Rosenheim – Bis zu 38000 Bayern pro Tag. So lautet die Ansage der Staatsregierung in Sachen Corona-Impfung. Doch ob selbst mit dieser Zahl an täglichen Injektionen Bayerns Ziel, 70 Prozent der Bevölkerung mit ausreichendem Impfschutz gegen den Erreger zu versehen, erreicht werden kann, daran hegt der Manager
des Aicherparks, Hans Schussmann, Zweifel. Er hat sich mit einem offenen Brief an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder gewandt. In diesem wirft er Söder und seinem Kabinett Missmanagement und Misserfolg in Sachen Corona-Bekämpfung vor.
Schwierige Lage für Modegeschäfte und Gastronomie
„Die Zerstörung der Volkswirtschaft führt zum Zerfall des stationären Handels in den Städten. Die Innenstädte sterben“, mahnt der Manager. Und auch jenseits der Innenstädte, auf dem Areal, das er als Manager betreut, drohten Geschäftspleiten. Mit vielen Lebensmittelläden sei der Aicherpark zwar gut aufgestellt, jedoch: den Bekleidungsgeschäften, aber auch der Gastronomie dort drohe die Schließung. Auch die Eröffnung des Kletter-Parks, eigentlich geplant für August/September vergangenen Jahres, wird sich wohl weiter verschieben. Ihm drohe womöglich noch vor dem Start die Pleite, wenn sich in absehbarer Zeit nichts ändere und das investierte Geld nicht bald durch Einnahmen wieder reinkomme, schildert der Manager im Gespräch mit den OVB-Heimatzeitungen. Doch bei der aktuellen Strategie der bayerischen Landesregierung macht sich Schussmann wenig Hoffnung, dass sich am Infektionsgeschehen alsbald etwas ändern könnte.
Denn, rechnet Schussmann vor, mit 37000 Personen täglich bräuchte der Freistaat mit seinen rund zwölf Millionen Einwohnern bis Ende des Jahres, um die gesteckte Quote zu erreichen. Der Rosenheimer verweist auf Israel, einen Staat mit rund zehn Millionen Einwohnern. Hier würden pro Tag 150000 Dosen verimpft.
„In Bayern haben die Impfzentren noch nicht ihre Arbeit abgeschlossen – ja teilweise mussten Impfzentren, die noch gar nicht begonnen hatten, wieder geschlossen werden“, lautet sein Vorwurf. Selbst andere Bundesländer der Republik seien Bayern „deutlich voraus“, darunter Berlin und Baden-Württemberg. Auch die Prioritäten bei der Verabreichung der Injektionen kann Schussmann nicht nachvollziehen. „Alte Menschen in Pflegeheimen werden zuerst geimpft. Die alten Menschen in den Heimen sind aber sowieso bereits isoliert“, schreibt er an Söder. Er fordert: Medizinisches Personal müsse bei der Vakzinierung Vorrang haben, um einen Kollaps des Gesundheitssystems zu verhindern. Seine Forderung: „Entschlossenes Handeln und gesamtwirtschaftliche Betrachtung sind der Schlüssel zum Abstellen von Missmanagement und Misserfolg. Nutzen Sie Ihre Chance!“, fordert er in Richtung der bayerischen Staatsregierung.
In dieser
Situation: keine
neuen Mieter in Sicht
Für den Aicherpark-Manager bedeutet die derzeitige Situation vor allem: keine neuen Mieter für seine Flächen. Denn: So lange nicht abzusehen ist, wann Bayern das Öffnungsverbot wieder aufhebt, gehe kein Kaufmann und kein Gastronom an den Start.
Bayerns Staatskanzlei reagiert einigermaßen träge auf die Anfrage der OVB-Heimatzeitungen, um nicht zu sagen: gar nicht. Stattdessen lässt man auch bei politischen Fragen das ohnehin gut beschäftigte Gesundheitsresort antworten.
Dieses verweist auf die ständige Impfkommission des Bundes, auf deren Empfehlungen der rechtliche Rahmen für das Impfvorgehen in Bayern beruhe. „Bewohnerinnen und Bewohner in Alten- und Pflegeheimen gehören zur Gruppe der Personen mit einem besonders hohen Risiko für einen schweren oder tödlichen Verlauf bei Infektion mit Sars-CoV-2“, antworteten eine Ministeriumssprecherin auf Fragen der OVB-Heimatzeitungen. Doch laut geltender Impfverordnung hätten nicht nur diese besonders gefährdeten Personen Anspruch, beim Impfen unter den ersten zu sein. Auch Gruppen, die beruflich bedingt Gefahr laufen, sich das Coronavirus einzufangen, hätten vorrangig Anspruch auf eine Impfung.
Ministerium: „Leistungsfähige Impfzentren“
Im Blick auf die Impfzentren widerspricht die Sprecherin Schussmanns Vorwürfen: Die Leistungsfähigkeit der Impfzentren sei bereits jetzt „sehr hoch.“ Denn: „Bayern hat eine hervorragende Impf-Infrastruktur aufgebaut“, heißt es aus München. Aber: „Die Impfzentren sind einsatzbereit und könnten, bei ausreichender Impfstoffverfügbarkeit, aktuell täglich über 38000 Menschen impfen. Um diese Kapazität ausnutzen und ausbauen zu können, ist jedoch eine ausreichende Impfstoffverfügbarkeit notwendige Voraussetzung, die derzeit nicht besteht.“ Zudem funktioniere die Planung der Impfungen und wie auch die Terminvergabe. Je nach Bedarf könne die Kapazität der einzelnen Zentren noch erhöht werden – zum Beispiel durch eine Ausweitung der Öffnungszeiten bei den Impfzentren. „Nach der nationalen Impfstrategie des Bundes ist außerdem, sobald ausreichend Impfstoffverfügbarkeit besteht, zu einem späteren Zeitpunkt eine Impfung über die niedergelassenen Ärzte vorgesehen – was die Impfkapazitäten ebenfalls nochmals deutlich erhöhen wird“, versichert die Sprecherin des bayerischen Gesundheitsministeriums auf Anfrage.