Gemeinsam statt einsam

von Redaktion

Rosenheimer Senioren erzählen, wie es ihnen in der Corona-Krise ergangen ist

Rosenheim – Das Coronavirus stellt die Menschen vor große Herausforderungen, allen voran die älteren der Gesellschaft. Der Verein Pro Senioren hat nun zu einer Gesprächsrunde geladen, um die Sorgen der Bürger an die Stadt heranzutragen. Wir haben uns mit drei Rosenheimer Senioren unterhalten, wie sie die Corona-Krise gemeistert haben.

„Ich habe 14 Tage lang das Haus nicht verlassen“, sagt Ferdinand Walesch (81) aus Rosenheim. Zu groß sei die Angst vor einer Ansteckung gewesen. „Am Anfang hatte man das Gefühl, die alten Leute sterben wie die Fliegen.“ Großen Respekt habe er vor den Einsatzkräften und medizinischem Personal. „Gerade die Pfleger leisten in dieser Zeit unglaubliche Arbeit.“

Ein Moment
des Stillstands

Am meisten habe Walesch seine ehrenamtliche Tätigkeit vermisst. Die musste er während der Corona-Hochzeit erst einmal auf Eis legen. Als Mitglied im Seniorenbeirat der Stadt gratuliert der Rosenheimer jedem Bürger zum 85. und 90. Geburtstag – mit einem Präsent. „Vor allem aber schenken wir den Menschen Zeit, viele erzählen uns ihre Lebensgeschichte.“ Seinen persönlichen Ausgleich fand er in der Natur: „So oft es ging, bin ich wandern gegangen, einfach raus.“ Eine positive Sache kann er der Krise abgewinnen: Er konnte neue Freundschaften schließen. „Die Menschen halten wieder zusammen.“

Auf Zusammenhalt setzte auch Marianne Eckart (72). Als Pfarrgemeinderatsvorsitzende der Pfarrei Heilig Blut ist sie für die Seniorenbetreuung zuständig. „Viele waren so einsam. Da war mir klar, dass ich helfen musste.“ Denn auch Gottesdienste wurden abgesagt, eine Stütze für viele Menschen sei weggebrochen. Eckart ging von Tür zu Tür, verteilte die Gottesdiensttexte, kam mit den Senioren ins Gespräch. „Es ist wichtig, dass im Alter niemand außen vor bleibt.“ Angebote für Senioren hätte es zahlreich gegeben, erklärt sie. Allen voran: Die Essensausgaben in den Bürgerhäusern. „Das war vielen Senioren aber einfach nicht bewusst.“ Auch im Alter sei es wichtig, sich zu informieren. Über das Fernsehen, die Zeitung oder auch die neuen Medien. „Aber die Senioren müssen das eben auch wollen.“

Auch im Verein „erlesene oper“ musste Eckert auf die Bremse drücken: Es gab keine Aufführung mehr. Die sozialen Kontakte beschränkten sich auf ein Minimum. Über den Gartenzaun unterhielt sie sich mit ihrem Nachbarn, telefonierte jeden Tag mit ihrer Familie. „Es gab ja erst mal gar nichts. Da muss man lernen, mit dem puren Leben fertig zu werden.“

Stück für Stück kehre aber langsam wieder Alltag ein: Im September hat Eckart in ihrer Pfarrei den ersten Seniorennachmittag seit der Krise organisiert. Doch die Sorgen der Senioren blieben, wie sie berichtet. Viele fürchteten sich davor, zu vereinsamen. „Und diese Angst ist in einigen Medien geschürt worden.“

Was Alleinsein bedeutet, hat auch Ilona Sandhaas (75) aus Happing zum Teil erfahren müssen. „Meine Kinder leben im Ausland, nach Israel und Thailand konnte ich so schnell nicht kommen.“ Die Rosenheimerin ist überzeugt, dass sie selbst auch Corona hatte. „Ich hatte die alle bekannten Symptome.“ Hohe Temperaturen, Gliederschmerzen, Magenbeschwerden. Zum Arzt wollte die jahrelange Krankenschwester aber nicht. Stattdessen blieb sie zu Hause, kurierte sich aus. „Für den Ernstfall hätte ich Sauerstoff zu Hause gehabt, den ich wegen meiner Schlafapnoe brauche.“ Sie habe die Zeit gut überstanden, wie sie erklärt. Eine Sache bereite ihr aber Sorgen: „Oft sind es junge Leute, die mit ihrem Verhalten viel aufs Spiel setzen.“ In der Krise sollte jeder aufeinander Rücksicht nehmen, findet sie.

Neue Wege der Kommunikation

Ihre Erfahrungen teilten die Senioren auch mit Sozialamtsleiter Christian Meixner. Er ist überzeugt: „Wir wissen alle, dass wir die Krise noch lange nicht geschafft haben.“ Besonders was die Digitalisierung betrifft, dürften die Menschen nicht zurückgelassen werden. In der Stadt, so Meixner, werde man versuchen, Lösungen für die Anliegen zu finden.

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