Ganz neue Töne durch Corona

von Redaktion

So hat sich der Alltag in der Rosenheimer Musikschule verändert

Rosenheim – Musik besteht nicht nur aus Klang, auch die Pausen gehören dazu. In der Corona-Krise waren diese keineswegs beabsichtigt, auch die Rosenheimer Musikschule trat ungewollt auf die Bremse. Doch die Kinder mussten ihre Instrumente nicht zur Seite legen. Wie der Unterricht trotz des Virus weitergehen kann:

Instrumente werden
akribisch desinfiziert

Max (6) bläst in sein Waldhorn, entlockt dem Instrument einen tiefen, sonoren Ton. Zusammen mit Julia (7) ist er Teilnehmer des Instrumentenkarussells Ikarus. Diese Aktion der Musikschule dient als Orientierungshilfe für die Schüler, die alle paar Wochen ein anderes Instrument ausprobieren und die Grundlagen eines jeden einzelnen erlernen möchten.

Doch heuer kam alles anders: Erst nach einer coronabedingten Pause konnte die Musikschule, so Leiter Gottfried Hartl, das Karussell wieder in Betrieb nehmen, allerdings in abgespeckter Version: In Zweier- statt Vierergruppen spielen die Kinder, in Unterrichtsräumen gibt es Schutzwände, überall heißt es: Abstand halten. Auch bei den Instrumenten ist Sorgfalt geboten. Max’ und Julias Musiklehrerin Regina Huber erklärt: „Die Instrumente werden regelmäßig gereinigt und in der Werkstatt komplett desinfiziert.“

Musikschulleiter Hartl führt durch die Gänge, das Tragen einer Maske ist hier obligatorisch. Wo sonst Schüler durch die Flure laufen und gemeinsam vor der nächsten Stunde warten, ist nun Stille eingekehrt. „Sehr schade“, findet Hartl. „Dieser Austausch ist doch das, was eine Musikschule ausmacht.“ Stattdessen werde nun jeder Kontakt akribisch dokumentiert. Bisher musste noch keine Klasse wegen eines Corona-Falls in Quarantäne geschickt werden.

Durch die Corona-Krise habe die Musikschule erst einmal völliges Neuland betreten, wie der Leiter erklärt. Drei Monate lang musste die Musikschule schließen, aber der Unterricht sollte weitergehen: Im Lockdown fanden die Stunden über Zoom und Skype statt. „Uns war klar, dass wir nicht stehenbleiben wollen.“ Die Lehrer nahmen laut Hartl ihren Schülern Tutorials auf. Das habe sich als äußerst nützlich erwiesen. „Sie ersetzen aber nicht den Präsenzunterricht.“ Denn ab und an gab es auch mal technische Probleme.

Hartl schließt aber nicht aus, solche digitalen Hilfestellungen in Zukunft öfter in den Unterricht einzubauen. Die Ensemblearbeit sei zwar ausgefallen, dafür hätten die Lehrer als Kernfach den Instrumental- und den Vokalunterricht aufrechterhalten. Die Neuanmeldungen, so der Leiter, seien nur ein wenig eingebrochen.

Jubiläum fiel
ins Wasser

Auch finanziell gab es einige Hürden. Kursgelder, wie etwa die der Musikalischen Früherziehung, hat die Schule zurückerstattet. Obendrein haben die Lehrer alle Stunden ermäßigt. „Es gab Eltern, die uns sogar einiges gespendet haben.“ Große Hoffnung setzt die Schule nun in den Staatszuschuss. „Vielleicht können wir damit die finanziellen Belastungen ausgleichen“, so Hartl.

Normalerweise präsentiert sich die Schule durch ihre Veranstaltungen, heuer wäre ihr 60. Jubiläum gewesen. „Das Konzert und andere Veranstaltungen werden wir nachholen.“ Auch das Weihnachtskonzert in St. Nikolaus soll stattfinden. In der Schule halten die Musiker zusammen. Lehrerin Anna Resch, die schon seit 40 Jahren unterrichtet, findet: „Für die Kinder gibt es nichts Besseres, als sich hier abzulenken.“

Musikschulverband: Kreative Wege in der Krise

„Die fehlende Digitalisierung hat die Musikschulen mit voller Wucht getroffen“, berichtet Wolfgang Greth, Geschäftsführer des Verbandes Bayerischer Musik- und Singschulen. Glücklicherweise hätten alle Beteiligten sehr erfolgreich ihre Schüler mit privaten Geräten und Zugängen betreuen können. Derzeit laufe der Unterricht wieder fast normal in Präsenzform. Spannend werde es nun, so Greth, inwieweit die steigenden Infektionszahlen wieder Auswirkungen auf die Musikschulen haben würden. Die Musikschulen seien kreativ geworden, manche hätten ein Digitalorchester zusammengestellt oder vor Seniorenheimen Musik gemacht. Dennoch stünde man in dieser schwierigen Zeit vor rechtlichen und finanziellen Problemen. So seien Corona und digitale Betreuung weder in der Schulordnung, noch in der Gebührenordnung verankert gewesen. Es habe auch arbeitsrechtliche und datenschutzrechtliche Probleme zu lösen gegeben. Der Verband hat die Musikschulen hierbei beraten, informiert und bis hin zu Berechnungshilfen unterstützt. Auch der Freistaat stelle für Gebührenausfälle den Musikschulen insgesamt 4,8 Millionen Euro zur Verfügung, so Greth. „Ich glaube, dass wir die vergangene Zeit finanziell gut überbrücken konnten“, ist sich Wolfgang Greth sicher. Schwieriger werde es für die Zukunft. „Wir hoffen, dass die Kommunen ihre Musikschulen auch trotz klammer Haushaltslage weiter gut unterstützen und den Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen eine musische Bildung ermöglichen.“ ahm

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