© Karl-Martin Hartmann
© Karl-Martin Hartmann
Rosenheim – Ein warm leuchtendes Fenster mit Rosen und Texten, dem die neugotische Architektur eine kerzenförmige Rahmung verleiht, erinnert in der Nikolauskirche an der Südseite an Elisabeth Block, ein junges Mädchen, das im Holocaust von den Nationalsozialisten ermordet wurde.
Das „Elisabeth-Block-Fenster“ ist Teil eines Gedenkortes mit insgesamt vier Fenstern, der im Westteil der Rosenheimer Pfarrkirche nach längeren Überlegungen Gestalt annahm. Entworfen hat die Gedenkfenster, wie alle Kirchenfenster, die anlässlich der Neugestaltung 2006 in die Kirche kamen, Karl-Martin Hartmann aus Wiesbaden. Die Glashütte lieferte Lamberts in Waldsassen die Gläser und die Derix Glasstudios in Taunusstein übernahmen die Herstellung der Fenster und deren Einbau.
Doch wie kam es zu den Gedenkfenstern? Pfarrer Andreas Zehentmair, damals Stadtpfarrer an St. Nikolaus und entscheidender Antreiber für die Neugestaltung, erklärt: „Viele Kirchenbesucher wünschten sich wieder eine Gedenkstätte für die gefallenen, vermissten und in Kriegsgefangenschaft verstorbenen Soldaten der beiden Weltkriege. Früher war die in der südlichen Seitenkapelle, doch das Neukonzept hatte den Gedenkort gestrichen. So entstand die Idee, den Soldaten ein Gedenkfenster zu widmen, das „Friedensfenster“ an der Nordseite, das die Familie Diebald stiftete. Das Fenster darüber ist den Opfern von Kriegen gewidmet.“
Pfarrer Zehentmair erzählt weiter: Als Pendant sollte an der südlichen Seite ein Gedenkfenster kommen, er beriet sich mit Karl-Martin Hartmann. Hartmann diskutierte das Thema in seiner Familie und berichtet: „Ich kann mich sehr gut erinnern, mit welcher Begeisterung meine Tante, Irmela Minor aus Steinen, sich für das Andenken an Elisabeth Block einsetzte. Meine Tante war die letzten Jahre ihres Berufslebens die Leiterin der Stadtbibliothek in Oberursel – sehr belesen. Als sie von meinem Fensterprojekt erfuhr, war sie wochenlang im Internet unterwegs und recherchierte. Auch aufgrund der Vergangenheit unserer Familie war das Thema Antisemitismus und Holocaust ein sie sehr bewegendes. So stieß sie auf Elisabeth Block und der Gedanke, an sie und an die Verfolgung und Ermordung der Juden mit einem Fenster zu erinnern, ließ sie ‚loslaufen‘.“
Bei ihren Recherchen war Irmela Block 2006 auf ein Buch gestoßen, das Prof. Dr. Manfred Treml und Dr. Peter Miesbeck 1993 beim Historischen Verein Rosenheim herausgegeben hatten und das Maßstäbe setzen sollte, die Tagebücher der Elisabeth Block. Dieses Buch hatte der Shoa in Rosenheim und Umgebung ein Gesicht gegeben, das eines jungen Mädchens. Der Vorschlag von Irmela Minor, das Fenster doch Elisabeth Block und ihrer Familie zu widmen, fand bei Pfarrer Zehentmair sofort Zustimmung.
Ein Schicksal,
das berührt
Elisabeth Block war Jüdin, 1923 in Niedernburg bei Prutting geboren, und besuchte die Mädchenrealschule in Rosenheim (solange sie noch zur Schule durfte). 1942 wurde sie mit ihren Eltern und ihren jüngeren Geschwistern deportiert und später wohl in Majdanek ermordet. Ein Schicksal, das nicht nur Irmela Minor berührte.
Irmela Minor nahm ab März 2006 Kontakt mit Peter Miesbeck, Pfarrer Zehentmair und Madlon Veronika Köpfler von der Stadtbibliothek Rosenheim, auf. Zu dieser Beratungsgruppe gesellten sich noch Manfred Treml und die Künstler Josef Hamberger und Ludwig Gruber, die beide an der Neugestaltung von St. Nikolaus maßgeblich beteiligt waren. Im Juni 2006 stand das Konzept, aber das Geld fehlte noch. Irmela Minor spendete und ermunterte die Gäste ihrer Feier zum 80. Geburtstag, das „Elisabeth-Block-Fenster“ zu unterstützen. Ein Spendenaufruf Anfang November 2006 an die Mitglieder des Historischen Vereins sowie Privatspenden erbrachten nochmals etwas Geld. Den noch fehlenden Betrag übernahmen die Mitglieder der Pfarrgemeinde St. Nikolaus, und im Jahr darauf konnte das Fenster eingebaut werden.
Doch das Fenster ist nicht nur Elisabeth Block und ihrer Familie, sondern allen aus Rosenheim vertriebenen Juden und allen jüdischen Opfern der NS-Diktatur gewidmet und bildet mit dem Fenster darüber, das an die „Opfer von Gewalt“ erinnert, eine Gedenkeinheit, wie die kleine Wandtafel informiert.
Ein Zeichen
für die Toleranz
Als einen der beiden Texte schlug Karl-Martin Hartmann das Gebet von Papst Johannes XXIII. vor, in dem er um eine Sinnesänderung der Christen in ihrem Verhältnis zu den Juden bittet. Der Künstler kannte das Zitat aus der Wernerkapelle in Bacharach am Rhein. Es sollte die gotische Kirchenruine, die von der Wallfahrtskapelle übrig geblieben war, die einst den „Ritualmord“ der Juden an dem jungen Werner erinnerte, zu einem „Mahnmal für einen geschwisterlichen Umgang der Religionen“ machen. Hartmann hatte sich intensiv mit der Wernerkapelle auseinandergesetzt und 2007 dort das „Rote Fenster“ installiert, um auf die problematische Historie des Bauwerks aufmerksam zu machen und ein Zeichen für Toleranz zu setzen. Pfarrer Andreas Zehentmair änderte aus Aktualitätsgründen den vorletzten Satz des Originals „Vergib uns, dass wir dich in ihrem Fleische zum zweiten Mal ans Kreuz schlugen.“ in „Vergib uns, dass wir dich in ihrem Namen ans Kreuz schlugen.“ Als zweiten Text wählte Zehentmair Psalm 13 aus.
„Ich bin glücklich, dass das Gedenken für die jüdischen wie nicht-jüdischen Opfer des Nazi-Regimes einen so herausragenden Platz in unserer Pfarrkirche gefunden hat.“ Mit diesen sehr persönlichen Worten würdigt Pfarrer Andreas Maria Zach, der im Herbst 2007 die Pfarrstelle von St. Nikolaus übernahm, die Arbeit seines Vorgängers Pfarrer Andreas Zehentmair und des Künstlers Karl-Martin Hartmann. Dank gebührt auch Irmela Minor, ohne deren Beharrlichkeit es wohl kein „Elisabeth-Block-Fenster“ gegeben hätte.