus bereits erhalten haben, warten andere immer noch. Dasbach bekam eine Absage, dass sie als Mitarbeiterin in einer ambulanten Pflegeeinrichtung nicht antragsberechtigt sei.
In einer Antwortmail des Gesundheitsministeriums, die dem Oberbayerischen Volksblatt vorliegt, heißt es, „dass grundsätzlich nur Pflegekräfte in stationären Einrichtungen von Bayerischen Corona-Pflegebonus berücksichtigt werden.“ Da die Rosenheimer Dialyse als KfH-Nierenzentrum streng genommen nicht zum Romed-Klinikum gehört, sondern mit diesem nur eine Kooperation hat, gilt sie nicht als stationäre, sondern als ambulante Pflegeeinrichtung. Die Bedeutung ambulanter Dialyseeinrichtungen stehe zwar außer Frage, aber man solle Verständnis haben, „dass man irgendwo eine Grenze ziehen muss“, heißt es in der Mail. Dass die Rosenheimer Dialyse auch räumlich mit dem Klinikum zusammenhängt, macht keinen Unterschied.
Jeder muss sich individuell um seinen Antrag kümmern. Die Begründung des Gesundheitsministeriums können sie in der Dialyse nicht nachvollziehen. „Natürlich findet trotzdem Pflege statt“, sagt Christiane von Schoenebeck, die als medizinische Fachangestellte in der Dialyse arbeitet. Wenn Patienten schwer krank wären, müssten sie genau so gepflegt werden, wie auf der Normalstation. Die Patienten würden gewogen, gelagert oder auch mit Essen versorgt. „Wir hatten engen Kontakt mit den Patienten und haben uns dem Risiko einer Ansteckung ausgesetzt“, sagt Purucker. Die Leitung des KfH in Rosenheim ist in die Problematik kaum eingebunden. Dort mussten nur Bescheinigungen für das Beschäftigungsverhältnis der Mitarbeiter ausgestellt werden. Um den Bonus kümmern sie sich selbst.
Dasbach und ihre Kolleginnen haben inzwischen den Eindruck, dass der Bonus willkürlich verteilt wird. Ein Grund dafür ist vor allem, dass manche den Bonus bekommen – obwohl sie nichts anders gemacht haben. „Ich habe keine Ahnung, warum ich den Bonus gekriegt habe und die anderen nicht“, sagt eine Krankenschwester, die nicht genannt werden will. „Ich habe den Antrag genau so wie alle anderen gestellt.“ Alle sagen, dass alle die gleiche Arbeit zur gleichen Zeit am gleichen Ort gemacht haben. Ein System hinter der Verteilung des Bonus scheint für sie nicht erkennbar. „Der Fehler liegt im Ministerium, vielleicht geht ihnen auch einfach das Geld aus“, sagt Serdar. Sie fühlen sich enttäuscht: „Da wird groß ein Bonus versprochen und dann kommt nichts“, sagt Purucker.
Ungleiche Verteilung
sorgt für Unmut
Auf unsere Anfrage schreibt das Gesundheitsministerium: „Bei einem Massenverfahren wie dem bayerischen Corona-Pflegebonus mit circa 350000 Anträgen ist eine Fehlverbescheidung in wenigen Einzelfällen nicht auszuschließen.“ Die Fälle in der Rosenheimer Dialyse würden noch einmal geprüft. Die Mitarbeiter, die den Bonus in der Dialyse bekommen haben, müssten diesen zurückzahlen. Nach wie vor gilt, dass diese eigentlich nicht antragsberechtigt sind, ungeachtet ihrer tatsächlichen pflegerischen Tätigkeit.
Wie es für die Mitarbeiterinnen in der Dialyse weitergeht, ist bei jedem etwas anders. Bescheinigungen über die tatsächliche Pflegetätigkeit der Mitarbeiter stellt die Leitung nicht aus. Andere haben bereits eine Absage und überlegen nun die nächsten Schritte. Es geht nicht nur um den Bonus, sondern auch um Gerechtigkeit. „Entweder kriegen alle etwas oder keiner“, sagt Purucker.
Die ungleiche Verteilung belastet auch das Verhältnis im Team. Dasbach möchte nun Klage gegen die Ablehnung ihres Antrags einreichen. Außerdem möchte sie sich an den „Landesverband Niere Bayern“ wenden. Den Kontakt nach ganz oben sollte dieser jedenfalls haben: Der Schirmherr ist Markus Söder.