Mehr Angst vor Hunger als vor Corona

von Redaktion

Zwei Kolbermoorer engagieren sich im Kampf gegen Armut in Guatemala

Kolbermoor/Quetzaltenango – Ihr Dach überm Kopf ist eine Wellblechplatte, ihre vier Wände sind zusammengeflickt aus Karton, Holz und Plastikfolien. Hier, im Armenviertel Las Rosas, Stadtteil der zweitgrößten Stadt Guatemalas, lebt Dona Cecilia mit ihren drei Kindern. Ohne Arbeit, ohne Einkommen – die 31-jährige Alleinerziehende steht vor dem Nichts. Aber: Zumindest einen Monat wird jetzt die Ernährung der Familie gesichert sein, denn in Las Rosas sind Spenden aus Bayern angekommen. Über 140 Familien haben so bereits zum zweiten Mal Lebensmittelpakete erhalten.

„Wir sind
überwältigt“

Absender ist der Entwicklungshilfeverein „Elote“, in dem das Kolbermoorer Ehepaar Romy Mahrla-Röös und Christian Röös im Vorstand mitwirkt. Vor Ort verteilt wurden die Pakete über die Straßenschule „Edelac“, eine Partnerorganisation des bayerischen Vereins. „Das ist Hilfe, die direkt bei den Menschen ankommt“, freut sich Elote-Kassenwart Christian Röös. Im Juli hatte Elote öffentlich zu Spenden aufgerufen. „15000 Euro sind bislang eingegangen. Wir sind überwältigt.“

Millionen Menschen verloren ihren Job

Die Corona-Krise habe in Guatemala zu einer dramatischen Massenarbeitslosigkeit geführt. „Millionen Menschen des kleinen mittelamerikanischen Landes haben quasi über Nacht ihren Job verloren. Besonders betroffen sind die Ärmsten der Armen“, sagt Romy Mahrla-Röös. Sie spricht von Menschen mit Gelegenheitsjobs im Handel oder im Haushalt. „Bereits vor der Krise wussten sie kaum, wie sie ihre Familie ernähren sollten.“

So wie Dona Cecilia. Sie verdiente laut Mahrla-Röös ihren Lebensunterhalt als Putzfrau. Als sie coronabedingt ihren Arbeitsplatz verlor und die Miete nicht mehr zahlen konnte, setzte sie ihr Vermieter prompt vor die Tür. Auch für das Fleckchen Land, auf dem ihr notdürftiges Quartier steht, zahle Dona Cecilia jetzt monatliche Miete, 300 Quetzales, umgerechnet rund 33 Euro, so MahrlaRöös. „Ihre einzige Einkommensquelle aktuell: Sammeln und Verkauf von Brennholz, Verkauf von gebrauchten Kleidungsstücken, die die Familie von Nachbarn geschenkt bekommen.“

In Guatemala sowie in vielen Ländern Lateinamerikas hat sich die Wirtschaftskrise zu einer Ernährungskrise entwickelt. Christian Röös: „Die Angst vor dem Hunger ist bei vielen Guatemalteken größer als die Angst vor dem Virus.“

Deshalb plane die Hilfsorganisation Elote eine weitere Verteilaktion von Lebensmittelpaketen und rufe erneut zu Spenden auf. „Wir kennen die Projekte im Land persönlich, weil ein ständiger Austausch mit unserer Partnerorganisation stattfindet. Auch durch Besuche“, sagt Röös. „Unser Verein ist so transparent aufgestellt, dass bekannt ist, wie unsere Spenden verwendet werden. Nach Abzug der Überweisungskosten werden die Beträge zu 99,9 Prozent nach Guatemala transferiert.“

Elote e.V. ist im Jahr 2003 aus einer studentischen Initiative an der Katholischen Universität Eichstätt hervorgegangen. „Heute arbeiten wir unter anderem als Pädagogen, Ärzte und Entwicklungshelfer in Deutschland und der Welt. An unserer Vision hat sich in den letzten 15 Jahren jedoch nichts geändert“, betont Röös. Für ihn ist die Mitarbeit in dem Hilfeverein seit Jahren Ehrensache.

Unbegleitete Flüchtlinge

Seinen Lebensunterhalt verdient sich der 44-jährige Sozialpädagoge mittlerweile in einer Jugendhilfeeinrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in München. „Während meines Studiums haben Studienfreunde ihr Auslandspraktikum in Guatemala absolviert. Sie waren die Initiatoren für die Vereinsgründung; als gelernter Bankkaufmann wurde ich angefragt, ob ich mich um die Finanzen des Vereins kümmern könnte.“

Der Anstoß fürs Mitmachen war für ihn, „zu wissen, mit dem, was ich kann, einen kleinen Verein dabei unterstützen zu können, der einer unterdrückten benachteiligten Bevölkerungsgruppe hilft.“ Nach dem Studium sei „ein harter Kern“ geblieben, der sich weiter um den Verein und dessen Interessen in Guatemala kümmert, so Röös.

31-Jährige arbeitet als Erziehungsberaterin

Seit einigen Jahren gehört auch Ehefrau Romy Mahrla-Röös dem Elote-Vorstand an; Die 31-jährige Sozialpädagogin arbeitet in Miesbach in der Erziehungsberatung. Im Verein wirke sie als Beisitzerin mehr intern als aktiv nach Außen, wie sie sagt.

So selbstverständlich, wie für das Ehepaar Röös die ehrenamtliche Mitarbeit im Verein Elote ist, so selbstverständlich ist auch die monetäre Unterstützung. Christian Röös: „Wir sind immer wieder bereit, selbst zu spenden, weil wir uns in unserer Lebenssituation im Vergleich zu anderen Menschen in der Welt als sehr privilegiert halten.“

Der Name stammt vom Grundnahrungsmittel Mais ab

Elote e.V. ist in der Entwicklungszusammenarbeit tätig. Der Verein mit Sitz in Neuburg am Inn zählt 40 Mitglieder. Im Vorstand sind Alexander Fischer aus Neuburg am Inn, Hans Leipold aus Wasserburg und Christian Röös aus Kolbermoor, Romy Mahrla-Röös ist Mitglied des erweiterten Vorstands. In partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit lokalen Organisationen leistet der Verein Hilfe zur Selbsthilfe mit den Schwerpunkten Bildung und Gesundheit. Elote e.V. unterstützt drei Projektpartner in Guatemala und fördert eine Fachschule für Ländliche Entwicklung, ein Grundschulprojekt für Straßenkinder und sozial benachteiligte Kinder sowie eine Initiative, die die Gesundheitsversorgung in entlegenen Maya-Dörfern fördert (Fördersumme 2020: 66000 Euro, ohne Corona-Hilfe). Und weshalb trägt der Verein den Namen „elote“? Elote bezeichnet das Grundnahrungsmittel in Guatemala: den Maiskolben.

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