Rosenheim – Für Renate Weininger-Fischer gehören Leben und Tod eng zusammen. Die 54-Jährige ist die neue Leiterin des Zentrums Südostbayern mit der Nachsorgeeinrichtung „Bunter Kreis Rosenheim“. Gemeinsam mit ihren Kollegen unterstützt sie hier Eltern mit schwer kranken Kindern. Am heutigen Welthospiztag spricht sie über ihre Arbeit, den Umgang mit dem Tod und warum man kleine Oasen braucht.
Warum liegt Ihnen die Hospizarbeit so am Herzen?
Ich habe in meinem privaten Umfeld viele Berührungspunkte mit dem Tod gehabt. Das ist zwar schon lange her und gut aufgearbeitet. Dennoch hat mich das Thema immer begleitet. Als ich im Januar beim ambulanten Kinderhospiz in München angefangen habe, hatte ich von Anfang an das Gefühl, dass ich meinen Platz gefunden habe.
Seit März sind Sie die neue Leiterin in Rosenheim. Wie läuft die Arbeit im Zentrum ab?
Wir kümmern uns um die Kinderhospizarbeit, beraten die Angehörigen, führen Kriseninterventionen durch und bieten eine sozialmedizinische Nachsorge an. Zudem bilden wir Ehrenamtliche aus, die Familien mit schwer kranken Kindern unterstützen. Die Ehrenamtlichen kümmern sich unter anderem um die Geschwister, die unter der Erkrankung ebenfalls leiden. Oft müssen sie Rücksicht nehmen und Verantwortung übernehmen. Durch die Unterstützung der Ehrenamtlichen sollen sie die Möglichkeit bekommen, einfach mal Kind zu sein.
Wie werden die Angebote angenommen?
Die sozialmedizinische Nachsorge wird sehr gut angenommen. Hier kümmern wir uns – gemeinsam mit Mitarbeitern des Romed-Klinikums – um Familien, die ein Frühchen haben. Die Angehörigenberatung, in der es beispielsweise um die Beantragung von Schwerbehindertenausweisen geht, nimmt langsam Fahrt auf. Aber da ist noch Luft nach oben. Noch nicht wirklich bekannt ist die Kinderhospizarbeit.
Woran liegt das?
Kinderhospiz ist nach wie vor ein Tabuthema. Zudem ist es ein Thema, das viel Aufklärungsarbeit braucht. Die Corona-Krise hat das erschwert.Viele Menschen wissen nicht, was ein Kinderhospiz ist. Wir werden sehr oft gleichgestellt mit Erwachsenenhospizvereinen. Dabei kann man die beiden Bereiche nicht miteinander vergleichen.
Welche Unterschiede gibt es?
Wir begleiten das Leben. Aber natürlich gehört der Tod da nun einmal dazu. Wir begleiten Familien, die eine Diagnose erhalten, dass ihr Kind eine lebensverkürzende oder lebensbedrohliche Erkrankung hat. Wir betreuen die Familien über Jahre – auch über den Tod des Kindes hinaus, sollte es dazu kommen. Wir können aber auch schon während der Schwangerschaft helfen, wenn die Mutter die Diagnose bekommt. Wir betreuen auch erkrankte Erwachsene, wenn noch minderjährige Kinder im Haus sind. Das wissen auch ganz wenige, da man beim Thema Kinderhospiz an Kinder denkt, aber nicht an Erwachsene. Wichtig ist, dass es bei uns auch Kinder gibt, die wieder gesund werden. Das sind die Lichtblicke in unserer Arbeit.
In Ihrer Arbeit gibt es aber nicht nur Lichtblicke. Wie bereiten Sie Eltern auf die schweren Momente vor?
Es geht darum, ehrlich zu sein. Ehrlichkeit ist einer der wesentlichsten und zentralsten Punkte in unserer Arbeit. So hart es klingen mag, aber die Eltern schätzen es sehr, wenn jemand das Thema nicht schönredet.
Der Tod ist in Ihrer Arbeit immer präsent. Wie gehen Sie damit um?
Sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, gehört zu unserem Beruf dazu. Ich glaube, man entscheidet sich für diesen Beruf nur, wenn man bestimmte Auseinandersetzungen haben möchte. In unserem Team unterstützen wir uns gegenseitig und setzen auf Vertrauen und Offenheit.
Können Sie trotzdem abschalten?
Die Themen begleiten mich auch nach dem Feierabend. Man muss lernen, damit umgehen zu können. Ich tausche mich regelmäßig mit meinem Team aus. Das ist eine wichtige Basis für unsere Arbeit. Ich muss immer wissen, dass ich aussprechen kann, wie es mir geht. Wichtig ist auch, dass man sich kleine Oasen schafft.
Welche Oasen sind das für Sie?
Für mich ist die Badewanne eine absolute Oase. Außerdem liebe ich die Berge. Da geht mein Herz auf. Ich schreibe auch oft meine Gedanken auf. Außerdem liebe ich Gedichte. Das alles gibt mir Kraft.
Wie wichtig ist das Zentrum für die Region?
Ich glaube, dass der Bedarf an Familien da ist, die Unterstützung brauchen. Es ist ein Geschenk, ein ambulantes Kinderhospiz in der Region zu haben. Wir sollten aber trotzdem noch viel vernetzter denken. Fakt ist: Es ist ein tolles Hilfsangebot für die Familien. Interview: Anna Heise