Rosenheim – Ein blockhaft reduziertes Mädchen aus Stein sitzt in einem Grünstreifen vor einem Wohnblock an der Lessingstraße. Im Schoß der stillen Beobachterin sammelt sich das Regenwasser, ihr rechter Arm hängt nach unten, der linke liegt auf dem Oberschenkel auf. Ein schlichtes langes Kleid hüllt den Körper schützend ein. Geschaffen hat diese Steinskulptur 1961 der Bildhauer Rudolf Triebel.
Damals entstanden im Westen des Stadtgebietes umfangreiche neue Siedlungen, um mehr Wohnraum für die zunehmende Bevölkerung bieten zu können. Die „Kunst am Bau“ sollte bei der Städtischen Wohnanlage in der Lessingstraße aber auch berücksichtigt werden und so beschloss der Kulturausschuss des Stadtrates der Stadt Rosenheim am 9. November 1961 den Ankauf von Triebels „Sitzendem Mädchen“.
Anregung bei
seinem Lehrer?
Rudolf Triebel, der sich in seinem Schaffen mehrfach mit diesem Motiv auseinandersetzte, mag dazu Anregung bei seinem Schwäbisch Gmündner Lehrer Albert Holl gefunden haben, der genau dieses Thema 1932 stilistisch durchaus vergleichbar gelöst hatte.
Links am Sitzhocker findet sich die Signatur „ST“, was zunächst verwirrt. Klärung schafft ein Telefonat mit Hans Triebel, einem der fünf Söhne des Künstlers: „Mein Vater verwendete zeitweise den Künstlernamen „Steffen“ und daraus ergab sich diese Signatur.“
Der bekannte Wirt der Gotzinger Trommel bei Weyarn und frühere Vorsitzende des Fördervereins für Bairische Sprache und Dialekte erzählt aus dem Leben seines Vaters: „Mein Vater wollte eigentlich Dirigent werden, denn er war sehr musikalisch und spielte hervorragend Cello. Aber der Großvater riet von einer unsicheren Musikerlaufbahn ab und empfahl, er solle ein Handwerk lernen.“ So sei sein Vater Bildhauer und Medailleur geworden, „eine Kombination aus Handwerk und Kunst sozusagen“.
Hans Triebel weiter: „Wir fünf Söhne lernten dann alle ein Handwerk. In unserer Künstlerfamilie war man um jeden froh, der Geld verdiente. Mein Vater war vielfältig musisch begabt. Er hat in Miesbach mit jungen Leuten Theater gespielt und mit Freunden zu Hause musiziert, bei uns ist oft der Teufel los gewesen. Unsere Mutter Inge, die wie der Vater aus Thüringen stammte, war die Tochter des Opernsängers Hans Müller und Opa sang bei uns daheim. Mit Rudolf Pikola, dem Gründer der Volkshochschule, der 1960 Bürgermeister in Miesbach wurde, hatte er einen gleichgesinnten Kunst- und Theaterfreund gefunden. Da entstanden immer Ideen, um das kulturelle Leben zu bereichern. Nach der Scheidung zog mein Vater 1961 nach Rosenheim, fuhr aber alle zwei Wochen mit dem Bus nach Miesbach.
Zuletzt wohnte er in der Wittelsbacherstraße, in dem Hochhaus neben dem Hallenbad, und freute sich, dass er nicht die Heizung aufdrehen musste, weil das Bad seine Wohnung mit erwärmte.“ Zwei Jahre später erhielt Rudolf Triebel einen weiteren Auftrag der Stadt Rosenheim. Am 31. Januar 1963 beschloss der Kulturausschuss Triebels „Vogeltränke mit Rebhühnern“ als „Kunst am Bau“ vor dem Gebäude Marienberger Straße 3-7 der ebenfalls neu erbauten Städtischen Wohnanlage aufzustellen. Triebel gestaltete einen kräftigen Würfelblock, darauf drei Rebhühner in abstrahierender Reduktion der Formen und größenmäßiger Staffelung.
In einer leichten Vertiefung des Blocks sammelt sich Regenwasser als Tränke. Leider ist seit Jahren der Kopf des größten Vogels deutlich beschädigt. Im Januar 1965 war Triebel im Gespräch für acht großformatige Reliefs in Muschelkalk mit stilisierten Tierdarstellungen und einem Innschiff, die über den Eingängen der ebenfalls neu gebauten Städtischen Wohnanlage in der Herderstraße 5-19 angebracht werden sollten. Nicht alle im Kulturausschuss fanden es im gut, dass Triebel schon wieder einen Auftrag bekommen sollte und, dass Stadtbaurat Franz Stadler dem Ausschuss die Entwürfe Triebels nur noch zur Absegnung vorlegte, und forderten für zukünftige Vergaben einen Wettbewerb.
Enkelin hat sein
Talent geerbt
Doch zurück zum Sohn Hans Triebel, der sichtlich stolz ist auf seine Tochter: „Die Enkelin hat viel Talent vom Großvater geerbt und sie ist auch die, die von allen ihre musischen und künstlerischen Begabung am meisten einsetzt.“ Die Rede ist von Andrea Hailer, der Vorsitzenden des „Kulturforum Rosenheim“, die gleich noch ergänzt: „Mein Großvater war befreundet mit Rolf Märkl und die beiden tauschten immer wieder Kunstwerke untereinander aus. Einig waren sie sich nicht immer, weil mein Großvater fand, Rolf würde zu viele ‚Nackerde‘ zeigen.“ Gut, dass die Anekdoten um Rudolf Triebel im Familienkreis weitergepflegt werden, denn zu schnell verblasst in der Öffentlichkeit ein Künstlerleben.