Ein Tag im Rollstuhl

von Redaktion

P-Seminar Schüler des Sebastian-Finsterwalder-Gymnasiums wechseln die Perspektive

Rosenheim – Sechs Schüler des P-Seminars Religion am Sebastian-Finsterwalder-Gymnasium haben den Perspektivwechsel gewagt. Im Rahmen des Teilprojekts „Rollstuhlfreundliche Stadt Rosenheim“ waren sie in der Stadt unterwegs. Sie haben getestet, welche Probleme für Rollstuhlfahrer auftreten, aber auch, wo es bereits gut läuft. Ein Erfahrungsbericht.

Gefährliche
Spalten im Boden

Kreuz und quer durch die Innenstadt hat das Projekt die Oberstufenschüler des Sebastian-Finsterwalder-Gymnasiums geführt. Sie waren in Zweier-Teams unterwegs, jeweils einer im Rollstuhl. Die andere Person war für die Unterstützung und gegebenenfalls für das Schieben zuständig.

Das erste Ziel: eine Buchhandlung. Schon auf den Weg dorthin gab es erste Hemmnisse – in diesem Fall der Boden. Als Fußgänger achtet man gewöhnlich nicht übermäßig auf die Straße. Risse, Unebenheiten und Lücken fallen nicht immer auf. Wenn man im Rollstuhl sitzt, können sich diese kleineren Unvollkommenheiten jedoch in bedrohliche Spalten verwandeln, in denen der Rollstuhl auch stecken bleiben oder sogar umkippen kann. Als der Weg etwas steiler bergab ging, wurde es nicht leichter. „Der Rollstuhl meines Teams hatte keine Bremsen und es hatte mich einige Mühe gekostet, meinen Teampartner nicht den Abstieg hinunterrasen zu lassen“, schildert Alida Zifreind. Manche Borsteine stellten ebenfalls ein Problem dar. Diese waren an einigen Stellen nicht weit genug abgeflacht, sodass es ziemlicher Mühe bedurfte, die Straße zu überqueren.

Bei der Buchhandlung angekommen, war die Freude über den weichen, ebenen Untergrund groß. „Dank des Fahrstuhls konnten wir auch ohne Schwierigkeiten in den oberen Stock gelangen“, sagt Matija Mijacevic. Ware, die auf Tischen ausgelegt war, konnte als Rollstuhlfahrer gut erreicht werden. Bei hohen Regalen sei man allerdings auf Hilfe angewiesen gewesen.

Dieses Problem tauchte auch in anderen Läden öfter auf, zum Beispiel im Drogeriemarkt. Nach einem kurzen Zwischenstopp dort führte die Route in Richtung Kultur- und Kongresszentrum, wo die Schüler die Rampen testeten. Auch hier gewannen sie neue Erkenntnisse: „Selbst wenn es eine Rampe gibt, heißt es nicht, dass diese leicht zu bewältigen oder überhaupt zugänglich ist“, sagt Christina Eibl. So seien einige Rampen recht steil gewesen, wodurch es „sehr schwer war, ohne Hilfe hochzukommen“.

Schließlich führte der Weg weiter quer über den Max-Josefs-Platz. „Die Pflastersteine dort fand ich immer schön, aber als ich im Rollstuhl geschoben wurde, begann ich den weichen Teppichboden der Buchhandlung zu vermissen“, erinnert sich Alessa Rottenaicher.

Was ihr und ihren Mitschülern über den ganzen Tag hinweg negativ aufgefallen ist: die Blicke der Leute. „Ich möchte nicht sagen, dass jede Person ungeniert geschaut hat, aber es gab doch einige Leute, die gestarrt haben. Manche auffälliger, die anderen weniger“, sind sich die sechs Schüler einig. „Als Betroffener ist das sicherlich eine sehr unangenehme Situation, die einem das Gefühl gibt, dass ein Leben im Rollstuhl eben nicht als selbstverständlicher Bestandteil der Gesellschaft wahrgenommen wird.“

Barrierefreiheit
allen bieten können

Für die meisten Menschen ist es natürlich selbstverständlich, spontan zum Einkaufen oder in ein Café gehen zu können oder auch einfach nur durch die Stadt zu schlendern. Für einen Teil der Bevölkerung stellen diese einfachen Tätigkeiten aber bereits eine größere Herausforderung dar, weil oftmals Barrieren im Weg stehen. Das Projekt war für die Schüler nach eigenen Angaben durchaus anstrengend, aber definitiv eine wertvolle Erfahrung.

Zum Abschluss zogen die Projektteilnehmer das Fazit: „Wir hoffen, dass unser Teilprojekt im Rahmen des P-Seminars mehr Verständnis schafft und aufzeigt, wie wichtig Barrierefreiheit ist.“ Ihre eigene Generation solle das Ziel, Mobilität, Selbstständigkeit und Barrierefreiheit allen bieten zu können, zielstrebig angehen und darauf hinarbeiten. re

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